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Düsseldorf: Hilfe durch Handauflegen: Reiki ist heftig umstritten

Düsseldorf : Hilfe durch Handauflegen: Reiki ist heftig umstritten

Wer Zahnschmerzen hat, fasst sich an die Wange, und bei Magenproblemen hält er sich instinktiv die Hände auf den Bauch. Das Auflegen von Händen kann beruhigende Wirkungen haben. Auf dieser Idee beruht auch Reiki, eine esoterische Behandlungsform aus Japan, die mittlerweile auch in Westeuropa weit verbreitet ist.

Allein in Deutschland gibt es Experten zufolge zehntausende Reiki-Anwender. Was aber ist Reiki genau, und können Hände aus medizinischer Sicht wirklich helfen? „Reiki ist ein japanisches Wort für Lebensenergie”, erklärt der Reiki-Lehrer Wolfgang Niedermeyer aus Bielefeld. „Jeder Mensch hat diese Energie und kann sie an andere weitergeben.” Bei einer Reiki-Behandlung wird folglich Energie von dem Anwender an seinen Patienten übertragen. So können - laut der Theorie - ausgelaugte Menschen wieder Energie tanken und diese in richtige Bahnen lenken lassen.

Tatsächlich gilt Reiki bei vielen Kritikern jedoch als Pseudowissenschaft, die heftig umstritten ist. „Die Anwender sagen zwar, dass man bei der Behandlung das Fließen von Energie spüren kann, aber die Wirkung ist bis heute nicht wissenschaftlich bewiesen”, sagt der Vorsitzende des Deutschen Wellnessverbandes in Düsseldorf, Lutz Hertel. Möglicherweise schade Reiki der Gesundheit sogar, weil die Anwender teilweise behaupten, anstelle der Schulmedizin selbst bei akuten Herzinfarkten helfen zu können. „Das ist aber kriminell, in so einem Fall dürfen nicht einfach Hände auf den Bauch gelegt werden, da muss sofort ein Notarzt gerufen werden.”

Hier liege das eigentliche Problem von Reiki: „Es ist nicht das Handauflegen an sich, das ich kritisiere, sondern das, was die Anwender damit versprechen”, erklärt Hertel. „Sie erwecken den Eindruck, als könnten sie ihre Patienten von etwas heilen.” Laut dem Gesetz dürften Heilbehandlungen jedoch nur von Ärzten und Heilpraktikern vorgenommen werden. „Reiki-Behandler bewegen sich rechtlich auf sehr dünnem Eis, einige von ihnen wurden schon wegen eines Verstoßes gegen das Heilpraktikergesetz von Gerichten verurteilt.”

In den Streit hat sich vor einiger Zeit sogar die evangelische Kirche eingeschaltet. „Die Behauptung von Reiki-Meistern, es werde spirituelle Energie, was immer man darunter versteht, benutzt und verfügbar gemacht, ist mit dem christlichen Geistverständnis nicht vereinbar”, heißt es bei der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin. „Auch vor esoterischen Höhenflügen und unrealistischen Heilungsversprechungen ist zu warnen, insbesondere dann, wenn eine dringend notwendige ärztliche Behandlung dadurch unterbleibt.”

Gegen Kritik wie diese wehren sich die Reiki-Anhänger vehement. „Reiki steigert die Lebensqualität und die Zufriedenheit”, ist sich der Buchautor Oliver Klatt aus Berlin sicher. „Es löst Stress, macht lebendig und kann Heilungsprozesse fördern.” Außerdem seien Patienten bei regelmäßiger Anwendung seltener krank als vorher. „Das klingt zwar wie eine Wundertüte, ist aber so.”

Wie Reiki funktioniert, sagen allerdings auch die Lehrer nicht genau. „Bei der Ausbildung lernt man zwar bestimmte Handpositionen, aber im Endeffekt ist das alles sehr intuitiv”, erklärt Niedermeyer, der seit 1990 Reiki praktiziert. „Es gibt kein festes Schema.” Daher lasse sich nicht allgemein gültig sagen, was bei Kopfschmerz oder einem Ziehen im Knie hilft. „Das ist individuell unterschiedlich.”

Klar ist nur, dass sich der Patient für die rund einstündige Anwendung angezogen hinlegt und der Therapeut mit seinen Händen für jeweils einige Minuten abwechselnd an verschiedene Körperteile fasst. Das kostet 30 Euro oder mehr. Während es bei der Akupunktur jedoch bestimmte Punkte gibt, die durch Nadeln gereizt werden und so ihre heilende Wirkung entfalten, ist bei Reiki vieles möglich. Daher unterscheidet sich eine Behandlung meist von Anwender zu Anwender.

Auch über die Herkunft der esoterischen Behandlungsform gibt es unterschiedliche Ansichten. Viele Reiki-Anhänger glauben, dass es sich um eine sehr alte, buddhistische Heilmethode handelt, die vor rund 100 Jahren von einem christlichen Mönch in Japan wiederentdeckt wurde. Das bezweifeln Kritiker jedoch. „Reiki basiert nicht auf Jahrtausende alten Erfahrungen, sondern wurde von einem bis dahin erfolglosen japanischen Geschäftsmann entwickelt”, behauptet Hertel.

Trotz dieser starken Vorbehalte hat Reiki für Lutz Hertel auch eine gute Seite: „Wenn man entspannen möchte, gehört Reiki zu den am weitesten verbreiteten Verfahren, und da gibt es auch keinen Grund, davon abzuraten.” Das Auflegen der Hände könne durchaus Trost spenden oder eine entspannende Wirkung haben. „Das kann man selbst bei einer Mutter beobachten, die ihr weinendes Kind beruhigt”, sagt Hertel. „Was anderes darf man von Reiki aber nicht erwarten.”