Köln : Laut „Nein” sagen: Selbstbehauptung für Menschen mit Behinderungen
Köln Neulich gab es wieder so eine Situation: Christiane will im Supermarkt Pfandflaschen in den Automaten werfen - und plötzlich drängelt sich ein Mann eiskalt vor. Noch vor wenigen Wochen hätte Christiane das einfach hingenommen. Doch dieses Mal ruft sie: „Halt, ich bin dran! Hinten anstellen!” Und es funktioniert - der Mann guckt zwar irritiert, stellt sich dann aber brav hinter sie. Gelernt hat Christiane das in einem Selbstbehauptungskurs für Menschen mit Behinderungen in Köln.
Elf erwachsene Teilnehmer - vorwiegend mit geistigen Handicaps - üben hier in Rollenspielen und Gesprächen, wie sie sich in kritischen Alltagssituationen durchsetzen können. „Menschen mit Behinderungen werden leider oft blöd angemacht”, sagt Barbara Breuer, Vorsitzende der „Stiftung Lebensspur”, die die Kurse anbietet. „Wir wollen ihnen bewusst machen, dass sie schon allein durch ihre Haltung und ihre Stimme selbstbewusster auftreten können.”
Ein wichtiger Punkt im Kurs ist das „Nein-Sagen”-Können. Beispiel: In der Straßenbahn bedrängt ein Fremder einen Fahrgast. Wie sollte dieser sich verhalten? Die Teilnehmer stellen die Situation nach. Margitta spielt den Fahrgast. Zaghaft ruft sie: „Nein, ich will das nicht!” Trainer Christoph Przibylla schüttelt den Kopf: „Lauter! Die anderen Leute müssen aufmerksam werden.” Er macht es vor: „Grapschen Sie mich nicht an! Das ist ja eklig!”, ruft er mit kräftiger Stimme. Margitta versucht es erneut. Beim dritten Mal ist Przibylla zufrieden, die anderen Teilnehmer applaudieren.
„Der Kurs ist kein Patentrezept, aber er zeigt Möglichkeiten, wie man sich in bestimmten Situationen besser verhalten könnte”, sagt Christine Przibylla, die das Seminar zusammen mit ihrem Mann leitet. Das Ehepaar hat mehrere Jahre lang im Auftrag der Bonner Polizei Kurse zur Gewaltprävention veranstaltet und bietet auch an Schulen Selbstbehauptungstrainings an.
In den Kursen für Menschen mit Behinderungen sei es besonders wichtig, einen Zugang zu den Teilnehmern zu finden und individuell auf sie einzugehen. Manche Sachen müssten mehrmals wiederholt und geübt werden, bis alle sie verstanden hätten. Deshalb gebe es auch zwei Trainer. „Eine Teilnehmerin war zum Beispiel in der ersten Stunde total überfordert und ist einfach rausgerannt”, erzählt Christine Przibylla. „Da bin ich hinterher und habe auf sie eingeredet, damit sie zurückkommt.” Das habe zwar eine ganze Weile gedauert, aber die Frau sei im Endeffekt zu jeder Kursstunde gekommen und habe sich im Laufe der Zeit immer mehr zugetraut.
So geht es auch anderen Teilnehmern. „Ich fand es super. Jetzt weiß ich, wie ich reagieren kann, wenn ich mal in komische Situationen komme”, meint zum Beispiel Nadine. „Ich glaub schon, dass ich dann auch mal lauter „nein” sagen werde.”