Frankfurt/Main : Ansichtssache: Gesund ernähren oder nach dem Lustprinzip essen
Frankfurt/Main Wer sich mit dem Thema Ernährung auseinandersetzt, hat es nicht leicht. Kaffee war vor einigen Jahren noch verpönt, heute soll er vor Krebs und Gicht schützen.
Obst und Gemüse sind zwar gesund, aber zum Teil hoch pestizidbelastet. Ein Glas Rotwein am Abend soll gut für das Herz sein - andererseits aber auch das Krebsrisiko erhöhen. Und das eigentlich hochgelobte Olivenöl schädigt womöglich die Gefäße.
Es gibt wohl kaum einen Forschungszweig, der so widersprüchliche Ergebnisse wie die Ernährungswissenschaften liefert. „Am besten, Sie vergessen alle gängigen Ernährungsratschläge”, sagt der Ernährungswissenschaftler Uwe Knop aus Frankfurt. Er behauptet in einem Buch zum Thema „Kulinarischen Körperintelligenz”, dass die Einteilung in gesunde und ungesunde Lebensmittel Blödsinn sei. Jeder Mensch habe unterschiedliche Bedürfnisse. Nur der Körper kenne den eigenen Nährstoffbedarf und sonst keiner. Knops provokantes Fazit: Jeder soll das essen, was er will.
Denn der Körper wisse, was ihm gut tut und sorge mit Hilfe der Lust auf spezielle Lebensmittel selbst für eine ausgewogene Ernährung, sagt Knop. Allerdings sollten Menschen nur dann essen, wenn sie wirklich Hunger haben. Aus anderen Gründen - zum Beispiel Langeweile oder Liebeskummer - sollte nicht nach Essbarem gegriffen werden. „Je weniger das Essverhalten vom Verstand gesteuert wird, umso besser”, versichert er.
Das sehen andere Experten kritisch. „Eine solche These ist riskant und wissenschaftlich wohl kaum zu untersuchen”, sagt zum Beispiel die Ernährungswissenschaftlerin Prof. Ursel Wahrburg von der Fachhochschule in Münster. Sie bezweifelt, dass sich alle Menschen wirklich auf ihre Lust auf bestimmte Lebensmittel und auf ihr Sättigungsgefühl verlassen können. Menschen würden aus den verschiedensten Gründen essen - die Unterscheidung, ob man wirklich Hunger auf Brötchen hat oder nur Appetit, weil es bei der Bäckerei gerade so gut duftet, sei schwierig.
Ähnlich sieht es auch Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bonn. „Ob der Körper wirklich weiß, was er braucht, ist wissenschaftlich nicht zu belegen”, sagt sie. Sie stimmt Uwe Knop allerdings in einigen Punkten zu. Zum Beispiel, dass die Einteilung in gesunde und ungesunde Lebensmittel keinen Sinn hat. „Es gibt nur empfehlenswerte und weniger empfehlenswerte Nahrung”, sagt sie und verweist auf die „Ernährungspyramide” der DGE.
Ganz unten in dieser Pyramide stehen empfehlenswerte Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Fisch und fettarmes Fleisch. Sie können aus ernährungsphysiologischer Sicht häufig verzehrt werden. Ganz oben sind etwa Süßigkeiten, Butter und Eier verzeichnet - laut DGE sollten sie nicht all zu oft gegessen werden.
Doch was ist „häufig” und was „nicht all zu oft”? An diesen und ähnlichen Fragen scheiden sich die Geister - ein Patentrezept gibt es nicht. „Die Ernährung ist individuell. Man kann nicht sagen, dass ein Erwachsener zum Beispiel wöchentlich nur eine bestimmt Anzahl Eier essen darf”, sagt Gahl. Diese Einschätzung teilt auch Prof. Wahrburg. Wichtig sei auf jeden Fall eine abwechslungsreiche Ernährung, sagt die Wissenschaftlerin.
Keiner solle nur auf einzelne Lebensmittel setzen und meinen, damit zum Beispiel Krankheiten vorbeugen zu können. Es sei auch nicht nötig, einzelne Produkte wie Currywurst oder Butter vom persönlichen Speiseplan zu verbannen. „Die Menge macht das Gift”, sagt sie. Gut sei es auf jeden Fall, „bunt” zu essen, also Obst und Gemüse verschiedener Farben. Denn diese würden verschiedene Mineralien und Nährstoffe enthalten, also für eine gute Mischung sorgen.
Viel Obst und Gemüse ist gesund - das sei eine sichere Erkenntnis, sagt auch die DGE. Sie empfiehlt außerdem, täglich Milch oder Milchprodukte zu verzehren. Etwa ein- bis zweimal pro Woche Fisch sei gesund, ebenso wie etwa 300 bis 600 Gramm Fleisch oder Wurst pro Woche. Ob diese Regeln für die Ewigkeit gelten, ist allerdings nicht sicher. „Die Vorgänge im Körper sind hoch komplex”, sagt Gahl. „Es gibt immer noch viele Fragezeichen.”
Literatur: Uwe Knop: Hunger & Lust - Das erste Buch zur Kulinarischen Körperintelligenz. Books on demand, ISBN: 978-3-8370-5296-1, 13,80 Euro.
Auch die Trinkmenge ist umstritten
Nicht nur beim Thema Essen, auch beim Trinken sind sich die Experten nicht einig. Manche Experten meinen, das natürliche Durstgefühl reiche völlig aus. Ältere Menschen können sich aber darauf nicht immer verlassen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung rät, es am besten gar nicht zu einem Durstgefühl kommen zu lassen. Das sei bereits ein Warnsignal des Körpers. Empfohlen werden 1,5 Liter täglich, am besten über den Tag verteilt getrunken. Der Körper scheidet täglich etwa 2,5 Liter unter anderem in Form von Urin und Schweiß aus. Mit der Nahrung wird etwa ein Liter Wasser aufgenommen.