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Karlsruhe: Fehlstart in der Lehre: Wo Azubis bei Problemen Hilfe finden

Karlsruhe : Fehlstart in der Lehre: Wo Azubis bei Problemen Hilfe finden

Es gibt Tage, an denen Marissa Schlegel ihre Ausbildung am liebsten abbrechen würde. Das sind Tage, an denen ihr Chef sie anbrüllt, sie als nutzlos beschimpft oder ihr vorwirft, sie könne gar nichts. „Er ist ein Choleriker”, klagt die 22-Jährige.

Seit 2011 macht sie in einem Karlsruher Unternehmen eine Ausbildung zur Kauffrau für Dialogmarketing. Oft macht ihr die Arbeit Spaß. Doch die Beleidigungen ihres Chefs zerren an ihren Nerven.

Solche Schilderungen überraschen Florian Haggenmiller nicht. „Es gibt immer wieder Fälle, in denen Azubis ihren Lohn zu spät oder gar nicht bekommen, Überstunden machen müssen, ausbildungsfremde Tätigkeiten verrichten oder sogar gemobbt werden”, sagt der Bundesjugendsekretär beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Viele sehen dann keine andere Möglichkeit, als die Ausbildung abzubrechen. Fast ein Viertel der Auszubildenden löste 2011 ihren Vertrag vorzeitig auf, ergab eine Auswertung des Bundesinstituts für Berufsbildung.

Doch das dürfe nur der letzte Ausweg sein, sagt Nico Schönefeldt, Berufsbildungsexperte des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Schließlich findet nicht jeder sofort einen weiteren Ausbildungsplatz. Besser sei es deshalb, Probleme in der Firma frühzeitig anzusprechen. „Azubis sollten zunächst versuchen, im Unternehmen selbst eine Lösung zu finden”, rät er. Am besten wenden sie sich zunächst an den Ausbilder oder den Chef. Daneben sei der Betriebsrat oder die Jugend- und Auszubildendenvertretung ein guter Ansprechpartner, ergänzt Haggenmiller. Die gebe es allerdings nur in größeren Betrieben.

Auch eine Vertrauensperson im Kollegenkreis oder Berufsschullehrer könnten helfen, sagt Katharina Schumann, Leiterin des Referats Bildungsberatung bei der Handwerkskammer Berlin. „Es gibt aber auch Konflikte, wo ganz klar gegen geltendes Recht verstoßen wird”, erklärt sie. Das könne etwa der Fall sein, wenn das Unternehmen regelmäßig zu viele Überstunden verlange oder man Arbeiten verrichten müsse, die nicht zur Ausbildung gehören. Dann sollte man sich am besten an einen Ausbildungsberater der Handwerkskammern oder der Industrie- und Handelskammern (IHK) wenden. Dieser prüfe dann, ob eine Rechtsverletzung vorliegt und suche das Gespräch mit dem Chef.

Bei ausstehenden Geldbeträgen unterstützen die Ausbildungsberater die Azubis darin, eine Mahnung zu schreiben. Bringt das nichts, gehen die IHKs und Handwerkskammern selbst noch einmal schriftlich vor. In seltenen Fällen beantragten sie einen Entzug der Ausbildungsberechtigung, erklärt Schumann.

Wichtig sei, dass die Auszubildenden ihre Rechte kennen. Diese sind im Berufsbildungsgesetz festgelegt. Auch dem Ausbildungsvertrag und der Ausbildungsordnung könnten junge Menschen wichtige Angaben entnehmen.

Doch nicht immer gehen die Probleme vom Betrieb aus. Oft hätten Auszubildende auch Schwierigkeiten in der Berufsschule, wenn für sie die Anforderungen zu hoch seien, hat Schönefeldt beobachtet. „Schlechte Noten sind aber kein Grund, zu verzweifeln”, sagt er. Azubis könnten mit dem Einverständnis ihres Betriebes bei der Agentur für Arbeit ausbildungsbegleitende Hilfen anfordern. Dann bekämen sie kostenlosen Nachhilfeunterricht und würden außerhalb der Berufsschule bei theoretischen Lerninhalten unterstützt.

Außerdem gebe es ein Programm des Bundesbildungsministeriums, das unter dem Namen VerA (Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen) berufserfahrene Experten als Mentoren zur Seite stellt. „Die geben dann nicht nur Hilfestellung, sondern dienen auch als Vorbilder”, sagt Schönefeldt.

Wer sich anonym Ratschläge zu Problemen rund um die Ausbildung holen möchte, ist auf dem Onlineportal „Dr. Azubi” richtig. Auf der vom DGB eingerichteten Seite können Auszubildende ihre Probleme schildern und bekommen innerhalb von 48 Stunden eine Antwort.

„Wenn alle Stricke reißen, ist es auch möglich, sich in einem anderen Beruf ausbilden zu lassen”, sagt Schönefeld. Dieser Schritt müsse aber gut überlegt sein. Den Jugendlichen stünden auch hier die Ausbildungsberater der IHKs und Handwerkskammern beratend zur Seite.

Marissa Schlegel hat sich mit ihren Problemen an die IHK, das „Dr. Azubi”-Forum und ihren Berufsschullehrer gewandt. Dort bekam sie viele Ratschläge. Letzten Endes hat sie sich gegen eine Kündigung entschieden. Für ein Gespräch mit dem Chef fehlte ihr aber der Mut. „Jetzt werde ich einfach die Zähne zusammenbeißen und die verbleibenden Monate, bis ich fertig bin, auch noch durchstehen.”

(dpa)