Berlin : Versicherungsamt will Jagd einzelner Kassen auf Kranke abstellen
Berlin Krankenkassen sollen die neue Milliarden- Umverteilung durch den Gesundheitsfonds nicht länger zu ihren Gunsten missbrauchen können.
„Es gibt eine problematische Entwicklung, die wir kurzfristig abstellen werden”, sagte der Präsident des Bundesversicherungsamts, Josef Hecken.
In Einzelfällen würden die Diagnosen, die Ärzte erstellen, als „Kampfmittel” zur Durchsetzung von Interessen der Kassen eingesetzt. Heckens Behörde verwaltet den Gesundheitsfonds, der zum Jahresanfang gestartet ist.
Einzelne Arztgruppen versuchten in einigen Regionen, mit bestimmten Kassen nicht akzeptable Vereinbarungen zu schließen, betonte Hecken. Hintergrund ist, dass Kassen für Versicherte mit 80 bestimmten Krankheiten höhere Zuweisungen aus dem Fonds bekommen.
Dafür müssen chronisch kranke Patienten eine oder mehrere der vorgegebenen Diagnosen erfüllen. Der Finanzausgleich durch den Fonds sollte dem Wettbewerb der Kassen um junge Gesunde ein Ende machen und große Kassen mit vielen dauerhaft Kranken besserstellen.
Die AOK in Niedersachsen hatte Ärzte daraufhin zur Prüfung aufgefordert, ob sie auch korrekte Diagnosen gestellt hatten. Im noch nicht unterzeichneten Hausärztevertrag der AOK Bayern ist nach Medienberichten sogar von einer Prämie für Ärzte die Rede. Der AOK- Bundesverband hatte kritisiert, Ärzte würden sich ohne zusätzliches Geld oft nicht um korrekte Diagnosen bemühen.
Hecken erläuterte: „In der Vergangenheit waren Diagnosen bekanntlich nicht immer genau.” Die Ärzte hätten in der Regel nämlich unabhängig von den Diagnosen Pauschalen bekommen. Deshalb sei absehbar gewesen, dass der neue Finanzausgleich zu statistisch mehr Krankheiten führen würde, sagte Hecken.
Doch nun sollten Ärzte für die ambulanten Patienten einzelner Kassen plötzlich 100-prozentig richtige Diagnosen stellen - während es für die Patienten anderer Kassen diese Genauigkeit nicht geben sollte. „Geschähe dies flächendeckend, wären die einen Kassen gegenüber den anderen benachteiligt”, so der Amtschef.
Dem Missstand solle mit zwei Instrumenten begegnet werden. „Sollte es im Hinblick auf den Fondsstart bei einzelnen Kassen ab dem letzten Quartal 2008 zu gravierenden Sprüngen in den Diagnosen gekommen sein, erwägen wir bei der Berechnung der Zuweisungen für diese Kassen die Diagnosen aus den ersten drei Quartalen 2008 fortzuschreiben”, sagte er. Zudem wolle er sich für eine Vorschrift stark machen, wonach Kassen mit einer stark überdurchschnittlicher Steigerung bei den Krankheiten auf den Schnitt vergleichbarer Kassen zurückgesetzt werden.
Ausgenommen würden Kassen, die ihre Abweichungen plausibel erklären können. Zum Vergleich sollten Kassen mit ähnlicher Versichertenstruktur herangezogen werden.
Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hatte gedroht, wer betrügerisch Patienten mit dem Ziel höherer Zuweisungen aus dem Fonds kränker mache, „der muss mit dem Staatsanwalt rechnen”. Hecken betonte, um Betrügereien oder falsche Diagnosen gehe es nicht. Ungerechtes Diagnosestellungen würden die allermeisten Ärzte gar nicht erst mitmachen.