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Aberdeen: Mit dem Hubschrauber zum Job: Arbeiten auf der Bohrinsel

Aberdeen : Mit dem Hubschrauber zum Job: Arbeiten auf der Bohrinsel

An Allison Strongs Arbeitsplatz weht fast immer starker Wind. Die 43-jährige Chemikerin und Offshore-Ingenieurin ist beim Mineralölkonzern BP angestellt. Jeweils drei bis vier Tage pro Woche verbringt sie auf einer Bohrinsel. Sie ist dort für die Inspektion zuständig. Gemeinsam mit dem Team, das sie leitet, sorgt sie für die Optimierung der Produktion. Außerdem kontrolliert sie, ob die Plattformen in der Nordsee intakt und sicher sind. „Wir arbeiten in einer Hochrisikoindustrie und gehen täglich mit Gefahren um, das darf man nicht vergessen”, sagt sie. Öl und Gas sind leicht entflammbar.

Erdöl- oder Gasplattform stehen nicht nur zum Beispiel auf russischem oder norwegischem Hoheitsgebiet. Auch Deutschland verfügt am Rand des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer über ein Ölfeld namens Mittelplate. Vor der Küste von Großbritannien liegen ebenfalls eine Reihe von Ölfeldern.

Es gibt ein breites Spektrum von Berufen auf den Bohrinseln. „BP beschäftigt nur 40 Prozent der Leute, die dort arbeiten”, sagt David Conway, BPs stellvertretender Personalchef für die Nordsee. Dazu gehörten etwa Bohringenieure, Chemiker und Techniker. Darüber hinaus gibt es die Angestellten von Dienstleistungsunternehmen, die sich um das Kochen, Putzen, Catering und den Betrieb der Hubschrauberlandeplätze kümmern.

Große Konzerne wie Shell, BP oder Statoil sind aber vor allem an gut qualifizierten Fachkräften interessiert. „Die Anforderungen für das Arbeiten auf einer Ölplattform sind hoch”, sagt Erich Meyer von der Arbeitsagentur Emden-Leer an der Nordsee. Gesucht sind junge, belastbare Fachkräfte. „Das sind keine Hilfsjobs”, erläutert Meyer. Wichtig sei, sehr gutes Englisch zu sprechen sowie schwindelfrei und körperlich fit zu sein. Schließlich müssen Mitarbeiter auf den Plattformen mitten auf dem Meer teilweise Arbeiten in luftiger Höhe verrichten - einige der Bohrinseln sind so hoch wie ein zehnstöckiges Gebäude.

Es sei schon eine Herausforderung, überhaupt auf die Plattform zu kommen, die teilweise 100 oder 200 Kilometer vom Festland entfernt sind, erzählt Strong. Sie und ihre Kollegen werden mit Helikoptern zu ihrem Arbeitsplatz geflogen. Damit sind sie stark abhängig vom Wetter. „Manchmal muss man drei oder vier Tage länger bleiben.” Oft verpasst sie Familienfeiern oder Geburtstage, weil sie abends nicht einfach nach Hause gehen kann. Doch das Arbeiten auf der Bohrinsel wird gut bezahlt. Laut Conway von BP liegt das Einstiegsgehalt für Fachkräfte bei rund 64.000 Euro und erhöht sich über die Jahre.

Privatsphäre gibt es auf den Bohrinseln kaum. Nach ihrer zwölf Stunden langen Schicht schläft Strong in einem kleinen Raum, den sie sich normalerweise mit einer anderen Person teilt. Die Plattformen, auf denen Öl oder Erdgas gefördert werden, beherbergen oft bis zu 200 Menschen. Daneben gibt es auch kleinere Bohrinseln, die nur Probebohrungen machen.

Der 30-jährige Phil Leaney hat schon auf mehreren dieser Plattformen gearbeitet und ist bei einem Dienstleistungsunternehmen beschäftigt. Er ist ein sogenannter „Mud Engineer” und bestimmt die Zusammensetzung der Flüssigkeiten, die bei Bohrungen durch das Bohrloch gepumpt werden. Sein Arbeitsplatz ist im Inneren der Bohrinsel an großen, mit Flüssigkeit gefüllten Pools. Der Schlamm wird heiß aus der Tiefe herausgepumpt, auch die Maschinerie ist heiß, die Temperaturen dementsprechend. „Die Zwölf-Stunden-Schichten da unten sind zwar anstrengend, aber ich mag die Verantwortung”, sagt er. Er ist stolz darauf, wenn eine Operation gut verlaufen ist.

Und wie kommt man an einen Job auf einer Bohrinsel? „Wir stellen eine Menge Leute mit langjähriger Berufserfahrung in der Öl- und Gasindustrie ein”, sagt Conway. BP sei regelmäßig auf der Suche nach Fachkräften im technischen Bereich, wie Elektrotechnikern oder Mechanikern. „An diesen Stellen besteht ein unglaublich hohes Interesse.” Das Unternehmen bietet außerdem spezielle Trainingsprogramme für Hochschulabsolventen an, die etwa Ingenieurwissenschaften oder Chemie studiert haben.

Aus den Teilnehmern werden häufig Kandidaten für die Arbeit auf den Plattformen rekrutiert. Ähnlich wie bei anderen großen Öl- und Gaskonzernen sind die Bewerbungsmodalitäten auf der Firmenhomepage zu finden. Die Konzerne rekrutieren Fachkräfte aus der ganzen Welt. Leaney genießt das Arbeiten mit internationalen Kollegen. Wenn er nach mehreren Wochen die Plattform wieder verlässt, sei es ohne die Kollegen zu Hause erst einmal ungewohnt.

(dpa)