Winterberg/Schmallenberg : Karnevalsflüchtlinge im Sauerland: „Wir machen Platz”
Winterberg/Schmallenberg Skibrille statt Pappnase und Schutzhelm statt Narrenkappe - in den Wintersport-Gebieten des Sauerlandes herrscht zur Fastnacht Hochsaison. Die Region um Winterberg ist so gut wie ausgebucht.
„Das liegt natürlich an den Karnevals-Flüchtlingen”, sagt Tourismus-Direktor Michael Beckmann. Diesmal müssen sich die Karnevalsmuffel die Hotels und die Pisten mit den Niederländern teilen, denn im Nachbarland beginnen am Wochenende die Frühjahrsferien. „Ein Bett direkt an der Piste ist schon seit Tagen ein Glückstreffer”, sagte Beckmann.
Das sei schon so etwas wie Winterurlaub in den Niederlanden, sagen Volker und Evelyn Haubold aus Düsseldorf und schauen auf die vielen gelben Autokennzeichen an den Pisten und vor Hotels. Auch in den Schlangen vor den Liften hört man vor allem niederländische Wortfetzen.
Die Haubolds ergreifen jedes Jahr die Flucht, wenn die Narren an Rhein und Ruhr das Sagen haben. „Wir sind dieses Jahr extra ein paar Tage früher angereist, damit wir noch etwas Ruhe haben, bevor der Ansturm der Niederländer kommt.” Obwohl die beiden seit mehr als 20 Jahren in der Landeshauptstadt leben, hätten sie nie einen Draht zum Karneval bekommen. „Diese Art der rheinischen Fröhlichkeit haben wir nie verstanden”, sagen sie.
Die Branche hat sich auf die Gäste aus Düsseldorf und Köln eingestellt. Die Karnevals-Deko in Hütten und Hotels ist dezent und die Musik wird auch nicht umgestellt. Obwohl: „Die Après-Ski-Musik ist ja den Karnevalshits sehr ähnlich”, sagt Susanne Schulten von der Wintersport-Arena. Nach Auskunft von Anna Galon vom Sauerland-Tourismus werben einige Gastgeber gezielt mit den karnevalsfreien Zonen.
Verkleidete Jecken fallen in Winterberg nicht ins Auge. Vor Jahren hatten dort die Betreiber des Skigebietes Postwiese kostenlosen Liftbetrieb für Skifahrer im Narrenkostüm angeboten. „Das hat kaum einer genutzt”, sagt Schulten. Viele hätten gesagt, sie würden lieber zahlen, als sich zum Narren zu machen.
Auch das Rentner-Ehepaar Kurt und Hedwig Steinbock aus Köln ist mit dem Wohnmobil vor dem närrischen Trubel aus der Heimat in die Berge geflohen. „Wir haben im Leben genug Karneval gehabt”, sagen sie. Und außerdem: „Früher war das alles schöner. Heute ist viel Randale und auch viel Nepp.”
Die pünktlich zu Weiberfastnacht steigenden Preise in den Kölner Kneipen ärgern auch Klaus Priemer und seine Ehefrau Henny. „Ich bin ein Kölsches Mädel, aber mit Karneval habe ich nie etwas am Hut gehabt.” Seit Jahrzehnten verbringt das Paar die Zeit zwischen Fastnacht und Aschermittwoch zum Wandern in den Bergen. „Wir machen Platz für die vielen Fremden, die bei uns feiern.”
Tourismus-Direktor Beckmann kann das nur recht sein: „Wenn es Brei regnet, muss man den Löffel hinhalten.” Aber die Branche habe das nach dem fehlenden Schnee zum Weihnachtsgeschäft auch nötig gehabt. „Und irgendwie ist das ja auch so etwas wie ein Blut-Austausch. Weil ja auch viele Sauerländer zum Feiern nach Köln oder Düsseldorf fahren.”