Köln : Eltern sollten ihre Schuldgefühle mit der Realität abgleichen
Köln Kinder aufzuziehen, ist eine komplexe Aufgabe. Viele Eltern fühlen sich schuldig, weil sie meinen, ihre Sache nicht gut genug zu machen. „Im normalen Familienalltag passiert es täglich, dass das, was man sich vorgenommen hat, nicht funktioniert”, weiß auch Corinna Knauff aus Köln, Pädagogin und Mutter von zwei Kindern.
Das Problem sei, dass sich der gesellschaftliche Trend zu immer mehr Leistung und Perfektion auch in der Erziehung niedergeschlagen habe. „Mütter und Väter bemühen sich, stets perfekt zu sein, nach dem Motto: Für mein Kind ist das Beste gerade gut genug”, sagt die Autorin des Ratgebers „Ich bin eine gute Mutter” (Campus). Sie versuchten, unzählige Erziehungsratgeber und neueste pädagogische Erkenntnisse umzusetzen - und stießen dabei zwangsläufig an ihre Grenzen. „Und dann denken viele, sie hätten es besser im Griff haben müssen, hätten sich noch besser informieren müssen”, sagt Knauff.
Frühere Generationen von Müttern und Vätern hätten weitaus weniger Informationen zur Verfügung gehabt - weder über Erziehungsstile noch über Gefahren, die Kindern im Alltag drohen könnten. Zudem habe man noch nicht gewusst, wie viel Einfluss die Eltern auf die Entwicklung eines Kindes haben. „Diese Unwissenheit hatte natürlich auch Nachteile - aber man hat damals viel mehr aus dem Bauch heraus erzogen und war nicht so überängstlich”, sagt Knauff.
Ein erster Schritt zu mehr Gelassenheit im Umgang mit den eigenen Kindern sei, sich klarzumachen, dass die Schuldgefühle die Folge dieses Perfektionismusstrebens in der Erziehung sind. „Diejenigen, die sich bei der Erziehung die größte Mühe geben, haben auch die größten Schuldgefühle”, sagt die Autorin. Denn wer alles richtig machen wolle, scheitere nun mal ständig.
Knauff empfiehlt Eltern zu hinterfragen, ob das Kind nicht auch davon profitieren kann, wenn man in manchen Punkten weniger perfekt ist. Ist es beispielsweise wirklich gut für ein Kind, es vor allen unangenehmen Erfahrungen zu bewahren? „Wenn man Kindern negative Gefühle zumutet, lernen sie schließlich auch, damit umzugehen”, gibt die Pädagogin zu bedenken. Außerdem machten die Kleinen die Erfahrung, dass die Welt nicht untergeht, wenn mal etwas schief läuft. „Wenn wir Kindern hingegen alles Unangenehme abnehmen, halten wir sie klein”, sagt Knauff.
Eltern sollten sich zudem von ihren Allmachtsfantasien verabschieden, erklärt die Autorin. „Viele Mütter und Väter denken, wenn sie nur alles richtig machen, könnten sie das Leben und die Entwicklung ihrer Kinder kontrollieren - und das ist einfach unrealistisch”, sagt Knauff. Man sollte sich klarmachen, dass man nun mal auch als Mutter oder Vater seine Grenzen hat. Eltern, die immer nach Perfektionismus strebten, vermittelten ihren Kindern zudem das Gefühl, man sei nur liebenswert, wenn man alles richtig mache. „Wenn Eltern dagegen zu ihren Macken stehen, lernen ihre Kinder, dass man gut genug ist, so wie man ist.”
Vom perfektionistischen Erziehungsstil abzuweichen, sei nicht immer einfach. „Sicher ist es schwierig, wenn man aus der Reihe tanzt und auf dem Spielplatz statt Apfelspalten mal einen Schokoriegel auspackt”, sagt Corinna Knauff. Dabei sollte man sich jedoch bewusstmachen, dass scheinbar perfekte Eltern oft nur eine Fassade aufrechterhielten und dahinter ebenso mit Konflikten zu kämpfen hätten.
„Es ist außerdem hilfreich, wenn man sich auf diesem Weg Gleichgesinnte sucht, also andere Eltern, die einen weniger perfektionistischen Erziehungsstil pflegen”, sagt Knauff. Man könne an deren Kindern auch sehen, welche Auswirkungen dieser Stil habe. „Wenn man sich außerdem offen mit anderen Eltern austauscht und auch über Schwierigkeiten redet, entlastet das sehr.”
Sich von seinen utopischen Erziehungsidealen zu verabschieden, bringe Trauerarbeit mit sich, betont die Autorin: „Aber nur so gelangt man zu der Haltung: Ich bin ein normaler Mensch - und das reicht nicht nur aus, sondern das ist sogar das Beste für meine Kinder.”