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Argentan: Ein Tag im „Versailles der Pferde”

Argentan : Ein Tag im „Versailles der Pferde”

„Workaholic” hat es gut: Er muss seinem Namen nicht mehr Ehre machen, sondern darf sein verdientes Gnadenbrot kauen. Der 27 Jahre alte Hengst hat dem französischen Nationalgestüt Haras du Pin in der Normandie eine Menge Geld eingebracht: 5000 Euro mussten Stutenbesitzer jedes Mal bezahlen, um eine Samenspende des American Trotter zu erhalten.

Doch seit 2005 ist „Workaholic” als Deckhengst im Ruhestand, und er steckt seinen Kopf neugierig zur Stalltür heraus, wenn sich eine Touristengruppe nähert. Gestütsführer Hervé Motas erzählt davon, dass Frankreichs Regierung für den Kauf des Pferdes einst umgerechnet eine Million Euro ausgegeben hat. Da staunen die Besucher - wie so oft an diesem außergewöhnlichen Ort.

Der Haras du Pin ist das älteste der gut 20 Nationalgestüte, die sich Frankreich leistet. Die Ställe stammen von 1715, das einem Schloss ähnliche Direktionsgebäude wurde 1730 vollendet. „Ludwig XIV. hat entschieden, dass hier das Gestüt eingerichtet wird”, erzählt Motas. Erlebt hat der „Sonnenkönig” die Vollendung aber nicht mehr. Wegen der Symmetrie und des Prunks der Bauten wird das Gestüt oft auch als „Versailles der Pferde” bezeichnet, in Anlehnung an das für Ludwig XIV. im großen Stil umgebaute Residenzschloss nahe Paris.

Eine weite Landschaft voller grüner Weiden und Wälder umgibt das Gestüt. Es liegt mitten in der normannischen Provinz im Departement Orne, der nächstgelegene größere Ort ist Argentan. Doch trotz der abgeschiedenen Lage gibt es Tage im Sommer, an denen die Parkplätze knapp werden, weil der Besucherandrang so groß ist: Jeden Donnerstag führen die rotuniformierten Gestütsmitarbeiter bei den „Jeudis du Pin” die Hengste vor. Da gibt es Springreiter-Darbietungen, eine Dressur- und Kutschshow vor der Kulisse der historischen Gebäude.

Von den 60 Zuchthengsten des Haras du Pin bleiben während der Decksaison von Februar bis Juli etwa 20 im Gestüt, die anderen werden auf verschiedene Standorte in der Normandie verteilt. Wer bei der Führung möglichst viele Pferde sehen möchte, plant seinen Besuch deshalb besser später im Sommer. Zu sehen gibt es Araberhengste, die als Arbeitspferde bekannten Percheron-Kaltblüter und andere Rassen.

Viele Hengste haben eine Vergangenheit als Rennpferde. Im Sommer 2008 zum Beispiel war „Daramsar” im Haras du Pin beheimatet, ein vom Aga Khan gekauftes Pferd, das 2006 in sieben Rennen fünfmal gewann und insgesamt 157 600 Euro Preisgeld einstrich. „Der hat in dieser Saison 100 Stuten gedeckt”, sagt Hervé Motas voller Stolz.

Bei einem Rundgang bekommen Besucher unter anderem die Sattlerei zu sehen, auch zu den Kutschen geht es während der Tour. Sie stammen alle aus dem 19. Jahrhundert, auch eine ganz in Rot lackierte alte Postkutsche ist darunter. „Vor die wurden damals immer zehn Pferde gespannt”, erzählt Motas, während seine Zuhörer mit den Augen schon woanders sind. Denn gegenüber der Remise liegt im Schatten hoher Bäume das Grab von „Furioso”, das mit vielen bunten Blumen geschmückt ist. Der Deckhengst war von 1946 bis 1967 hier zu Hause und ist der Vater von rund 300 Fohlen, von denen viele zu Berühmtheiten wurden. „Lutteur B” trug seinen Reiter Pierre Jonquères dOriola im Oktober 1964 in Tokio sogar zur olympischen Goldmedaille im Springreiten.

„Wir sind eine Samenbank mit viel Geschichte und einer schönen Architektur”, sagt Hervé Motas am Ende seiner Führung und bringt den Zweck des Haras du Pin damit auf den Punkt. Wie lange die Zeiten noch weitergehen, in denen der französische Staat die Pferdezucht so aktiv unterstützt wie heute, ist allerdings unklar. Die Organisation der Nationalgestüte will im Sommer 2009 eine Neuausrichtung beginnen: Absehbar sei, dass „in den kommenden drei bis vier Jahren wohl einige Gestüte geschlossen werden”, sagt Andrea Sölter, die Vertreterin der Normandie-Tourismusorganisation in Deutschland. Nach ihren Angaben werden die in der Normandie gelegenen Nationalgestüte - neben dem Haras du Pin noch das in Saint Lô - aber nicht davon betroffen sein.

„Workaholic” darf also weiterhin neugierig den Kopf zur Stalltür herausstrecken, wenn mal wieder eine Touristengruppe das „Versailles der Pferde” besichtigt und der Gestütsführer von den Summen erzählt, die der American Trotter in seinen besten Jahren hier „verdient” hat.

Infos zum Nationalgestüt Haras du Pin

ÖFFNUNGSZEITEN: Führungen gibt es vom 1. April bis 30. September täglich zwischen 10 und 18 Uhr. Verkürzte Öffnungszeiten in der Herbst- und Wintersaison. Die Hengst- und Kutschenparade wird in den Monaten Juni bis September jeden Donnerstag um 15 Uhr abgehalten.

EINTRITTSPREISE: Gestütsführung und Hengstparade kosten jeweils fünf Euro Eintritt. Rabatte gibt es für Schüler und andere Kinder.

INFORMATIONEN: Association Haras du Pin Tourisme, F-61310 Le Pin-au-Haras (Tel. von Deutschland: 0033/2/33 36 68 68); Maison de la France, Zeppelinallee 37, 60325 Frankfurt (Tel.: 0900/157 00 25 für 49 Cent pro Minute).