Dresden/Hannover : Oft Folge von Übergewicht: Diabetes bei Kindern und Jugendlichen
Dresden/Hannover Altersdiabetes: So wurde früher der Typ-2-Diabetes genannt, weil in der Regel nur Menschen ab 40 Jahren an ihm erkrankten. Das hat sich stark geändert. „Es gibt schon Fünfjährige mit einem klassischen Altersdiabetes”.
Das sagt der Mediziner Prof. Peter Schwarz von der Technischen Universität Dresden im Vorfeld des Welt-Diabetestags am 14. November. Aber nicht nur das: Auch die Zahl der Jugendlichen mit Typ-2-Diabetes - meist erkranken sie während der Pubertät - ist in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. Und die Prognosen verheißen nichts Gutes.
Der Grund ist ein ungesunder Lebensstil: zu wenig Bewegung, zu viel ballaststoffarmes und zu energiereiches Essen. „Fettleibigkeit ist die häufigste chronische Erkrankung im Kindes- und Jugendalter”, erläutert Prof. Thomas Danne von der Vereinigung DiabetesDE. Er leitet das Zentrum für Kinderdiabetologie im Kinderkrankenhaus auf der Bult in Hannover.
Laut einer Studie des Robert-Koch-Instituts aus dem Jahr 2007 sind 6,3 Prozent der deutschen Kinder und Jugendlichen fettleibig und 15 Prozent übergewichtig. „Das sind mehr als doppelt so viel wie vor zehn Jahren”, erläutert Peter Achenbach vom Institut für Diabetesforschung am Helmholtz-Zentrum München. Etwa 10 Prozent dieser Jugendlichen haben einen gestörten Glukosestoffwechsel - eine Vorstufe des Diabetes. An Typ-2-Diabetes erkranken in Deutschland mittlerweile jährlich etwa 200 Jugendliche - fünfmal so viel wie vor zehn Jahren.
Eine Ursache dafür, dass immer mehr Jugendliche zu dick sind, sieht Schwarz, der im April zum ersten Professor für „Prävention und Versorgung des Diabetes” in Europa berufen wurde, auch in den versteckten Fetten in Lebensmitteln. „Die sind in den letzten 20 Jahren deutlich mehr geworden”, sagt er. Der Lebensmittelindustrie mag er jedoch nicht den Schwarzen Peter zuschieben: „Die produzieren das, was die Leute kaufen.” Und mit Fett schmecken viele Nahrungsmittel eben besser.
Beim Typ-2-Diabetes produziert zwar die Bauchspeicheldrüse Insulin, aber das Hormon wirkt im Körper nicht richtig. „Das heißt, dass der Zucker im Blut nicht ausreichend in die Zellen gelangt”, erklärt Achenbach. Im Anfangsstadium kann der Typ-2-Diabetes manchmal allein durch Bewegung, gesunde Ernährung und Gewichtsabnahme gut behandelt werden. Meist sind jedoch Medikamente nötig.
Unentdeckt kann die Krankheit fatale Folgen haben. Unbemerkt verändern sich die Blutgefäße, es kommt zu Durchblutungsstörungen. „Die meisten Diabetiker sterben an einem Herzinfarkt oder an einem Schlaganfall”, sagt Schwarz.
Im Gegensatz zum Altersdiabetes sind beim Typ-1-Diabetes die Symptome sehr deutlich. Die Erkrankten haben viel Durst und nehmen innerhalb weniger Wochen rapide ab. Entsprechend rasch werden sie von einem Arzt untersucht - zwischen den ersten Symptomen und der Diagnose liegen meist nur wenige Wochen.
Dieser Diabetes-Typ, der meist im Kindes- und frühen Jugendalter beginnt, ist anders als der vor allem durch falsche Ernährung und zu wenig Bewegung ausgelöste Typ 2 eine Autoimmunkrankheit. Dabei werden die Insulin produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse schubweise zerstört. Auch hier nimmt die Zahl der Erkrankten schnell und heftig zu. „Bis zum Jahr 2020 wird die Zahl in Europa um 70 Prozent steigen”, sagt Danne vorher. Bislang sind in Deutschland etwa 2500 Kinder und Jugendliche betroffen.
„Es liegt definitiv eine Erblichkeit vor”, sagt Achenbach über die Ursachen von Typ-1-Diabetes. Die stark steigende Zahl der Erkrankten in den vergangenen Jahren könne jedoch nicht alleine durch Risikogene erklärt werden. Eine aktuelle Studie der TU München und der Forschergruppe Diabetes soll klären, ob zum Beispiel Viruserkrankungen oder Allergien die Krankheit verursachen können.
Eine Heilung gibt es bislang nicht - die Kinder und Jugendlichen sind lebenslang auf Insulinbehandlungen angewiesen. Als Alternative könnten dem Körper Insulin produzierende Zellen zugeführt werden, die von Spenderorganen stammen. Dies ist in der Praxis allerdings sehr selten. „Das liegt daran, dass es nicht genügend Spenderorgane gibt”, erklärt Achenbach. Es werde daher derzeit nach alternativen Quellen für diese Zellen geforscht, zum Beispiel Stammzellen.
Bei Diabetes sind meist Medikamente nötig. Das kostet viel Geld: 18 Prozent des Gesundheitsfonds werden laut Prof. Peter Schwarz von der Technischen Universität Dresden für die Folgen von Diabetes ausgegeben. Damit liegt die Zuckerkrankheit knapp hinter den Zahnbehandlungen, die mit rund 20 Prozent die Spitzenposition halten.