Aachen: Singende Politiker und Flops in der Bütt

Aachen : Singende Politiker und Flops in der Bütt

In einem Jahr, in dem NRW einen neuen Landtag und Deutschland einen neuen Kanzler — oder eine altbekannte Kanzlerin — wählt, eignet sich eigentlich kein Termin besser für ein erstes großes Schaulaufen der Politprominenz wie die Festveranstaltung „Orden wider den tierischen Ernst“ des Aachener Karnevalvereins (AKV).

Das gilt umso mehr, wenn mit Gregor Gysi erstmals einem Linken-Politiker die große Ehre des Ordensritters zuteil wird.

Highlights und Flops: Während Gregor Gysi mit seiner Rede begeistert (o.), will der Funke bei Elmar Brok (l. u.) nicht überspringen. Wencke Myhre singt „Er hat ein knallrotes Gummiboot“. Begeistert zeigt sich der Aachener Bischof Helmut Dieser.
Highlights und Flops: Während Gregor Gysi mit seiner Rede begeistert (o.), will der Funke bei Elmar Brok (l. u.) nicht überspringen. Wencke Myhre singt „Er hat ein knallrotes Gummiboot“. Begeistert zeigt sich der Aachener Bischof Helmut Dieser. Foto: Jaspers

Ob es die Furcht davor war, von diesem kleinen Mann mit dem großen Charisma in den Schatten gestellt zu werden, dass sich die Zahl der Politiker dann doch in Grenzen hielt, die bei der Festveranstaltung am Samstagabend im Aachener Eurogress gesichtet wurde? Oder waren es tatsächlich Terminkollisionen, weil nur einen Tag später ein neuer Bundespräsident in Berlin gewählt wurde?

Zweifellos, Gysi stellt viele auf der Bühne und in der Bütt in den Schatten — was leider auch einer katastrophalen Akustik geschuldet ist, die so manchem Besucher den Spaß verdirbt. Besonders ärgerlich ist das, als Gertrud Höhler ihre Laudatio auf Gysi hält. Die Ordensritterin des Jahres 1988 müht sich, doch kaum jemand versteht auch nur ein Wort.

Elmar Brok und Bettina Böttinger

Ein geborener Karnevalist ist der Europaabgeordnete der CDU aus Verl wahrlich nicht. Als Widukind, der tapfere Anführer der Sachsen, versucht er sich an einem Blick auf Europas Zukunft. Tapfer muss aber vor allem das Publikum sein, während sich Brok durch die Themen Trump, Europa, Rechtspopulisten und Brexit kämpft. Selbst als er ein „Stop Tihange“-Plakat ausrollt, will der Funke unter den 1300 Gästen nicht überspringen.

Und Bettina Böttinger? Moderator Jens Riewa kündigt sie als die „Grande Dame der gepflegten Abendunterhaltung“ an. Doch wie gut, dass Böttinger als Moderatorin ihr Geld verdient und nicht als karnevalistische Königin Elizabeth. Mit jeder vermeintlichen Pointe über den Brexit oder Gysi wird die Unruhe größer.

Christian Lindner

Wer von dem Ordensritter des Jahres 2014 eine rhetorisch ausgefeilte Rede erwartet hat, sieht sich enttäuscht — oder positiv überrascht. Denn auf Anraten seiner Frau, so verrät er später am Abend in weinseliger Stimmung, hat er sich für eine Gesangsvariante entschieden, die von den Aachenern dankbar aufgenommen wird. Die Stimme etwas dünn, aber überzeugend trägt er den Milva-Hit „Hurra wir leben noch“ vor. Die FDP, die es vielfach nicht mal mehr auf eine Hinterbänkler-Position geschafft hat, ist wieder zurück. Die geforderte Zugabe will sich Lindner aber für die Zeit nach der Bundestagswahl aufheben. „Jetzt haben Sie einen Grund, FDP zu wählen“, ruft er.

Sabine Verheyen und „4 Amigos“

Wie gut tut der Veranstaltung der Lokalkolorit! Sabine Verheyen, Aachener EU-Abgeordnete der CDU, ist die Überraschung des Abends. Sie begeistert mit dem Trude-Herr-Song „Ich will keine Schokolade“ und dem Öcher Klassiker „Lennet Kann“.

Auch die Aachener Gruppe „4 Amigos“ bringt den Saal zum Kochen. Schuhe aus und rauf auf die Stühle, lautet das Motto.

Die Comedians

In Zeiten, in denen die Sorge um Europa groß ist und die Rechtspopulisten erstarken, haben es Comedians schwer, Witz und Mahnung gekonnt miteinander zu verbinden. Abdelkarim kann einem angesichts des Geräuschpegels schon leid tun, als er über die Silvestervorfälle 2015 und 2016 in Köln resoniert. Ingo Appelt rettet sich in Witze über SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz — ein dankbares Opfer: „Mir schwirrt der Kopf, mir rast der Puls. Was kommt als Nächstes? Martin Schulz.“

Während Bernd Stelter feststellt, dass sich auf Würselen so gar nichts reimen will, appelliert ein — wie stets — gut aufgelegter Markus Maria Profitlich als „Karl der Große“ ans Volk, von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Dies sei die einzige Alternative fürs Land. „Wer stets der Herde folgt, läuft nur Ärschen hinterher.“ Er wird genauso enthusiastisch gefeiert wie die Lokalgröße Hastenraths Will. Mehr solcher Karnevalisten hätten dem Abend gut getan. Ausschnitte aus der AKV-Sitzung zeigt die ARD am Montag um 20.15 Uhr.