Unicef-Spendenaktion : Wie Drohnen die drängenden Probleme lösen
Thyolo, Malawi An der Technischen Universität von Thyolo in Malawi gibt es seit wenigen Jahren die Afrikanische Drohnen- und Datenakademie – ein Stipendienprogramm finanziert von Unicef. Dort werden Studentinnen und Studenten in der Theorie und Praxis rund um das Thema Drohnen ausgebildet.
Als wir das große Eisentor passieren und auf das palastähnliche Gebäude der Universität für Wissenschaft und Technik (MUST) in Thyolo zufahren, staunen wir nicht schlecht. Statt Lehmhütten sehen wir blank polierte Fließen, statt trockener Steppe leuchtet uns ein gut gepflegter grüner Rasen entgegen. Malawi zeigt uns hier ein Gesicht, das wir so noch nicht kennen. Ein Gesicht des Aufbruchs und Innovationsgeist. Eins ist sofort klar: Hier wird investiert. Und zwar in die Zukunft des Landes, in wissbegierige junge Menschen.
Ein paar davon lernen wir an diesem Morgen kennen, nämlich die Abschlussklasse der „African Drone and Data Academy“ (ADDA), einem Programm, das von Unicef finanziert wird. Es ist ein besonderer Tag für sie, weil die Studentinnen und Studenten heute ihre Zeugnisse überreicht bekommen. Sie nutzen die letzten Minuten, um sich auf die Abschlusszeremonie vorzubereiten, bei der sie ihre Studienarbeiten vor einem großen Publikum vorstellen werden.
Testflüge, Prototypen und Daten
Doch von Anspannung keine Spur: Die 21-jährige Phumzile Jere steht vor der Klasse und präsentiert entspannt und selbstbewusst die Ergebnisse ihres Teams. Gemeinsam haben sie eine Drohne entwickelt, die speziell in ländlichen Gebieten Malawis eingesetzt werden soll, um detaillierte Landschaftsaufnahmen zu machen. Ziel ist es, in Gegenden ohne asphaltierte Straßen die besten Fahrradwege für Schulkinder ausfindig zu machen, damit sie sicher und schnell ans Ziel kommen. Für diese Projektarbeit hat die 21-Jährige mit ihrem Team nicht nur den theoretischen Plan entwickelt, sondern auch den Prototyp konzipiert, gebaut, Testflüge unternommen und erste Daten gesammelt.
Phumzile Jere und ihre Kommilitonen gehören zum vierten Jahrgang der ADDA, ein Programm, das es erst seit 2020 gibt. Pro Kurs werden insgesamt 16 Stipendiaten aufgenommen, 60 Prozent davon sind immer Frauen. Außerdem stammt nur die Hälfte der Stipendiaten aus Malawi, acht kommen aus anderen afrikanischen Ländern. Fünf Wochen lang lernen die Studierenden im Homeschooling die Theorie: Was macht eine Drohne aus? Welche Daten kann man damit erheben? Wie wertet man diese Daten aus?
Wenn die theoretische Prüfung bestanden ist, kommt die Gruppe für die Praxismodule an der MUST in Thyolo zusammen, erklärt Brian Kamamia. Er ist Projektmanager bei „Virginiatech“, einer Technikuni aus den USA, und ein Ausbilder bei dem zehn-wöchigen Drohnen-Kurs. Das Kinderhilfswerk Unicef bezahlt derzeit das komplette Stipendium, dazu zählen auch die Flüge nach Malawi, die Unterkünfte und die Lernmaterialien.
Vor Ort lernen die Studentinnen und Studenten, wie man eine Drohne baut, repariert und natürlich auch fliegt: „Wir wollen die Jugend dazu ermutigen, kreativ zu sein“, sagt Brian Kamamia, „deshalb unterrichten wir eine Mischung aus Theorie und Praxis.“ Ihnen gehe es nicht darum, dass die Studierenden die Inhalte einfach nur auswendig lernen, sondern dass sie die Grundlagen verstehen.
Bevor Phumzile Jere das ADDA-Stipendium bekam, studierte die junge Frau vier Jahre lang Geologie: „Ich liebe es, zu entdecken, zu sehen, wie Dinge funktionieren“, begeistert sie sich. „Das Thema Nachhaltigkeit liegt mir besonders am Herzen.“ Die 21-Jährige hatte bessere Startbedingungen als die meisten anderen in Malawi: Ihr Vater ist Geschäftsmann, ihre Mutter Angestellte einer Bank. Die Eltern haben sie und ihre beiden Geschwister deshalb finanziell immer unterstützen und damit Bildung überhaupt erst ermöglichen können. „In zehn Jahren möchte ich CEO in einer Firma für nachhaltige Entwicklung sein“, erklärt sie voller Zuversicht. Und für dieses Ziel ist das ADDA-Programm ein wichtiger Baustein für sie.
Humanitäre Ziele
Die Drohnenakademie ist Teil einer größeren Bewegung, die sich „Drones for Good“ nennt und die Fluggeräte gezielt für einen humanitären und gesellschaftlichen Nutzen einsetzen will – statt beispielsweise zu militärischen Zwecken.
Visionen zur Anwendung von Drohnen haben die Studenten hier in Malawi viele, sei es im Straßenbau, Gesundheitswesen, bei der Medikamentenlieferung, dem Umweltschutz oder beim Katastrophenmanagement. „Der Einsatz von Drohnen ist ein innovativer Ansatz, um Hilfe zu optimieren und Möglichkeiten zu schaffen, wo vorher keine waren“, erklärt Brian Kamamia. Wenn man mithilfe der Drohne beispielsweise eine Karte mit allen Latrinen in einem Ort erstellt, kann man bei einer Überschwemmung vorhersagen, wohin von dort das meiste Wasser fließt. „So ließe sich ein möglicher Cholera-Ausbruch prognostizieren und rechtzeitig darauf reagieren“, erläutert Kamamia.
Katastrophenschutz
Auch über Chikwawa, einer sehr heißen Gegend in Malawi, die oft von schweren Überschwemmungen betroffen ist, sind die Studenten der ADDA bereits mit der Drohne geflogen, um Daten zu Überschwemmungsmodellierung zu erheben. Zwar weiß dort eigentlich jeder Bewohner, wo das Wasser am meisten Schaden anrichtet, da die Überflutungen immer an denselben Orten sind. „Mithilfe unserer Daten kann man den Menschen aber auch sagen, wohin sie ausweichen können – an Orte, an denen die Flut voraussichtlich nicht so schlimm sein wird.“
Letztlich geht es den Tutoren der ADDA aber weniger darum, innerhalb des Stipendien-Programms solche Daten zu erheben, sondern den Studentinnen und Studenten das nötige Wissen an die Hand zu geben, damit sie selbst aktiv werden: „Wir wollen, dass die Absolventen in der Lage sind, die lokalen Probleme zu lösen und damit etwas an die Community zurückgeben.“ Die Hälfte der Kursteilnehmer wird in ihre Heimatländer zurückkehren und dort ihr Wissen implementieren können.
Das zumindest ist der Plan von Manag Mbaakanyi. Die 30-Jährige stammt aus Botswana und hat dort ihren Masterabschluss in Computerwissenschaften gemacht. In ihrer Heimat arbeitet sie bei einer Firma, die mit Drohnen Geld verdient: „Aber bislang hatte ich kein technisches Verständnis für das, was wir dort machen“, erzählt sie. Deshalb war ihr sofort klar, dass die ADDA ihre Chance sei – denn ein vergleichbares Studium gibt es in Botswana nicht. Jetzt kann sie in der Firma mitreden, wenn es um den Einsatz von Drohnen und ihre Instandhaltung geht. Doch sie will mehr – nämlich gestalten und helfen: „Ich werde in Botswana ein eigenes Trainingszentrum für Drohnenpiloten eröffnen – um dort vor allem junge Menschen auszubilden.“ Jetzt, da sie das Programm absolviert hat, fühlt sie sich auch befähigt, beim Gesundheitsministerium ihre Ideen für humanitäre Drohnenprojekte in Botswana vorzustellen und die Entscheidungsträger davon zu überzeugen.
Startups und Übernahmen
Tatsächlich ist es genau das, was sich die Macher des ADDA-Programms wünschen, nämlich dass das Wissen in vielen afrikanischen Ländern verbreitet wird und überall zum Einsatz kommt: Aus den Reihen der früheren Absolventen sind schon mehrere Startups gegründet worden, die ihre Dienstleistungen rund um Drohnen anbieten. „Unternehmertum ist ein wichtiger Baustein der Ausbildung“, erklärt Brian Kamamia. Ein ehemaliger Student habe zum Beispiel einen Auftrag von der Weltbank bekommen und inspiziert für sie die Straßenschäden im Land. „Normalerweise werden solche Jobs immer von internationalen Unternehmen durchgeführt und nicht von Einheimischen. Das ist ein toller Erlog“, findet Kamamia. Andere Absolventen wiederum wurden direkt von Firmen abgeworben: Mehrere von ihnen arbeiten mittlerweile bei „Wingcopter“, einem deutschen Unternehmen aus Darmstadt, das in Malawi für das Gesundheitsamt Medikamente in entlegene Gebiete fliegt.
Die 21-jährige Phumzile hat ihre Ziele jedenfalls klar im Blick. Ihre Vision sei es, dass die Jugend endlich die Chance bekommt zu zeigen, dass sie das Land besser machen kann. „Ich glaube, dass es viele Dinge gibt, die wir jungen Menschen ändern könnten. Wir sollten die Chance bekommen, der Welt zu zeigen, dass wir Malawi aus dem Dritte-Welt-Land nach oben bringen können.“
Auf Highheels und in schwarzen langen Roben schreiten die beiden selbstbewussten Frauen mit ihren Kommilitonen in Richtung Abschlussfeier. Sie gehen der Zukunft nicht nur entgegen, sondern gestalten sie selbst. Auch deshalb lohnt es sich für Unicef hier zu investieren, in das große Kapital des kleinen Landes: die jungen Menschen.