Honolulu : Kreuzfahrt durch Filmkulissen: Hawaii auf der „Pride of America”
Honolulu Mit „Aloha” grüßt Kreuzfahrtdirektor Jasper jeden Morgen die Passagiere an Bord der „Pride of America” über die Mikrofone. „Aloha” sagen die hawaiianischen Botschafter China und Kaulana, wenn sie mit ihren Vorträgen über die Inseln Maui, Hawaii, Kauai und Oahu beginnen. „Aloha” sagt auch Kapitän Ron Chrastina, wenn er einem der knapp 2500 Gäste begegnet. „Aloha” - das ist die Standardformel auf dem Schiff von Norwegian Cruise Line (NCL), das die vier größten Inseln Hawaiis das ganze Jahr über anfährt.
Die „Pride of America” ist das einzige Schiff dieser Größenordnung, das direkt in Honolulu losfährt. „Wir fahren als einzige unter amerikanischer Flagge”, sagt der Kapitän, der aus South Carolina stammt. Die Konkurrenz schickt ihre Schiffe im Sommer überwiegend gen Norden, nach Alaska. Wenn das Wetter dort zu winterlich wird und das Eis zu dicht, kehren sie zurück zum einzigen Bundesstaat der USA, der ausschließlich aus Inseln besteht. Nicht so die „Pride”. „Wir fahren 52 Mal im Jahr dieselbe Tour”, sagt Chrastina. Knapp 2500 Passagiere, 946 Frauen und Männer Besatzung: Das Schiff ist eher mittelgroß.
Die Fahrt rund um die Hawaii-Inseln ist das, was bei NCL „Destination Cruise” heißt: 156 Stunden, von Samstag bis Samstag, ist das Schiff unterwegs. Fast 100 Stunden davon liegt es an einer der vier Inseln vor Anker. Die Passagiere scheinen also sehr viel von ihrem Reiseziel zu sehen. Oahu, Maui, Big Island und Kauai - der Kreuzfahrer bekommt von diesen Inseln einen Eindruck. Nicht mehr und nicht weniger. Denn die Zeit ist zu knapp, um jedes Eiland genau zu erkunden. Doch wer will, findet viel über die Eigenheiten der Inseln heraus.
Die meisten Passagiere freuen sich die ganze Woche auf die letzte Station: Kauai, die Garteninsel. Sie ist die westlichste der Hawaii-Inseln - und die grünste. Der Großteil der Insel ist von Regenwald bedeckt, die Na-Pali-Küste ein dramatisches Fotomotiv. Das ist der „Pride” sogar einen eigenen Ausflug wert. Auf dem Weg zurück nach Honolulu, am letzten Nachmittag auf dem Schiff, fährt der Kapitän nah heran an die Küste mit ihren schroffen Hängen und goldenen Sandstränden. Viele Gäste versammeln sich auf den oberen Decks und lauschen den Geschichten, die Botschafter Kaulana zu erzählen hat.
Die Schönheit der Insel hat schon viele Hollywood-Regisseure nach Kauai gebracht: „Indiana Jones”, „Six Days, Seven Nights” und viele Schmonzetten aus den Fünfziger und Sechziger Jahren wurden auf der Garden Island gedreht. Ein Ausflug für die Gäste heißt darum „Directors Cut”. Der Ukulele spielende Busfahrer Sam trägt ein blau-pinkes Polyesterhemd und einen Strohhut.
Er kennt nicht nur jeden Flughafenschalter, an dem jemals eine Filmszene gedreht wurde und jede Kurve, die jemals ein Auto für einen Dreh umrundet hat - er hat die Beweise auch als Videos in seinem speziell ausgestatteten kleinen Bus. Und es gibt keine Filmszene, zu der er nicht eine Geschichte zu erzählen vermag.
Beispiel „The Descendants”, einer der neueren Filme mit George Clooney: Clooney kommt an, Clooney fährt Auto, Clooney schaut über ein Tal, Clooney geht zum Abendessen. Alles in Filmclips im Bus zu sehen, perfekt abgestimmt auf die Fahrt vorbei an den entsprechenden Locations. Der Film hat es Sam besonders angetan: „„The Descendants” wurde tatsächlich komplett auf Hawaii gedreht, keine einzige Szene kommt aus einem Hollywood-Studio”, sagt er. Das ist nicht immer so. „Oft kommen die Filmcrews nur ein paar Tage oder Wochen, drehen die Außenaufnahmen und verschwinden dann wieder nach Hollywood.”
Noch ein weiterer Film taucht immer wieder auf: „Blue Hawaii”. Elvis Presley, 1961. Elvis singend, Elvis tanzend, Elvis schwimmend. Und Elvis in hautengen weißen Badehosen, sicher ein Skandälchen im prüden Amerika seiner Zeit. „Wie er da wohl reingekommen ist?”, fragt Sam. Die Passagiere im Bus schauen sich fragen an. „Na, bestimmt mit großer Vorsicht”, ruft Sam. Die Frauen und Männer, alle mindestens in den Fünfzigern, kugeln sich vor Lachen. Vom „Coco Palms Resort”, in dem der Film einst gedreht wurde, ist allerdings nur noch eine Ruine übrig. Hurrikan Iniki hat 1992 auf dem Gelände direkt an der Küste von Wailua gewütet und nur noch ein paar Holzbalken zurückgelassen, die sich die Natur langsam zurückholt.
Für eine andere Filmcrew kam der Wirbelsturm wie gerufen: Zumindest die Anfänge des Rekordhurrikans schafften es in den ersten Teil des Dinosaurier-Klassikers „Jurassic Park”, der zu großen Teilen auf Kauai gedreht wurde. Und das ganz ohne Hollywood-Zauberei.
Die Naturgewalten sind Thema auf jeder der Vulkaninseln - im Guten wie im Schlechten. Hurrikans mit irren Windgeschwindigkeiten und Überflutungen sowie Vulkanausbrüche: Sie alle bringen Zerstörung, gehören aber irgendwie dazu. Doch auch die Schönheit der Inseln selbst ist eine Naturgewalt. Oft kommt es so ganz anders, als man sich das als Tourist vorgestellt hat.
Maui, ein beliebiger Abend im Sommer, auf dem Gipfel des Haleakala. Das ist ein Vulkan, 9740 Fuß, gut 3000 Meter hoch - und einer der ältesten Nationalparks der USA. Wandern kann man hier durch die Mondlandschaft, tagelang. Doch man kann sich auch auf den Vulkan fahren lassen, von Henry zum Beispiel. Vom Hafen aus geht es über die Highways 37, 377 und 378. Die Straße wird immer enger und kurviger. Das gefällt nicht allen im Bus. Henry hat vorsichtshalber weiße Papiertüten verteilt. Und fährt vorsichtig: von der Sonne in dicken Nebel, in die Wolken hinein.
Die Gesichter im Bus sind eher betrübt. So hatten sich die Kreuzfahrer ihre Tour zum Sonnenuntergang am Krater nicht vorgestellt. Henry mahnt zur Geduld. Und tatsächlich reißen die Wolken auf. Wichtig ist allerdings, dass noch Wolken da sind - denn Henry will seinen Gästen ein Phänomen zeigen, dass es außer auf dem Haleakala nur noch an einem Ort gibt: im Harz. „Hier oben kann man seine eigene Silhouette in einem Regenbogen sehen.” Und tatsächlich: Mit der untergehenden Sonne im Rücken entsteht auf der Nebelwand vor einem die Kontur eines Menschen umrahmt von einer Art Heiligenschein in den Farben des Regenbogens.
Noch ein anderes Ausflugsziel vulkanischen Ursprungs zieht viele Gäste der „Pride of America” an: der Molokini-Krater. Er liegt mitten im glasklaren Wasser vor der südwestlichen Küste der Insel. Mit Flossen und Taucherbrille geht es ins Wasser. „Schnorcheln in 3-D”, sagt Guide Curtis. „Weil man richtig weit gucken kann.” Wer Richtung Felsen schwimmt, sieht Korallen, Seeigel und alle möglichen Arten von tropischen Fischen.
Die Unterwasser-Kameras klicken, manchmal stoßen zwei Schwimmer zusammen. Erst als alle wieder an Bord sind, verrät einer, dass auch Haie um den Krater kreisen. „Aber sie sind im tieferen Wasser. Und sie sind nicht gefährlich”, beteuert Curtis. Nicht alle Passagiere sehen so aus, als glaubten sie ihm.
Auf der „Pride of America” geht es sehr amerikanisch zu. Wer an der Rezeption des Schiffs ansteht, hat das Gefühl, im Capitol in Washington zu sein. Der Adler, das Wappentier der USA, ziert den Marmorboden. Die Restaurants heißen unter anderem „Jeffersons Bistro”, „Aloha Café” oder „Key West Bar & Grill”, sogar einen „Gold Rush Saloon” gibt es. Und das „Cadillac Diner”, ein klassisches Fünfziger-Jahre-Restaurant in Pastelltönen nachempfunden.
Die überwiegend amerikanische Crew strengt sich nach Kräften an, keine Ballermann-Tour anzubieten, bei der sich die Menschen den ganzen Tag lang leicht bekleidet in der Sonne aalen und der Alkohol in Strömen fließt. „Das dürfen wir ohnehin nicht, denn Hawaii hat sehr strenge Gesetze”, sagt Kreuzfahrtdirektor Jasper. Stattdessen: Kulturprogramm.
Die zwei hawaiianischen Botschafter berichten vor jedem Landgang über die Eigenheiten der jeweiligen Insel. Und wer einfach nur den Strand, das Meer und die Sonne genießen will, bekommt ein paar gute Tipps dafür. Auch an Bord wird jederzeit Hawaiianisches geboten: traditionelle Leis flechten, Hula tanzen, es gibt das hawaiianische Wort des Tages. Und das alles mit einem fröhlichen „Aloha”, das zu jeder Tages- und Nachtzeit im Gebrauch ist.