Brauereien aus der Region : Alte Biere – neu entdeckt
Aachen Vor gut zehn Jahren dominierten unter den regionalen Bieren vor allem die belgischen Spezialbiere. Inzwischen ist viel passiert und es gibt eine Reihe neuer – und hochinteressanter – Biere im Dreiländereck zu entdecken.
Der Craft-Beer-Trend kam Ende der 1970er Jahre in den USA auf, als nach der Genehmigung des Hausbrauens durch Präsident Jimmy Carter kleinere Brauereien neue, eigenwilligere Biersorten entwickelten. Eigentlich geht es bei Craft Beer weniger um ein einzelnes Bier als eher um die Philosophie der Braukunst.
2017 gründete sich der Verband Deutscher Kreativbrauer, die alte Bierstile wiederentdecken und neu interpretieren. So gewinnt beispielsweise Sauerbier in den letzten Jahren wieder an Bedeutung. In Belgien kennt und schätzt man die durch Spontangärung entstandenen Lambic-Biere ja schon lange, dagegen klingt Sauerbier erst einmal wenig einladend. Dabei schmecken bis zur Entwicklung der Pasteurisierung zur Konservierung flüssiger Lebensmittel eigentlich alle Biere mehr oder weniger säuerlich.
Auf deutscher Seite gibt es, genau wie in Belgien und den Niederlanden, neue und spannende Biersorten: Als Thorsten Alles (Durstlöscher, Bierladen Hopfen und Malz) und Thorsten Lässig 2011 mit ihrem süffigen „Lennet“ starteten, steckte die Mikrobrauerei-Szene in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Im Frühjahr 2021 kam das neue, weiterentwickelte „Lennet“ auf den Markt: Mit 5,2 Prozent Alkohol ist das in einer Privatbrauerei in Langenberg gebraute Pils laut Eigendeklaration „sexy & hopfenbetont“.
Unter dem Label „Drunken Monkey“ lässt Thorsten Alles gemeinsam mit dem Stolberger Sebastian Sauer (Freigeist Bierkultur) derzeit zwei Biere in der Lohnbrauerei „BrauArt“ in Sausenheim herstellen: Die „Öcher Printe“ mit speziellen Printengewürzen der Printen-Bäckerei Klein aus Aachen (5,5 Prozent Alkohol) und das „Au Prumm“, ein Porter mit Pflaumenaromen (4,7 Prozent Alkohol), die beide im Frühjahr 2021 auf den Markt kamen. Für jeden verkauften Kasten Bier wird übrigens an ein Affenschutz-Programm gespendet, deshalb heißt es auch im Untertitel „Gebraut von Affen für Affen“.
Phillip Taud (Café Helmut) und Jan Grün (Biersommelier) haben unter dem Label „Bahkauv Brew“ mit „The beast from the sewer“ ein naturtrübes Bier entwickelt, das einen neuen Bierstil für Aachen markieren soll. Das „The devil and the maid“ ist hopfenbetont durch vier Aromahopfensorten und fruchtig mit ausgeprägten Noten von Blutorange und Zitrus und „Fastradas Ring“ kommt als belgisches Witbier mit vietnamesischer Kalamansi und erfrischenden Noten von Limette und Mandarine als ideales Sommergetränk daher.
Das von Dinah und Jens Lotte unter dem Label „Maschinenbrauer“ entwickelte Aachener Landbier wurde im Mai 2021 vorgestellt. Die erste Charge wurde von der Pott Brauerei in Oelde produziert, aktuell wird bei Kürzer in Düsseldorf-Flingern gebraut und auf lange Sicht wünschen sich die beiden Maschinenbauer wieder eine Brauerei in Aachen. Denn die lange Brautradition Aachens hat die beiden zur Entwicklung des „Aachener Landbiers“ – einem obergärigen, „am Limit vergorenen“ naturtrüben Landbier mit hoher Drinkibility – inspiriert, so dass es nun ein höchst süffiges Bier zu entdecken gibt.
Unter dem Markennamen „Aachener Stadtbrauerei“ produziert Cornelius-Bräu als einzige größere Brauerei der Stadt Aachen in einer historischen Halle des Alten Schlachthofs ein naturtrübes Fassbier für Restaurants und Kneipen sowie die Spezialbiere „Sanctus“ mit Saazer und Hallertauer Hopfen und zitrusfruchtigem Aroma mit leichter Süße und das leicht fruchtige, spritzige „Opulentus“ in der Champagnerflasche mit Korken und Drahtverschluss. Biere mit Korken sollte man übrigens wie Wein liegend lagern, Flaschen mit Kronkorken hingegen stehend.
Nicht nur in Aachen wird fleißig gebraut und gezapft, auch im Nordkreis, dem Dürener Land und der Eifel weiß man gutes und charaktervolles Bier zu schätzen. Mittlerweile sieben Geschmacksrichtungen umfasst das Sortiment von FrOnk-Bier aus der Biermanufaktur Langguth in Alsdorf. Seit 2019 ist das Bier im größeren Stil erhältlich: Neben „Revier“ Pils und Alt gibt es ein Indian Pale Ale und ein New England IPA, ein Ale Mandarina, ein Citra Hell und ein Weizen Triskel.
Dabei erinnert sich Langguth noch gut an die Enttäuschung bei der Verkostung seines ersten hobbymäßigen Brauerzeugnisses – und dessen erstaunliche Geschmacks-Metamorphose nach rund dreiwöchiger Lagerung. Gutes Bier braucht eben Zeit, es muss reifen. Je tiefer er in die Thematik eintauchte, umso mehr gärte in ihm auch die Erkenntnis: „Bier ist ein komplexeres Erzeugnis als Wein.“ Heute wird er durch Michael „Stone“ Steinbusch, Diplom-Biersommelier und IHK-Bierbotschafter, unterstützt, der bei Tastings in den spannenden Kosmos des Getränks einführt.
Seit der Gründung der Brauerei 1961 braut die Gemünder Brauerei regionale Biere wie das Eifeler Landbier, das Ur-Gemünder Obergärig oder das Steinfelder Klosterbier. Auch Laura Sophie Jacobsen, die 2020 die Brauerei Rainer in Linnich-Welz übernahm, lässt ihr Bier in Gemünd brauen – und zwar nach dem Ur-Rezept aus dem Jahr 1828.
Bierexperte Silvio Reiss ist bei belgischen Bieren bestens bewandert, in seinem Stolberger Laden Vintäsch bietet er unter anderem eine bemerkenswerte Auswahl an Trappistenbieren an. Eine Neuentdeckung ist die Brauerei Nova Villa aus Sankt Vith, die wie die Brasserie Bellevaux und Grain d’Orge dem Erzeugernetzwerk „Made in Ostbelgien“ angeschlossen ist.
Aktuell gibt es vier Sorten: Strong Pale Ale, Triple, Mosaic sowie ein nur saisonal erhältliches Winterbier. Aus der Brasserie Bellevaux bei Malmedy kommt mit „Black“ ein neues Porter-Bier mit Noten von Kaffee und Bitterschokolade, das wie ein Rotwein zu einem Rinderbraten ebenso gut wie zu einem Schokoladenkuchen serviert werden kann. Das Malmedy Triple passt zu würzigen Eintopfgerichten, das La Blonde de Bellevaux zu Grillwürstchen sowie zu Käse und vegetarischen Gerichten.
Das Thema Foodpairing liegt auch Christian Küppers am Herzen, der als „Biersommelier on tour“ sowohl Tastings als auch Braukurse abhält. Er empfiehlt zu würzigen Speisen oder einer Käseauswahl beispielsweise das „Quadrupel“ mit Aromen von Aprikose, Dattel und Karamell der Brauerei Zuyd aus Maastricht.
Die unabhängige Familienbrauerei in Gulpen setzt bei der Produktion auf regionale und biologisch angebaute Zutaten. Auf der Webseite werden – wie im hauseigenen Restaurant und Proeflokaal – die Biere passend zu den Speisen empfohlen, beispielsweise das karamellige Gerardus Dubbel Klosterbier zu einem Pulled Pork Sandwich oder einem Ofenrisotto mit Portobello und Blauschimmelkäse. Neuerdings wird aus dem „Herfstbock“ auch ein Gulpener Gin destilliert, aber das ist ein anderes Thema.
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