Berlin : Rauf bis in den Wipfel: Forstwirte müssen klettern können
Berlin Er kniet sich hin, spannt das Gummi der Wurfschleuder und zielt. Dann fliegt ein kleiner Wurfsack hoch auf den Baum, ein daran befestigtes Seil saust hinterher. Christian Wegner hofft, dass es sich um einen stabilen Ast wickelt. „Das klappt nicht immer auf Anhieb”, sagt der Forstwirt. Sekunden später klatscht der Wurfsack auf den Boden.
„Wir versuchen es mal mit mehr Gewicht”, sagt der 44-Jährige, und spannt einen rund 300 Gramm schweren Wurfsack in die Schleuder. Während Wegner sich auf den nächsten Versuch konzentriert, arbeitet sich wenige Meter von ihm entfernt eine Motorsäge mit lautem Grollen in einen Baumstamm, dann kracht der Baum zu Boden. Kurz darauf ist der Wurfsack sicher um einen Ast gewickelt. Wegners Kollegin, Susanne Wersig, prüft ihren Klettergurt, schwingt sich hoch und beginnt die kranken Äste des Baums abzusägen.
Forstwirte sind für den Schutz und die Pflege des Waldes zuständig, doch ist dieser nicht zwingend ihr Arbeitsort. Wegner hat viele Aufträge in der Stadt. „Das Schöne an dem Job ist, dass man am Ende immer das Ergebnis sieht”, sagt er.
2014 waren nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit 6056 Menschen in der Forstwirtschaft tätig. „Die Berufsbezeichnung Forstwirt meint aber viele Berufe”, erklärt Marcus Kühling, Geschäftsführer beim Deutschen Forstverein in Göttingen. Denn angehende Forstwirte können verschiedene Ausbildungswege wählen.
Wer direkt im Wald tätig sein möchte, sollte sich für die duale Ausbildung im Betrieb und in der Berufsschule entscheiden. „Das sind die klassischen Waldarbeiter”, sagt der Diplom-Forstwirt. Sie fällen und pflanzen Bäume, bauen Zäune, pflegen Wege oder bekämpfen Schädlinge. Die Ausbildung dauert drei Jahre, es geht um Themen wie Waldbegrünung und Natur- und Umweltschutz.
Auch wenn die meisten Auszubildenden einen Realschulabschluss oder Abitur haben, ist für den Zugang zur Ausbildung formal kein Abschluss vorgeschrieben. Die Ausbildungsvergütung liegt bei Bezahlung nach Tarif im Osten im ersten Lehrjahr bei 592 Euro und steigt auf 699 Euro. Das geht aus Zahlen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) hervor. Im Westen bewegt sie sich zwischen 755 Euro und 854 Euro.
Wer Revierförster werden und Fach- und Führungsaufgaben übernehmen möchte, kann statt oder nach der Ausbildung Forstwirtschaft an der Fachhochschule studieren. Im gehobenen Dienst, also für Revierleiter im öffentlichen Wald, wird ein Studium an einer Fachhochschule mit einjähriger Anwärterzeit vorausgesetzt.
Angehende Forstamtsleiter müssen ein Universitätsstudium und ein zweijähriges Referendariat machen. „An den Hochschulen geht es ums Management”, sagt Prof. Daniela Kleinschmit. Sie ist Leiterin des Lehrstuhls für Forst- und Umweltpolitik an der Universität Freiburg. „Wer die Themenbreite schätzt und wissenschaftlich arbeiten möchte, sollte an die Universität.” Auf der anderen Seite ist das Studium an der Fachhochschule näher an der Praxis.
Die Berufschancen für Absolventen sind in den kommenden Jahren ganz gut. „Forstwirte im gehobenen und höheren Staatsdienst werden ebenso gebraucht wie in der privaten Wald- und Holzwirtschaft oder im Umweltschutz”, sagt Kühling. Gerade die öffentlichen Verwaltungen bräuchten nach Jahren des Einstellungsstopps wieder Mitarbeiter. Bei den Waldarbeitern gingen viele schon mit Mitte 50 in Rente — es ist schließlich ein harter Job.
„Wer sich für diesen Job entscheidet, sollte körperlich fit und abgehärtet sein”, sagt Wegner. Seit Stunden sägen er und seine Kollegen in der Herbstkälte an Bäumen und Ästen, ziehen sich mit den Armen hinauf, wickeln ihre Füße nach jedem Zug ums Seil, während die Baumwipfel bedrohlich hin und her schwenken. „Jeder Baum ist anders”, sagt der Forstwirt. „Man kann nicht einfach hinaufklettern und kranke Äste absägen.” Es gibt bestimmte Techniken, die es anzuwenden gilt, um die Saftwege der Bäume nicht zu beschädigen.
Studierte Forstwirte haben bessere Verdienstaussichten als klassische Waldarbeiter. Während ausgebildete Waldarbeiter mit einem Einstiegsgehalt von 1800 Euro brutto pro Monat rechnen können, starten Revierförster mit rund 2500 Euro und Forstamtsleiter mit 3500 Euro brutto im Monat, so Kühling. Gesellen können sich aber etwa zum Forstmaschinenführer oder Natur- und Landschaftspfleger weiterbilden. Nach drei Jahren Praxis ist der Besuch der Meisterschule möglich, um später in der Ausbildung tätig zu sein oder sich mit Revierförstern um Wälder zu kümmern.
Die Liebe zur Umwelt ist für den Job unabdingbar. Und von ein bisschen Morgenkälte lassen sich Wegner und seine Kollegen die Laune nicht verderben. „Ich mache den Job schon seit 27 Jahren und kann mir nichts Schöneres vorstellen”, sagt der Forstwirt.