München : Kampf der Eltern-Gene könnte späteres Krankheitsrisiko prägen
München Die unterschiedliche Anfälligkeit von Männern und Frauen für bestimmte Krankheiten könnte ihren Ursprung bereits im Mutterleib haben.
Bei der Entwicklung des Fötus scheint es eine Art Krieg zwischen mütterlichen und väterlichen Genen zu geben, der unter anderem die Versorgung des Kindes mit Nährstoffen beeinflusst.
Der Kern des Konflikts sind dabei die unterschiedlichen Ziele von Mutter und Vater: Während die Mutter bei der Versorgung des heranwachsenden Kindes auch ihre eigene Gesundheit schützen muss, ist für den Vater lediglich die optimale Nährstoffversorgung des Fötus wichtig, koste es, was es wolle.
Welche Partei und damit welche Gene letztlich dominieren, hängt dabei offenbar unter anderem vom Geschlecht des Kindes ab, berichteten diverse Forscherteams jetzt auf der internationalen und interdisziplinären Konferenz „The Power of Programming” in München.
Die Wissenschaftler gingen auf der von der Ludwig-Maximilians-Universität organisierten Konferenz der Frage nach, wie die Ernährung während Schwangerschaft und früher Kindheit den Stoffwechsel prägt - ihn also sozusagen programmiert - und damit dauerhaft die Gesundheit beeinflusst.
Im Fokus der Forscher steht dabei unter anderem das sogenannte genomische Imprinting. Darunter versteht man das Prinzip, dass von den beiden elterlichen Kopien eines bestimmten Gens nur jeweils die mütterliche oder die väterliche im kindlichen Körper aktiv ist, eine Information, die direkt von den Eltern mitvererbt wird.
Derartige imprintete Gene scheinen unter anderem zu kontrollieren, wie viele und welche Hormone in der Plazenta - dem Mutterkuchen - während der Entwicklung des Fötus gebildet werden, berichtete etwa Miguel Constancia von der Universität in Cambridge.
Das beeinflusst den Nährstofftransport zum Ungeborenen, und von dem wiederum hängt es ab, wie die endgültige Feinabstimmung des Stoffwechsels aussieht. Gerät sie durcheinander, kann zum Beispiel eine Neigung zu Diabetes entstehen.
Dabei spielt das Geschlecht des Kindes offenbar eine wesentliche Rolle, zeigen Studien bei Mäusen: War die Mutter während der Schwangerschaft übergewichtig, neigten die Töchter später zu erhöhten Insulinwerten, die Söhne jedoch nicht. Dafür war bei ihnen der Leberstoffwechsel verändert, erläuterte Rachel Dakin von der Universität in Edinburgh auf der Konferenz.
Auch die Französin Claudine Junien hat diesen Effekt bereits beobachtet. Schon unter normalen Bedingungen gebe es einen Geschlechtsunterschied in der Genaktivität der Plazenta, berichtete sie. Kommt dann noch ein Stressfaktor wie etwa mütterliches Übergewicht hinzu, nutzen die beiden Geschlechter zum Teil völlig unterschiedliche genetische Strategien, um diesen Stress zu bewältigen. Und zumindest bis zum Kleinkindalter bleibt dieser Unterschied bestehen, ergänzte Ricardo Monasterolo von der Universität Rovira i Virgili im spanischen Tarragona.
So reagiert der Körper kleiner Mädchen beispielsweise anders auf sehr eiweißreiche Babynahrung als der kleiner Jungen. Ziel der Forscher müsse daher sein, Strategien zu entwickeln, um durch die richtige Ernährung bereits frühzeitig Krankheitsrisiken zu minimieren.