1. Leben
  2. Bildung und Beruf

Berlin: Die Wald-Pfleger: Forstwirt ist ein Nischenberuf

Berlin : Die Wald-Pfleger: Forstwirt ist ein Nischenberuf

Der Moment, in dem der Wipfel sich neigt, ist einer der gefährlichsten. Wenn der Stamm sich langsam aus der Senkrechten löst, heißt es, schnell in Deckung zu gehen. Was in den nächsten Sekunden passiert, kann selbst mit viel Erfahrung niemand genau sagen. Kein Baum fällt wie der andere.

Zweimal schon hatte Michael Brauers in dieser Situation Glück. Zweimal hätte es kritisch ausgehen können - trotz aller Aufmerksamkeit und obwohl er alle nötigen Vorsichtsmaßnahmen ergriffen hatte. Brauers, 21, ist im dritten Ausbildungsjahr zum Forstwirt. Er weiß, dass die Natur sich nie endgültig berechnen lässt. Seine Entscheidung hat er dennoch keine Sekunde lang bereut. „Für mich ist es ein Traumjob”, sagt er. „Weil ich den ganzen Tag im Grünen bin und viel Ruhe bei der Arbeit habe.”

Während andere im stickigen Büro sitzen oder hektisch von Termin zu Termin eilen, stapft Brauers mit seinen Kollegen durch die Wälder. Er baut etwa Zäune, pflegt die Wege, bekämpft Schädlinge, fällt Bäume, transportiert das Holz ab und pflanzt neue Bestände. Nur knapp 2000 Ausbildungsplätze zum Forstwirt gibt es - ein Nischenberuf.

„Viele verwechseln den Begriff Forstwirt noch immer mit dem Förster und denken dabei an das Klischee des grün gekleideten Mannes mit Dackel, Gewehr und Hut”, sagt Martin Lambers. Er ist Bildungsreferent beim Verband der Landwirtschaftskammern in Berlin. „Dabei ist Forstwirtschaft ein sehr vielfältiger und moderner Beruf.”

Die duale Ausbildung dauert drei Jahre. Neben der Holzernte stehen Themen wie Waldbegrünung, Forsttechnik und Natur- und Umweltschutz auf dem Stundenplan. Nach dem Abschluss gibt es für die Fachkräfte zahlreiche Weiterbildungsmöglichkeiten: Technikinteressierte können sich zum Forstmaschinenführer ausbilden lassen, Naturliebhaber zum Baumpfleger oder zum Natur- und Landschaftspfleger.

„Immer wichtiger wird auch der Bereich der Umweltpädagogik”, sagt Lambers. Forstwirte geben Führungen und erklären zum Beispiel Kindern den Wald. Wer tatsächlich Förster - also Forstrevierleiter - werden will, kann statt oder nach der Ausbildung studieren. Fachhochschulen und Universitäten bieten die Studiengänge Forstwirtschaft und -wissenschaft an.

Für die Ausbildung reicht ein Hauptschulabschluss. Die meisten Auszubildenden kommen aber von der Realschule. Viele haben sogar Abitur. „Grundlegende Voraussetzung ist die Liebe zur Natur und die Bereitschaft, im Freien zu arbeiten”, sagt Thilo Wagner, Leiter des Forstlichen Bildungszentrums in Nordrhein-Westfalen. „Aber auch gute Gesundheit und Fitness sind wichtig - Forstwirt ist einer der körperlich anspruchsvollsten Ausbildungsberufe.” Auch deshalb entscheiden sich wenige Frauen dafür. Nur etwa fünf Prozent der Auszubildenden sind weiblich. Um die 20 Kilo kann eine Schutzausrüstung wiegen, dazu das Gewicht der Kettensäge und der beschwerliche Weg durch den Wald.

Auch für Brauers war es anfangs hart. „Abends dachte ich oft, jetzt geht gar nichts mehr”, sagt er. Weil er groß gewachsen ist, spürt er die Arbeit schnell im Rücken. „Aber man gewöhnt sich daran und macht dann eben Ausgleichssport.” An der Berufsschule wird daher auch Ergonomie gelehrt, und Azubis beschäftigen sich mit Themen wie körperschonendes Arbeiten oder entlastende Gymnastik.

Die Schutzausrüstung ist für Forstwirte ständiger Begleiter und ebenso unverzichtbar wie klare Absprachen. Forstwirte arbeiten meist im Team, so dass ein anderer immer Hilfe holen kann, wenn sich einer verletzt. Rutschiger Boden, morsche Äste, fallende Bäume, unberechenbares Wetter und die Wucht und Schärfe der Kettensäge machen den Beruf gefährlich.

Dafür sind die Berufsaussichten gut. „Wir haben quasi Vollbeschäftigung. Gut ausgebildete Forstwirte werden händeringend gesucht”, sagt Wagner. Im öffentlichen Waldbesitz liegt das Monatsgehalt der Auszubildenden im ersten Jahr bei 734 Euro, im dritten bei 835 Euro. Berufseinsteiger verdienen je nach Tätigkeit und Betrieb zwischen 1500 und 2900 Euro. Wer beruflich aufsteigen will, hat dazu auch ohne Studium viele Möglichkeiten. „Nicht nur der Grad der Qualifikation entscheidet, sondern auch die Inhalte”, so Wagner. „Die Betriebe schauen genau hin: Auf was hat sich jemand spezialisiert, welche Praktika, welche Kurse hat er gemacht?” Immer wichtiger wird der Bereich der Nachhaltigkeit. Hier entstehen neue Tätigkeitsfelder und Berufe, wie zum Beispiel der Ingenieur für regenerative Energien.

Brauers ist noch ganz am Anfang seiner Karriere, vielleicht wird er nach der Ausbildung noch studieren. In jedem Fall will er weiter in der Forstwirtschaft arbeiten - trotz der körperlichen Anstrengung und der Gefahren. Er weiß, dass man nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig Angst vor Natur und Kettensäge haben darf. „Das Wichtigste ist, den Respekt nie zu verlieren.”

(dpa)