Nachhaltigkeit auf dem Teller : Ein Pilz und ein Korn
Schimmert Rob Hermans züchtet Pilze, die unter anderem mit Getreide aus der Nachbarschaft verarbeitet werden. Seine eiweißreiche Alternative zu Fleisch wächst nahe der niederländischen Grenze auf Kaffeesatz.
Die berufliche Laufbahn von Rob Hermans (37) aus Beek startete nach einem dualen Eletrotechnik-Studium in Aachen und Heerlen zunächst in der Solarbranche. In einer Kölner Firma für Solarmodule war Rob Sales Engineer und Nico Eurelings einer seiner Kunden. Eurelings, Inhaber von New Energy Systems, ein auf nachhaltige Energiesysteme spezialisiertes Unternehmen, kaufte 2015 den alten Wasserturm in Schimmert.
Robs Begeisterung für Nachhaltigkeitsthemen und seine Hobbies Kochen und Gartenarbeit führten schließlich zum nächsten Schritt: 2015 begann er mit der Zucht von Austernpilzen in einem alten Cateringbetrieb am Maastrichter Flughafen. Mit Erfolg, denn schon im Herbst des gleichen Jahres gewann er mit seinem Unternehmen Zwamburg als „Beekse ondernemer van het jaar“ einen Förderpreis, dem weitere Auszeichnungen wie der „MKB Limburg prijs“ (2016), die „Columbus Trophy“ (2018) und der „Limburgse Duurzaamheid Award“ (2019) folgen sollten.
Getreu dem Ansatz der so genannten „Blue Economy“, dass Abfall – clever genutzt – wieder ein wertvoller Rohstoff für neue Produkte sein kann, nutzt Rob Hermans Kaffeesatz als Nährboden für die Pilze. The Blue Economy ist ein von dem Forschungsprojekt „Nature’s 100 Best“ ausgehendes Konzept, das die Ökosysteme der Erde schützen und gleichzeitig Arbeitsplätze schaffen will. Der Begriff wurde dabei erstmals in dem von Gunter Pauli 2010 veröffentlichten Buch „The Blue Economy – 10 years, 100 innovations, 100 million jobs“ verwendet.
Zwamburg holt jährlich 5.000 Kilogramm Kaffeesatz von lokalen Limburger Unternehmen ab, der zunächst pasteurisiert wird, um das mikrobiologisch aufgeschlossene und homogenisierte Substrat zu desinfizieren und eine Besiedlung mit unerwünschten Fremdorganismen zu vermeiden. Anschließend wird das fertige Substrat unter sterilen Bedingungen mit dem Pilzmyzel beimpft.
„Der verwendete Kaffeesatz ist schon eine ordentliche Menge“, sagt Rob. „Aber wenn man bedenkt, dass beispielsweise im Krankhaus von Venlo jährlich 32 Tonnen Kaffeesatz anfallen, dann ist da noch viel Luft nach oben.“ Auch die „verbrauchten“ Kaffeesatz-Pilzpakete erfahren noch eine weitere Nutzung, indem sie beim Bauern nebenan als Viehfutter oder von Hobbygärtnern zur Verbesserung der Blumenerde eingesetzt werden.
Derzeit produziert Rob Hermans als Mitglied der niederländischen Pilzzüchter-Vereinigung (Vereniging van oesterzwammen kwekers) hauptsächlich Austernpilze, die im Niederländischen als „Oesterzwammen“ bezeichnet werden. Mit dem Bau einer dritten Halle hofft er, demnächst auch Shiitake-Pilze anbauen und einen Antrag auf Bio-Zertifizierung stellen zu können. Austern-Seitlinge oder Austernpilze können bei gleichbleibender Temperatur zwischen 16 und 18 Celsius und einer konstanten Luftfeuchte von 83 bis 85 Prozent in großen Mengen kultiviert werden. Sie gehören mit dem Kulturchampignon und dem Shiitake zu den drei weltweit wichtigsten Kulturpilzen.
Die aufgrund ihres Geschmacks und ihrer Textur auch Kalbfleischpilz genannten Austernpilze sind eine gefragte, weil eiweißreiche Alternative zu Fleisch bei vegetarischen Gerichten, so kommen sie beispielsweise, in einer feinen Panade ausgebacken, tatsächlich einem Wiener Kalbsfleischschnitzel nahe.
Je nach Pilzart dauert das Durchwachsen des Substrates und die anschließende Fruktifizierungsphase unterschiedlich lange: Champignonmyzel durchwächst in circa 15 Tagen das Substrat, nach etwa drei Wochen können die ersten Pilze geerntet werden. Das Myzel des Shiitake braucht dafür 15 bis 20 Wochen und dann nochmal bis zu einer Woche, bis erntefähige Pilze vorhanden sind. Während der etwa dreiwöchigen Reifezeit des Austernpilzes ist der Wachstumsprozess nicht zu stoppen, allenfalls etwas hinauszuzögern.
Eine Eigenschaft, die Rob Hermans zu Beginn des Lockdowns jäh zu spüren bekam. Die geschlossene Gastronomie als Großabnehmer fiel weg, die Pilze wuchsen weiter ihrer Ernte entgegen. Aus der Not wurde eine Tugend gemacht und weitere Produkte entwickelt, in denen die Austernpilze als elementare Zutat Verwendung fanden.
Inzwischen umfasst die Produktpalette von Zwamburg auch Tiefkühlprodukte wie die vegetarisch-veganen Bitterballen („Zwambal“) und Kroketten, pilzgefüllte Empanadas („Zwampanadas“) für die Fritteuse oder den Ofen sowie als hybride Produkte einen Burger und eine BBQ-Wurst. Diese enthalten jeweils zur Hälfte Rind- beziehungsweise Schweinefleisch und Austernpilz. Damit sind sie auch deutlich fettreduziert, denn die Pilze enthalten kaum Fett. Sie gelten als sogenannte Vitalpilze, da sie eine Substanz enthalten, der eine antibiotische und probiotische Wirkung nachgesagt wird. Darüber hinaus gibt es Zwamburg-Ravioli aus Tritordeum, die in Maastricht produziert werden und unter anderem im benachbarten Restaurant De Reusch serviert werden.
Tritordeum ist eine durch konventionelle Züchtung aus Hartweizen (Triticum durum) und Wildgerste (Hordeum chilense) gewonnene Getreidesorte, die weniger Gluten als Weizen enthält und eine gute Verdaubarkeit besitzt. Und mit dem Wasserturm, dem „Reusch van Schimmert“ teilt sich Zwamburg nicht nur den Parkplatz, man arbeitet auch inhaltlich zusammen: So gibt Rob Hermans Führungen in seinem Betrieb und Workshops zur Pilzzucht. Im Webshop, Hausverkauf oder bei De Reusch gegenüber sind auch eine Pilz-Tapenade, Pilzsuppen und Pilzragout im Glas, DIY-Pilzzuchtboxen und Seife mit Kaffeesatz erhältlich. Vor Ort kann man auch die frischen Pilze sowie weiße und braune Champignons erwerben, Rob Hermans ist auch ein gut sortierter Pilzhändler, der vor allem die Gastronomie beliefert.
Die Produktion von Edelpilzen ist nahezu komplett ökologisch, da keine Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden und die Nahrungsgrundlage der Pilze organische Materialien sind. Während von diesen Voraussetzungen in anderen Bereichen des Ökolandbaus nur geträumt wird, ist Zwamburg bereits ein Vorzeigebetrieb in Sachen nachhaltiger Anbau.
Denn was für den einen wertloser Abfall ist, wird für den anderen zur Grundlage neuer Produkte – oder poetischer gesprochen: Des einen Leid, des anderen Freud’.
Zwamburg, De Bockhofweg 10, 6333 AZ Schimmert, zwamburg.nl
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