Berlin : Besser, länger, näher: Bedarf an Kita-Plätzen steigt weiter
Berlin Für die Befürworter des Hausfrauen-Modells sind das schwere Tage. Das Statistische Bundesamt stellt fest, dass die Zahl der Kleinkinder, die in der Kita betreut werden, weiter steigt. Am kommenden Dienstag könnte das Bundesverfassungsgericht das einkommensunabhängige Betreuungsgeld kippen.
Diese Bezuschussung des traditionellen Familienmodells, die von ihren Gegnern gerne als „Herdprämie” geschmäht wird, hatte die CSU noch zu Zeiten von Schwarz-Gelb durchgesetzt. Familienpolitikerin Nadine Schön will von solchen ideologischen Debatten nichts wissen. Als Mutter ist sie froh, dass sie für ihr Kind einen guten Kita-Platz gefunden hat. Als CDU-Bundestagsabgeordnete sagt sie: „Ich finde es falsch, dass man sich als Mutter immer rechtfertigen muss, egal wie man es macht. Diese Klischees von der Rabenmutter und dem Heimchen am Herd sind ein wesentlicher Grund dafür, dass wir in Deutschland so wenige Kinder haben.”
Dass der Anstieg bei den Kita-Kindern unter drei Jahren jetzt deutlich niedriger ausfällt als im Vorjahr, überrascht die Fachleute nicht. „Der Zuwachs von 4,8 Prozent bewegt sich innerhalb der erwarteten Spannbreite”, sagt eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums. Das Plus von 10,6 Prozent im Vorjahr führen Familienpolitiker auf die Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz für alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr zurück. Diesen Anspruch gibt es seit August 2013. Da für seine Umsetzung - auch mit Bundesmitteln - massiv in den Ausbau der Kapazitäten investiert wurde, war die Zahl der in öffentlichen Einrichtungen betreuten Kleinkinder damals stark angestiegen.
Insgesamt zeigt sich: Die Unterschiede zwischen Ost und West, progressiv und konservativ lösen sich langsam auf. Der Nachholbedarf ist zwar in einigen westdeutschen Städten immer noch groß. Doch im Vergleich zu früher, wo ohne Hüte-Oma oder sehr viel Geld gar nichts ging, hat sich die Situation dort schon sehr verbessert. Und auch in Kreisen, wo Alleinerziehende selten und die Zahlen der Kirchgänger hoch sind, geben Eltern ihre Kinder heute ohne tuschelnde Nachbarn und schlechtes Gewissen in die Kita. „Kitas werden stärker als bisher als Ort wahrgenommen, wo Kinder mit Gleichaltrigen spielen können und wo sie ergänzend zur Familie in ihrer Entwicklung begleitet und gefördert werden”, heißt es aus dem Haus von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD).
Sollte Karlsruhe nächste Woche wirklich zu dem Schluss kommen, dass der Bund das Betreuungsgeld nie hätte einführen dürfen, weil das eigentlich Ländersache wäre, ist eine Neuauflage der alten gesellschaftspolitischen Grabenkämpfe allerdings nicht ganz auszuschließen. Denn die CSU hat sich überlegt, dass man das Problem dann gerne lösen würde, indem künftig einfach die Länder die 150 Euro pro Monat verteilen.
Doch dieser Vorschlag löst nicht nur bei Schwesig wenig Begeisterung aus. Auch Franziska Brantner (Grüne) findet: „Sollte das Bundesverfassungsgericht das Betreuungsgeld kippen, sollte das dadurch eingesparte Geld in die Kita-Qualität investiert werden.” Sie betont: „Die Kinder haben ein Recht auf Bildung, nicht nur auf Betreuung.”
Das sehen auch vieler Kita-Träger ähnlich. Nach Ansicht des AWO-Bundesverbandes sollte eine Erzieherin nicht für mehr als drei Kinder im Alter unter drei Jahren verantwortlich sein. Dieser Personalschlüssel wird allerdings nur an ganz wenigen Orten erreicht.
Fragt man die Eltern, dann hört man außerdem oft den Wunsch nach mehr Angeboten in Wohnortnähe und längeren Öffnungszeiten. Nur in einem Punkt sind sich alle einig - die 24-Stunden-Kita wird bis auf weiteres die Ausnahme bleiben.