Dresden : Panikattacke im Hamsterrad: Mit Burnout ist nicht zu spaßen
Dresden Chronischer Stress kann gefährlich werden. Im schlimmsten Fall halten Arbeitnehmer die alltägliche Dauerbelastung im Hamsterrad nicht mehr aus. Burnout-Syndrom ist der Name für dieses Phänomen, sich ständig abzumühen und den eigenen Ansprüchen dennoch nie gerecht zu werden.
Mit Burnout ist nicht zu spaßen: „In schweren Fällen sind die Betroffenen sogar suizidgefährdet”, sagt Frank Berndt. „Häufig geht an einer stationären Behandlung in einer Klinik dann kein Weg vorbei”, so der Führungskräftetrainer.
Burnout gibt es schon lange. Es hieß nur nicht immer so, war nicht so verbreitet und wurde früher nicht groß diskutiert. Anders geworden sei das erst, als über Burnout-Probleme von Prominenten wie Spitzensportlern oder Bundesligaspielern berichtet wurde, sagt Dirk Windemuth vom Institut Arbeit und Gesundheit der Deutschen Unfallversicherung (DGUV) in Dresden. „Das war damals ein Tabubruch.”
Offen mit dem Thema umzugehen, sei ausgesprochen wichtig, sagt Nicole Truckenbrodt. Das gilt auch am Arbeitsplatz: Wenn sich dort keiner traut, Schwächen zu zeigen, steige das Risiko, irgendwann zusammenzuklappen, so die Beraterin aus Feldkirchen-Westerham (Bayern).
Dabei ist es auch im Interesse der Arbeitgeber, dass es nicht soweit kommt. Denn bei einem akuten Burnout fällt nicht einfach nur ein Arbeitnehmer aus: „Es ist ein Problem der besonders Engagierten”, sagt die Psychotherapeutin Anne Katrin Matyssek aus Düsseldorf. „Es betrifft gerade die Dynamischen, Begeisterungsfähigen, Flexiblen, genau die, die eigentlich jeder Arbeitgeber haben will”, ergänzt Nicole Truckenbrodt, „diejenigen, die im Betrieb alles geben.”
Sie haben nur nicht alles im Griff. Ihnen fehlt, in ihrer Leistungsbereitschaft das rechte Maß zu finden - und die Fähigkeit zur Selbstbeobachtung: Sie bemerken ihre Probleme oft gar nicht.
Frank Berndt kennt das Thema aus zwei verschiedenen Perspektiven: „Vor zwölf Jahren war ich selbst betroffen”, erzählt er. „Da hats mich geradezu zerbröselt.” Inzwischen berät der Trainer aus Neuburg an der Donau Führungskräfte - auch zum Thema Burnout.
„Burnout kommt nie plötzlich”, sagt Berndt. „Das ist eine Entwicklung über Monate, manchmal Jahre hinweg.” Die Betroffenen verdrängen, welche Gefahren ihnen drohen. In gewisser Hinsicht ist das ein Teil des Problems: „Sie beißen die Zähne zusammen und machen weiter wie zuvor”, sagt Beraterin Truckenbrodt.
Für Burnout gibt es keinen eigenen Diagnoseschlüssel wie für andere Krankheiten. „Es wird auf dem Krankenschein nicht erfasst”, sagt DGUV-Experte Windemuth. Deshalb gibt es auch keine verlässlichen Zahlen darüber, wie viele Menschen in Deutschland darunter leiden. Das macht das Sprechen darüber schwierig: Wichtig sei aber, dass Burnout-Gefährdete zuzugeben lernen, verletzbar zu sein, statt zu glauben, immer der starke Held sein zu müssen, sagt Nicole Truckenbrodt.
Wer unter akutem Burnout leidet, ist nicht mehr fähig zu arbeiten. Und er braucht dann wirklich eine Auszeit: „Keine Mails, keine Telefonate, nichts, was an Arbeit erinnert”, sagt Psychotherapeutin Matyssek. Hinterher einfach in den Beruf zurückzukehren, ist meist keine Lösung. Tipps wie „Man muss Nein sagen lernen” hält Frank Berndt dann zwar für hilfreich - aber nicht für ausreichend. „Das bleibt an der Oberfläche”, sagt der Trainer.
Um das Problem auf einer tieferen Ebene anzugehen, muss geklärt werden, was die eigentliche Ursache der Überforderung ist. „Zu viel Arbeit ist es nicht”, sagt Berndt. Jedenfalls nicht allein: Denn ein Burnout-Syndrom entstehe nie nur wegen äußeren Drucks. „Burnout ist immer ein System, bei dem innere und äußere Entwicklungen zusammenwirken.”
Langfristig lasse sich nur etwas gegen die Überforderung tun, wenn man nach den inneren Ursachen fragt: „Warum sagt jemand immer wieder "Ja", obwohl er Feierabend machen müsste?” Die Angst, andere zu enttäuschen, stecke oft dahinter - oder der starke Wunsch, Karriere zu machen.
„Ausgeprägtes Perfektionsstreben erhöht die Burnout-Gefahr”, sagt Dirk Windemuth von der DGUV. „Wer immer alles ganz richtig machen will, der muss fast zwangsläufig häufiger das Gefühl haben, das nicht zu schaffen.” Und gerade auf unsichere Persönlichkeiten, bei denen die Burnout-Gefahr erhöht ist, könne das dann Druck ausüben.
Die beste Prävention gegen die Ausbildung eines Burnout-Syndroms ist Windemuth zufolge funktionierende soziale Unterstützung im Job. Wer dort Freunde und Kollegen hat, die einem unter die Arme greifen, wenn es stressig wird, kann manches wegstecken, was andere umwirft. Grundsätzlich seien solche Probleme lösbar - im Zweifelsfall mit Hilfe eines Psychotherapeuten, sagt Windemuth. „Voraussetzung ist allerdings, dass man möglichst früh beginnt.”
Hintergrund: Burnout entwickelt sich in mehreren Phasen
Ein Burnout-Syndrom ist nur die letzte Phase einer Entwicklung, die sich über Monate oder sogar Jahre hinziehen kann. „Es ist ein Tief, in das man sich lange hineingearbeitet hat”, sagt Nicole Truckenbrodt, Beraterin aus Feldkirchen-Westerham (Bayern). Der Weg zum Burnout kann unterschiedlich verlaufen. Es lassen sich der Expertin zufolge aber Phasen unterscheiden, die typisch sind:
PHASE 1: Der Erfolg befeuert den Leistungswillen
Ganz am Anfang steht der Erfolg: Die Karriere kommt voran, Partner und Vorgesetzte reagieren positiv. Die eigene Leistungsbereitschaft zahlt sich aus. Es stellt sich das Gefühl ein „Ich habe es geschafft!”. Für Regeneration oder Entschleunigung ist keine Zeit und scheinbar kein Bedarf.
PHASE 2: Der Stress macht sich erstmals bemerkbar
Die Energiereserven werden verbraucht, der „Akku” nicht wieder aufgeladen. Schleichend beginnt die Tiefen-Erschöpfung. Der Stress macht sich in Rückenschmerzen, Schlafproblemen oder Muskelverspannungen bemerkbar. Der Spaß an der Arbeit lässt nach, das eigene Perfektionsstreben nicht. Die Erwartungen an sich selbst werden dadurch immer weniger realistisch.
PHASE 3: Härte gegen sich selbst soll die alte Leistung wiederbringen
Versuche scheitern, dem Stress mit mehr Sport oder gesünderem Essen beizukommen. Der innere Druck steigt. Noch mehr Härte gegen sich selbst soll dann helfen, den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Ratschläge von Freunden und Kollegen, doch kürzerzutreten, werden als Kritik empfunden und abgelehnt. Die Devise lautet „Augen zu und durch!”.
PHASE 4: Das Tempo im Hamsterrad nimmt noch einmal zu
Ohne entsprechende Korrektur der Entwicklung nimmt das Tempo im Hamsterrad noch einmal zu. Der Betroffene arbeitet noch länger, übernimmt noch mehr Projekte, nimmt Arbeit mit nach Hause. Er mobilisiert die letzten Energiereserven, doch seine Konzentration lässt bereits nach. Er macht immer häufiger Fehler, die ihm früher nicht passiert wären. Seine Versagensängste nehmen zu, sein Selbstwertgefühl sinkt. Erschöpfungssymptome wie Herzrasen, Schlafprobleme oder Tinnitus können die Folge sein.
PHASE 5: Psyche und Körper machen nicht mehr mit
Der Endpunkt ist das Burnout-Syndrom. Die Leistungsfähigkeit bricht zusammen. Die Arbeitsfähigkeit kann für Monate eingeschränkt sein. Oft ist eine Behandlung im Krankenhaus unverzichtbar. Psychopharmaka können die Symptome meistens schnell behandeln. Aber die Muster, die zum Zusammenbruch geführt haben, sind damit noch nicht überwunden. Die Patienten fühlen sich häufig „wie gelähmt”. Depressionen und Suizidgefährdung sind nicht auszuschließen.