Unvergessene Unicef-Botschafter : Prominentes Kapital
Aachen Stars wie Roger Moore, Sir Peter Ustinov, Christopher Lee, Hans-Joachim Fuchsberger oder Mia Farrow haben sich schon für die gute Sache eingesetzt. Ein heiterer Rückblick auf prominente Unterstützer.
Vier Gläser Sekt auf dem Tablett des Oberkellners im Aachener Quellenhof geraten gefährlich ins Wanken, als dieser den alten Herrn am Tisch auf der Hotelterrasse ungläubig anstarrt. Sein Gast hat das Gesicht hinter die runde Krümmung seines Gehstocks fixiert, nutzt sie als Lenkrad, brummt, bläst die Wangen auf und heult auf wie der Motor eines Rennwagens.
So wohl fühlte sich der legendäre Schauspieler, Schriftsteller und Unicef-Botschafter Sir Peter Ustinov († 2004) anno 1999 in „Aachen, meiner persönlichen Hauptstadt von Unicef“: „Unglaublich, was die Zeitung hier macht und wie viel die Menschen seit langer Zeit immer wieder spenden“, schwärmte der britische Weltstar, der zweimal unsere Redaktion an der Dresdener Straße besuchte. Eine Talkshow mit ihm im Theater Aachen war binnen weniger Stunden zugunsten von Unicef ausverkauft. Unvergessen Sir Peters Ausspruch: „Hilfe für Kinder ist kein Tropfen auf den heißen Stein. Sie ist wie ein Tropfen im Meer, der nie verloren geht.“
Renommierte Botschafter aus aller Welt hatte Unicef seit den 1980er Jahren viele – etwa Audrey Hepburn, Danny Kaye und Liv Ullmann. Oder auch Harry Belafonte, der per Videoleinwand unseren Leserinnen und Lesern bei einer Unicef-Veranstaltung im Circus Roncalli für den Einsatz dankte.
Die Kontakte baute der damalige Unicef-PR-Chef Dieter Pool aus. Er übertrug das Modell einer Zusammenarbeit mit glaubwürdigen Prominenten aus aller Welt auch auf nationale Ebene – und gewann in Deutschland Persönlichkeiten wie Sabine Christiansen, „Blacky“ Fuchsberger, Marie-Luise Marjan oder Oliver Bierhoff. Sie alle lernten die ungewöhnliche Zeitungspartnerschaft des Kinderhilfswerkes schnell kennen – und stellten sich immer wieder in deren Dienst. „Das Wichtigste an den Kooperationen war und ist die Glaubwürdigkeit von bekannten Menschen und deren Fähigkeit, Vertrauen herzustellen. Dann kann Prominenz Kapital sein“, so Pool heute.
Auch „James Bond“-Darsteller und Botschafter Roger Moore († 2017) war sich dessen bewusst: „Als bekannter Schauspieler ist es mein Verdienst, Gehör bei den Medien zu finden und die Anliegen von Unicef anzubringen. Das liegt mir am Herzen“, sagte er bereits 1996 unserer Zeitung – und kam im Jahr 2013 selbst nach Aachen. Dabei nahm „007“ den symbolischen Scheck über 180.000 Euro für die textilverarbeitenden Kindersklaven in Bangladesch entgegen.
Mit dem britischen Weltstar ist eine heitere Episode verbunden. Moore durfte zur Scheckübergabe beim CHIO in einer Kutsche durchs Stadion fahren. Dabei spielte der 86-jährige Schauspieler mit kindlicher Freude mehrfach den Bond-Stuntman wider Willen – und täuschte Stürze durchs geöffnete Kutschen-Türchen vor. „Oh my God“, grinste er schelmisch.
Zu einprägsamen Begegnungen mit Unicef-Botschaftern und -Paten des Kinderhilfswerkes kam es im Laufe der 25-jährigen Partnerschaft vielfach. Und immer wieder bestätigte sich, dass auch die größten Stars „in Unicef eine Familie sehen, Demut und Solidarität entwickeln und sich freuen, im Umgang so normal wie jeder andere Mensch sein zu können“, sagt Pools Nachfolgerin Claudia Berger, die heute Paten wie Katja Riemann, Udo Lindenberg, Mats Hummels, Wolfgang Stumph oder Hardy Krüger jr. zum Einsatz begleitet.
Das zeigte sich auch beim 2015 verstorbenen Pierre Brice. Der legendäre „Winnetou“ reiste zweimal von Paris nach Aachen. 1999 eröffnete er im Theater Aachen die Fotoausstellung „Schenkt uns Zukunft“ von der Projektreise in den Kosovo. 2003 nahm er beim CHIO den Scheck für die Landminen-Kampagne in Kambodscha entgegen.
Bereits beim ersten Besuch ging es vergnüglich zu. Zum Gespräch auf dem Weihnachtsmarkt scharten sich bei bitterer Kälte rund 1000 Fans rund um die Aktionsbühne, so dass Pierre Brice – dem Alkohol eher abgewandt – zunächst einmal mit Ehefrau Hella in den Lagerraum des Öcher Glühwein-Treffs geschoben werden musste, um einen Kinderchor zu Ende singen zu lassen. Bei seinem Auftritt 20 Minuten später waren die Augen rötlich, sein Gang etwas schwankend, die Stimme schleppend – aber er war bestens gelaunt! Kurzum: „Winnetou“ hatte im Weindepot dem Öcher Feuerwasser zugesprochen!
Das tat seiner Überzeugungskraft keinen Abbruch. Der Unicef-Botschafter rief über den Katschhof: „Ich wünsche mir für alle Kinder auf der Welt Frieden und Freiheit, mehr Liebe und weniger Egoismus.“ An die Rückfahrt zum Kölner Flughafen kann sich Unicef-Mitarbeiterin Andrea Floß gut erinnern: „An der Raststätte Aachen-Land war ,Winnetou’ bereits selig entschlummert.“
2012 kam „Dracula“-Darsteller und Botschafter Christopher Lee 90-jährig von seiner Heimatstadt London nach Aachen, um einen Scheck unserer Leser über 670.000 Euro für die mangelernährten Kinder von Somalia und Kenia entgegenzunehmen. Oberbürgermeister Marcel Philipp empfing ihn im Rathaus.
Mehrfach freute sich unsere Redaktion über Treffen mit Unicef-Botschafter Hans-Joachim Fuchsberger. Bei einem Besuch brach es aus „Blacky“ förmlich heraus: „Es ist echt verwerflich, dass die Hilfe für Kinder privaten Organisationen überlassen bleibt. Das hält die Regierungen nicht davon ab, große Verhandlungen zu führen, wer wem wann welche Waffen überlässt. Es müsste die vornehmste Aufgabe aller Politiker sein, das globale Elend der Kinder radikal zu beenden. Aber dazu sind sie wohl zu blöde.“
Die US-Schauspielerin Mia Farrow, die mit Roman Polanskis Horrorschocker „Rosemaries Baby“ zum Weltstar wurde und mit Woody Allen Sohn Ronan bekam, entdeckte als Botschafterin ebenfalls ihr Herz für Unicef und reiste 2006 in den Bürgerkrieg im sudanesischen Darfur. „Das war die Hölle auf Erden. Ich habe eine Katastrophe gesehen. Das Leiden der Flüchtlinge ist unermesslich“, berichtete sie unserer Zeitung erschüttert. Ronan, damals 18 Jahre alt, saß beim Interview dabei: „Ich war in diesen schweren Tagen stolz auf meine Mutter. Sie ist so etwas wie mein moralisches Zentrum.“ Die zierliche Frau entgegnete: „Hör mal mein Sohn, kannst Du mir das bei Gelegenheit schriftlich geben?“
Es sind Momente wie diese, die von Empathie und Nähe getragen sind, in denen sich Persönlichkeiten wie Mia Farrow auf die Schattenseite des Lebens schlagen. Auch mit persönlichen Folgen. Mia Farrow adoptierte elf Kinder.