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Berlin: Ein Nicken ist nicht genug: Zu wenig Lob sorgt für Stress im Team

Berlin : Ein Nicken ist nicht genug: Zu wenig Lob sorgt für Stress im Team

Bevor der Chef im Mitarbeitergespräch mit der Kritik loslegt, leitet er das Gespräch mit ein paar anerkennenden Worten ein. Ein Lob für dies und das, um eine gute Stimmung zu schaffen und das Gegenüber für Kritik zu öffnen. Die Taktik ist allerdings leicht zu durchschauen und lässt das Lob zur wirkungslosen Floskel geraten. Damit ein Unternehmen gut funktioniert, brauchen Mitarbeiter aber regelmäßig Anerkennung. Wenn es der Chef nicht hinbekommt, sind die Kollegen selbst gefragt.

Die zeigten sich in einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens Forum von 2014 wenig euphorisch. Etwas weniger als die Hälfte der Befragten gab an, regelmäßig für gute Arbeit gelobt zu werden (48 Prozent). Welche Branche, wie groß das Unternehmen, ob Ost oder West, machte dabei kaum einen Unterschied. Leichte Ausreißer nach oben gab es etwa in der obersten Führungsetage und in besonders kleinen Unternehmen (57 bzw. 58 Prozent). Auch jüngeren Kollegen wird überdurchschnittlich häufig Anerkennung zuteil (55 Prozent).

In Verkehrs- und Logistikunternehmen scheint es dagegen besonders schlecht zu laufen - nur 37 Prozent der Mitarbeiter werden nach eigenen Angaben regelmäßig von ihrem Vorgesetzten gelobt. Ist das zu wenig? „Wir haben in Deutschland keine fürchterliche Unlob-Kultur”, sagt Professor Jörg Felfe von der Deutschen Gesellschaft für Psychologie. „Aber sicherlich gibt es viel Spielraum nach oben, qualitativ und quantitativ.”

Ein spezifisch deutsches Problem will der Wirtschaftspsychologe darin allerdings nicht erkennen. Zwar hätten Deutsche in England oder den USA den Eindruck, es werde mehr gelobt. Am Ende sei aber nur der Maßstab verschoben. „Was für uns wie ein Lob klingt, ist gar nicht als solches gemeint gewesen.”

Der Wunsch nach Feedback sei auch nichts, was erst die jüngere Generation in die Unternehmen hereingetragen hat, sagt Felfe. „Das ist ein klassisches psychisches Bedürfnis und über die Jahrzehnte gleichgeblieben.”

Aber warum ist ein Lob überhaupt so wichtig? Systematische Belohnung wirke sich positiv aus auf Leistung, Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeiter sowie auf ihre Verbundenheit zum Unternehmen, sagt Felfe. Umgekehrt könne mangelnde Wertschätzung Stress und Gereiztheit zur Folge haben. Diesen Zusammenhang zeigen Felfe zufolge psychologische Studien recht deutlich. „Die Wirkung von Lob lässt sich sogar neurologisch nachweisen.” Lob und Anerkennung entfalten danach eine ähnliche Wirkung wie Geldprämien.

Allerdings kann die Kausalität sowohl in die eine als auch in die andere Richtung gehen, gibt das Marktforschungsinstitut Forum zu bedenken: Geht ein Mitarbeiter seine Arbeit gut, effizient und mit Freude an, fällt das dem Vorgesetzten vielleicht auf, und er spricht ein Lob aus. Oder: Lobt der Vorgesetzte einen Mitarbeiter für seine Arbeit, so kann das motivieren.

Auf lange Sicht könnten außerdem sowohl positive als auch negative „Feedbackschleifen” entstehen. Wer motiviert ist, macht gute Arbeit und wird gelobt, ist durch das Lob noch motivierter und bekommt ein weiteres. Andersherum: Wer unzufrieden ist, macht einen schlechten Job, wird nicht gelobt, die Motivation sinkt weiter, zum Lob kommt es nie.

Beim Loben kann allerdings einiges schieflaufen. Das beobachtet die Management-Trainerin Silke Anbuhl vom Deutschen Verband für Coaching und Training. Hebt der Chef einen Mitarbeiter ganz besonders hervor, könne das die anderen demotivieren. Grundsätzlich sei es daher besser, das Vier-Augen-Gespräch zu suchen. Es sei denn, es geht tatsächlich um eine außergewöhnlich gute Leistung. Bei einer Teamarbeit sollte der Chef seine Anerkennung gegenüber allen Beteiligten ausdrücken.

Anbuhl warnt außerdem davor, zu häufig Charaktereigenschaften zu loben. Anders als an Verhaltensweisen könne man daran nämlich wenig ändern. Gelobt werden sollte auch nicht erst nach Wochen, sondern möglichst bald. „Wenn es geht, durchaus noch am gleichen Tag”, sagt die Psychologin. Nach Ansicht von Felfe komme es vor allem darauf an, dass das Lob konkret sowie authentisch und damit ehrlich ist.

Aber keine Sorge: „Loben kann man lernen.” Anbuhls Tipp: Üben, und zwar am besten in einem geschützten Raum wie der Familie. Außerdem sollte man seine Mitarbeiter genau beobachten, sich nicht nur auf ihre Fehler konzentrieren. Manche seien abhängiger von Lob als andere.

Wenn der Chef partout nicht loben will, sollten Mitarbeiter das Gespräch mit ihm suchen und das Lob einfordern, rät Anbuhl. Das lasse sich auch diplomatisch formulieren. „Man sollte sagen, dass man seine eigene Leistung nicht einschätzen kann und sich ein Feedback wünscht.” Und zwar unabhängig von Mitarbeitergesprächen, die viele als abgedroschen empfänden.

Manchmal nehmen Chefs auch einfach nicht wahr, dass sie zu selten Anerkennung aussprechen. „Führungskräfte glauben oft, dass sie häufiger loben, als sie das tatsächlich tun”, sagt Felfe. „Aus der Angst heraus, zu viel zu loben und Mitarbeitern dadurch den Ansporn zu nehmen, lassen sie es gleich ganz.” Probleme mit dem Loben hätten außerdem Chefs, die einen freundschaftlichen Umgang mit ihren Mitarbeitern pflegten. „Loben bedeutet nämlich immer auch ein Stück weit, sich über den anderen zu stellen.”

Deshalb kann Felfe zufolge auch ein Lob unter Kollegen schwierig werden. Wenn ein Lob von jemandem komme, von dem man eh nichts annimmt oder der selbst nichts leistet, dann verpufft es. Trainerin Anbuhl hält Anerkennung auf Teamebene dennoch für wichtig. Über ein solches Lob aus unerwarteter Ecke seien Kollegen häufig sehr erfreut. Und nicht nur den Kollegen sollte ab und an Wertschätzung ausgedrückt werden: „Auch der Chef sollte gelobt werden”, sagt Anbuhl.

(dpa)