Unicef-Spendenaktion : Noch ein bisschen Zeit, um Kind zu sein
Special Maluwa, Malawi Zu frühe Ehen, Gewalt und Kinderarbeit: Im ostafrikanischen Land Malawi gibt es viele Probleme, die die Sicherheit von Mädchen und Jungen bedrohen. Im Rahmen ihrer Projektreise hat Ines Kubat ein Unicef-Projekt kennengelernt, das auf besondere Art gefährdete Kinder ausfindig macht und ihnen aus prekären Situationen hilft.
Hanifa lässt sich auf einem wackligen Plastikstuhl am Rand des Dorfplatzes nieder. Die 15-Jährige kommt gerade aus der Schul, was für sie keine Selbstverständlichkeit ist. Immer wieder schaut das Mädchen ängstlich zu ihren Mitschülern. Sie will nicht, dass jemand hört, was sie erzählt.
Hanifa ist einigen Jahren Halbwaise. Ihre Mutter hat zwar neu geheiratet, aber die Situation für das Mädchen war nach wie vor schwierig: „Wir konnten uns keine Schulmaterialien leisten. Und ich war immer hungrig.“ Also entschied sie sich vor zwei Jahren, die Schule hinzugeschmeißen und ihren Freund Lax zu heiraten. Sie war 13 und er gerade einmal 15.
Kinderehen noch ein Problem
Malla Mabona übersetzt die zaghaften Worte des Mädchens. Sie arbeitet in der Kinderschutz-Abteilung bei Unicef und ist damit auch für das Thema „Kinderehen“ zuständig. Letztere sind zwar seit 2015 in Malawi offiziell verboten. Dennoch liegt das Land weltweit noch immer auf Rang 12 im Bezug auf die Zahl an Kinderehen. Manche Mädchen entscheiden sich selbst für eine Ehe – viele aber werden von ihren Eltern gedrängt, denn „so gibt es eine Person weniger zu ernähren“, erklärt Malla.
Hanifa merkte schnell, dass sich in der Ehe für sie nichts zum Besseren änderte: Auch ihr jugendlicher Mann konnte nicht für sie sorgen. „Ich bin dann schwanger geworden, mein Kind ist aber bei der Geburt gestorben“, berichtet sie leise. Für Hanifa war es ein Weckruf und sie kehrte zu ihrer Familie zurück.
Aus der Ehefrau wurde wieder ein Kind. Und als solches besucht sie mittlerweile mehrmals pro Woche die „Children’s Corner“, ein Unicef-Freizeitangebot für Kinder.
Ein bis zwei Mal pro Woche kommen die Mitarbeiter der „Children’s Corner“ in das Dorf und öffnen für knapp 700 Kinder eine große Truhe: Darin sind Bälle, Springseile, Leibchen für Teamspiele und einiges mehr. „Solche Spiele sind für die Kinder sehr wichtig“, erklärt Kinderschutzbeauftragte Malla Mabona. „Wir bieten ihnen einen sicheren Ort. Fernab von Sorgen um Essen, Gewalt und Zukunft, die sie in ihren Familien plagen. Und wir haben so eine Möglichkeit, Probleme früh zu erkennen“, sagt Malla.
Seit 2015 gibt es das Nachmittagsprogramm. Es wurde damals als Antwort auf die HIV-Epidemie entwickelt, um in den Dörfern positive Fälle zu entdecken. Heute halten die Sozialarbeiter bewusst Ausschau nach Mädchen und Jungen, die von Gewalt, Missbrauch, Ausbeutung oder Vernachlässigung betroffen sind. Und zwar spielerisch, ohne dass die Kinder merken, dass sie unter Beobachtung stehen.
Die Kleinsten singen an diesem Nachmittag traditionelle malawische Lieder. Ein paar Meter weiter juchzen die etwas älteren Kinder, weil sich zwei Teams ein Rennen im Sackhüpfen liefern. „Bei diesen Spielen geht es einserseits um Spaß. Vor allem aber sollen die Kinder verstehen, wie wichtig Teamwork ist“, erklärt Malla Mabona.
Auf der anderen Seite des Platzes tummeln sich ältere Kinder um eine junge Frau im Rollstuhl: Sie erzählt von ihrem beschwerlichen Weg zu einem erfüllten Leben mit Handicap. Dieses Gruppengespräch ist Teil der „Lifeskill-Lektionen“. Dabei geht es darum, den Kindern anhand von Beispielen gewisse Lebensweisheiten zu vermitteln.
„Wo komme ich her? Was hilft mir, meine Ziele zu erreichen, was ist hinderlich?“ All diese Fragen stellen sich die Mädchen und Jungen bei der Station „Tree of Life“. Eine Sozialarbeiterin nutzt die Metapher des Baums mit Wurzeln, Ästen und Blättern, um den Kindern ihren eigenen Platz in der Welt zu veranschaulichen. Nebenbei werden sie so mit den soziokulturellen Normen vertraut gemacht, in denen sie leben.
Ein paar Schritte weiter tanzt der 14-jährige Patrick in einer größeren Gruppe den „Mawesi“, einen typischen Tanz Malawis: Die Kostüme sind traditionell: er hat Federschmuck im Haar, rituelle Gegenstände an Hand- und Fußknöcheln. Für ihn spielt die „Children’s Corner“ eine wichtige Rolle. „Das Tanzen hilft mir, meine Probleme zu vergessen. Ich hatte Ärger mit meinen Eltern. Darüber kann ich in der Gruppe diskutieren“, erzählt Patrick. Seine Eltern zwangen ihn nämlich, auf dem Feld mitzuarbeiten. „Ich wollte aber unbedingt weiter zur Schule gehen, damit etwas aus mir wird“. Ein Sozialarbeiter der „Children’s Corner“ schaltete sich ein und konnte die Eltern überzeugen. Mittlerweile besucht Patrick die 6. Klasse.
„Eine echte Bereicherung“
Auch Hanifa hat in der „Children’s Corner“ eine Zuflucht gefunden, nachdem sie aus ihrer Kinderehe geflohen ist: Eine lokale NGO stellt ihr Schuluniform, -materialien und Hygienebinden zur Verfügung. Und auch zuhause habe sich einiges geändert. Ihr Stiefvater geht für die Familie fischen, die Mutter übernimmt kleinere Gelegenheitsjobs. Hanifa arbeitet höchstens am Wochenende mit. Die Werktage nutzt sie fürs Lernen, damit sie eines Tages Krankenschwester werden kann. Ob sie jemals wieder heiraten will? „Ja vielleicht. Aber erst, wenn ich die Schule abgeschlossen habe.“
Mit einer Spende für unsere Aktion „Malawi: Gebt den Kindern eine Zukunft“ unterstützen Sie den Kinderschutz in dem ostafrikanischen Land und ermöglichen nicht nur die Ausbildung von Sozialarbeitern sondern auch Programme wie die „Children’s Corner“.