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Nachhaltigkeit auf dem Teller: Vom Fertiggericht zu veganen Aufstrichen

Nachhaltigkeit auf dem Teller : Vom Fertiggericht zu veganen Aufstrichen

Das Traditionsunternehmen Conserverie & Moutarderie Belge aus dem belgischen Raeren beschreitet mit der dritten Generation neue Wege – mit durchschlagendem Erfolg.

Neue Wege beginnen immer mit dem ersten Schritt – unter diesem Motto hat sich die Familie Renson mit ihrer Conserverie & Moutarderie Belge aufgemacht, ihre vegetarischen und veganen Brotaufstriche und Saucen in einem neuartigen Pfandsystem mit wiederverwertbaren Gläsern anzubieten. Für Belgien ist das eine echte Innovation, denn bisher gibt es dort nur Bier in Pfandflaschen. Derzeit wird leidenschaftlich diskutiert, laut Koalitionsvertrag besteht offenbar die Option ein Pfandsystem in Verbindung mit einer Verpackungsteuer einzuführen. Im Frühjahr 2021 waren bereits 200 belgische Städte und Gemeinden einem Pfand-Bündnis angeschlossen.

Für Rachel, Raphaël und Laurent Renson, die das Unternehmen in der dritten Generation führen, ist diese Form der Nachhaltigkeit damit nicht nur eine Herzensangelegenheit, sondern eine Selbstverständlichkeit im 21. Jahrhundert, mit der sie ihr Unternehmen zukunftsfähig machen.

Die Produktionsräume der Conserverie & Moutarderie Belge liegen nur einen Katzensprung von der deutschen Grenze entfernt im ostbelgischen Raeren. Hier werden derzeit die Produkte hergestellt, abgefüllt, verpackt und gelagert, bevor sie an die Kunden, darunter zahlreiche Bio-Läden in der Region, ausgeliefert werden. Eine neue Produktionsanlage im Eupener Gewerbegebiet ist für 2024 geplant, schließlich hat bei der Firmengründung 1953 in der Garage der Großeltern Maria und Franz Schumacher niemand daran gedacht, dass die Produktion so wachsen wird, dass neue Produktionsstätten ebenso erforderlich werden, wie eine eigene Glasspülanlage oder geeignete Transportwege für die Logistik.

Schließlich ist die Conserverie & Moutarderie Belge inzwischen ein florierendes mittelständisches Unternehmen mit 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, das eng mit der Beschützenden Werkstätte in Eupen zusammenarbeitet. Dort werden unter anderem die Pfandgläser der neuen Produktlinie „Maria & Franz“ mit Etiketten beklebt, die seit Oktober 2021 im Handel ist. Für Norbert Krott, Abteilungsleiter der Beschützenden Werkstatt, war diese Zusammenarbeit anfangs eine Herausforderung, bei der er sich fragte, ob die Beschützenden Werkstätten, in der Menschen mit und ohne Beeinträchtigung gleichberechtigt zusammenarbeiten, den Umfang stemmen können.

In der Beschützenden Werkstätte werden die Pfandgläser etikettiert.
In der Beschützenden Werkstätte werden die Pfandgläser etikettiert. Foto: CMB

Denn was vor vier Jahren mit etwa 1000 Gläsern im Monat begann, ist inzwischen auf rund 70.000 Gläser angewachsen. Die verschiedenen Produkte werden in 1000 Kilogramm-Behältern angeliefert und dann in den Werkstätten abgefüllt, etikettiert, codiert und verpackt, bevor sie direkt zum Kunden gehen oder eingelagert werden. Für die Bearbeitung der Pfandgläser der „Maria & Franz“-Produkte wurde extra eine Leimetikettiermaschine angeschafft.

Bereits beim Betreten des Firmengeländes nimmt man die ­subtilen Aromen verschiedener Gewürze wahr, je nach Produktions­tag umspielt der Duft von Curry, Kreuzkümmel oder Essig die Nase. Rachel Renson grüßt alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, als sie mit schnellen Schritten durch die Produktions­hallen schreitet. Vorbei am Verpackungs- und Gewürzlager geht es zu den einzelnen Produktionseinheiten: Hier wird der vegane Brotaufstrich hergestellt, in einem anderen Raum werden die verschiedenen Senfsorten in großen Edelstahltanks angemischt.

Insgesamt arbeiten Menschen aus zwölf verschiedenen Nationen hier: „Diese Diversität tut unserer Firma gut“, sagt sie, „bei uns haben alle ihr Spezialgebiet.“ So ist Zoran Mikulic beispielsweise als Mischer dafür verantwortlich, die Zutaten der Produkte exakt zusammenzustellen, abzuwiegen und zu vermischen. Seine Tätigkeit erfordert absolute Gründlichkeit und hohe Konzentration, damit ein perfektes Produkt entsteht.

Die Großeltern, Firmengründer und Namensgeber Maria und Franz Schumacher.
Die Großeltern, Firmengründer und Namensgeber Maria und Franz Schumacher. Foto: CMB

Als Ausbildungsbetrieb arbeitet die Conserverie & Moutarderie Belge eng mit dem Zentrum für Aus- und Weiterbildung Eupen (ZAWM) zusammen. Rachel Renson und ihre Brüder sind unermüdlich für ihr Unternehmen im Einsatz, zuletzt haben sie sich auf der Allgemeinen Nahrungs- und Genussmittel-Ausstellung, kurz Anuga, der weltgrößten Fachmesse der Ernährungswirtschaft und Nahrungsmittelindustrie, in Köln präsentiert. „Auf solchen Messen sind vor allem die Kontakte zu den Einkäufern wichtig“, erklärt Renson.

Mit der deutschen Biosupermarktkette Alnatura hat die Conserverie & Moutarderie Belge einen engagierten Großkunden gefunden, der den Nachhaltigkeitsgedanken unterstützt und weiter vorantreibt: Die Aufstriche und Dressings werden in wiederverwendbaren Pfandgläsern verkauft, die nicht nur in den 130 Alnatura-Filialen in Deutschland, sondern überall dort zurückgegeben werden können, wo Joghurt-Pfandgläser gekauft werden. Außerdem haben die Produkte das Bio-Siegel und werden mit qualitativen Rohstoffen nach dem Regelwerk der ökologischen Landwirtschaft hergestellt.

„Das Unternehmen unserer Großeltern startete mit der Herstellung von Senf, weil das mit nur fünf Zutaten ja relativ einfach ist, später kamen Fertiggerichte hinzu und seit wir übernommen haben, wird es immer nachhaltiger – und fleischloser“, erklärt Rachel Renson. Für die veganen Bio-Aufstriche Bärlauch-Tomate, Meerrettich-Apfel und Kichererbsen-Kreuzkümmel sowie drei Dressings (Honig-Senf-, Schnittlauch- und Caesar-Dressing) wurden neue Rezepte entwickelt, die einen vielseitigen Einsatz auch beim Kochen ermöglichen.

 Die neuen Pfandgläser der „Maria & Franz“-­Produktlinie.
Die neuen Pfandgläser der „Maria & Franz“-­Produktlinie. Foto: CMB

Mit einer Foodbloggerin werden seit kurzem Rezepte mit den Aufstrichen und Dressings entwickelt, die – hübsch in Szene gesetzt – auf der Webseite veröffentlicht werden. So erhält beispielsweise ein Bauernsalat mit Räuchertofu, Kartoffeln und Feldsalat einen besonderen Aromentwist durch das Honig-Senf-Dressing.

Rachel Renson hält einen Moment inne, bevor sie entschieden nickt und sagt, dass man auch als mittelständisches Unternehmen irgendwann einen ersten Schritt in eine neue Richtung machen müsse, auch wenn das mitunter viel Überzeugungsarbeit brauche. Der Erfolg gibt ihr und ihren Brüdern recht.

Conserverie & Moutarderie Belge, Eynattener Straße 20, 4730 Raeren, www.moutarderie.be, www.maria-franz.com

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