Berlin : Vorsicht vor Wohngiften: Mit Gütesiegeln auf der sicheren Seite
Berlin Frische Farbe an den Wänden, ein neu verlegter Teppich oder moderne Möbel sollen eigentlich für Wohlbehagen sorgen. Dieses Gefühl kann jedoch sehr schnell getrübt werden.
Schuld daran sind die Ausdünstungen, die von versteckten Giften herrühren. Erfahrungen der Verbraucherzentralen besagen, dass die Mieter oft nicht einmal etwas von den Schadstoffen in ihrer Wohnung wissen.
So kann der Fußboden ebenso kontaminiert sein wie Holzverkleidungen oder Möbel. Die giftigen Substanzen sind selbst im Staub messbar. Sie einfach wegzuwischen reicht in der Regel nicht aus. Sensible Menschen reagieren mit Kopfschmerzen, Atemwegserkrankungen, Allergien, Schlaflosigkeit oder geröteten Augen.
Tatsache ist, dass eine Schad- und Giftstoffbelastung der Wohnung viele Ursachen haben kann. Wichtig ist daher, die Quelle herauszufinden, um eine juristische Zuordnung zu erhalten, betont Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. Befindet sich der Schadstoffherd im Gebäude selbst, greift das Mieterrecht. Durch die sogenannten Gewährleistungsrechte ist der Vermieter zur Sanierung, Reparatur und möglicherweise Schadensersatz verpflichtet. So muss er zum Beispiel die Sanierungskosten für den mitvermieteten Teppichboden, den asbesthaltigen Nachtspeicherofen oder die mitgelieferte Einbauküche tragen.
Der Weg dorthin ist allerdings in der Regel schwierig. Das Problem liegt in der rechtlichen Relevanz einer Schadstoffbelastung, da es an verbindlichen Grenzwerten für den Innenraum mangelt, sagt der Mietrechtsexperte. Nur bei wenigen Schadstoffquellen wie Bleirohren oder Asbest sind Höchstgrenzen klar definiert. Besonders problematisch wird die Angelegenheit, wenn mehrere Umweltgifte zusammenkommen. Bleirohre sind nach Schätzungen des Bundesumweltamts noch in 10 bis 30 Prozent der Altbauten installiert. Übers Trinkwasser können toxische Wirkungen auf das Nervensystem nicht ausgeschlossen werden.
Will der Mieter Ansprüche gegen den Vermieter geltend machen, liegt die Beweislast bei ihm. Da solche Auseinandersetzungen oft nur vor Gericht geklärt werden können, empfiehlt Ropertz den Betroffenen, im Vorfeld die Rechtsberatung der örtlichen Mietervereine in Anspruch zu nehmen. Möglicherweise können so Streitigkeiten auch außergerichtlich geklärt werden. Zudem minimiert sich mit einer Beratung die Gefahr, einen teuren, aber aussichtslosen Prozess zu führen.
Der bekannteste Schadstoff in Wohnungen ist Formaldehyd. In ungebundener Form ist es ein stechend riechendes, farbloses Gas. Die häufigste Quelle von Formaldehyd-Emissionen sind Spanplatten, die vorwiegend in Möbeln verarbeitet sind. Übrigens können Möbel über 40 Jahre lang Schadstoffe ausdünsten. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte beim Kauf auf Vollholz-Möbel achten. Prüfsiegel helfen hier, die richtige Wahl zu treffen, beispielsweise das „goldene M”, das LGA- oder das ÖkoControl-Siegel.
PVC-Bodenbeläge enthalten Weichmacher und andere gesundheitsschädliche Substanzen. Mit ihren Ausdünstungen gelangen sie in die Raumluft und können sich so auch im Hausstaub ablagern. Als eine gute Alternative erweist sich Linoleum. Auch Naturteppiche sind nicht frei von Chemie. Wollteppiche werden in der Regel mit dem chemischen Mottenschutzmittel Permetrin behandelt. Das kann unter anderem Hautreizungen und Kopfschmerzen verursachen. Bei der richtigen Wahl helfen Siegel für emissionsarme Teppiche, wie zum Beispiel das „GuT-Zeichen”.
Zum Streichen der eigenen vier Wände sind Dispersionsfarben sinnvoll. Diese haben den Vorteil, dass sie gebrauchsfertig und leicht zu verarbeiten sind. Sie enthalten nur geringe Mengen Lösungsmittel. Daneben sind Naturfarben, beispielsweise aus Harzen, Silikat oder Kalk, zu empfehlen. Allerdings sollten sich Allergiker vorher erkundigen, welche Farben sie verwenden können. Empfohlen werden Produkte mit dem Gütesiegel „Blauer Engel”. Es steht für emissionsarme Farben. Daneben ist das „natureplus-Siegel” ein guter Anhaltspunkt. Die Zeitschrift Öko-Test führt regelmäßig Untersuchungen durch und gibt den Produkten entsprechende Test-Noten.
Gut beraten ist immer derjenige, der sich auf seine Nase verlässt. Beim Kauf von Möbeln oder Teppichen sollten Produkte vermieden werden, die schon im Laden stark riechen. In der Regel ändert sich das auch zu Hause nicht. Halten die Ausdünstungen länger als sechs bis acht Wochen an, sollten die betroffenen Produkte beim Händler reklamiert werden, denn die Geruchsbelästigung stellt einen Mangel dar.
Wer sich intensiver informieren will, dem bietet das Umweltbundesamt die kostenlose Broschüre „Gesünder wohnen - aber wie?” an. Sie ist im Internet unter umweltbundesamt.de abrufbar. Empfehlenswert sind auch die von den Verbraucherzentralen herausgegebenen Ratgeber. Diese können über das Internet, per Post oder über die örtlichen Verbraucherzentralen bezogen werden. Adressen sind im Internet unter vzbv.de erhältlich.