Berlin : Arbeitnehmer können sich gegen sittenwidrige Entlohnung wehren
Berlin Das Gehalt ist in Deutschland keine reine Verhandlungssache. In tarifgebundenen Unternehmen haben Arbeitnehmer mindestens Anspruch auf den geltenden Tariflohn, und die absolute Lohnuntergrenze bestimmt in einigen Branchen ein Mindestlohn-Tarifvertrag oder ein für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag.
Gelten weder Tarif- noch Mindestlöhne, müssen Arbeitnehmer dennoch nicht jedes Entgelt akzeptieren. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB, Paragraf 138, Absatz 1) verbietet nämlich Vereinbarungen, die gegen die „guten Sitten” verstoßen.
Nach regelmäßiger Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist ein Arbeitslohn sittenwidrig, der um mehr als ein Drittel unter dem ortsüblichen Entgelt für eine vergleichbare Tätigkeit liegt. Stellt das Arbeitsgericht einen sittenwidrigen Lohn fest, müssen Arbeitgeber den zu wenig gezahlten Lohn bis zur Verjährungsfrist von drei Jahren erstatten und in Zukunft eine angemessene Vergütung zahlen.
Maßstab für das ortsübliche Entgelt ist meist der Branchentarif. Allerdings muss es einen anwendbaren Tariflohn geben, der am Arbeitsort beziehungsweise in der Region auch tatsächlich gezahlt wird. Anderenfalls ist das übliche regionale Lohnniveau der Vergleichsmaßstab.
Vor Gericht muss der Arbeitnehmer stichhaltige Argumente dafür liefern, dass seine Entlohnung gegen die guten Sitten verstößt. Dazu reicht es nicht aus, auf einen deutlich höheren Tariflohn für eine lediglich ähnliche Tätigkeit zu verweisen. Vielmehr muss der Tariflohn in der gleichen Branche gezahlt werden wie der - möglicherweise - sittenwidrige Lohn, wie das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein jüngst klar stellte (Urteil vom 31. August 2010, AZ: 5 Sa 121/10).
Die Richter wiesen damit die Klage eines Lektors zurück, der von seinem Arbeitgeber, einem Dienstleistungsunternehmen, wie ein Korrektor im Zeitschriftengewerbe bezahlt werden wollte. Da es keinen Tarifvertrag für Lektoren gebe, hätte der Kläger seine Forderung mit anderen Belegen, beispielsweise Angaben aus regionalen Gehaltsdatenbanken im Internet, stützen müssen.