Kopenhagen : Wohnen wie in Skandinavien: Stilvoll einrichten auf schlichte Art
Kopenhagen Das Noma in Kopenhagen haben Kritiker bereits dreimal zum besten Restaurant der Welt gewählt. Auch in der Mode kommen seit einiger Zeit wichtigste Impulse von Labels wie Acne aus Schweden oder Wood Wood aus Dänemark. Wenn man heute etwas über die schönen Dinge des Lebens erfahren möchte, muss man nicht mehr unbedingt nach London oder Paris reisen. Städte wie Kopenhagen, Stockholm, Helsinki oder Oslo sind manchmal sogar inspirierender.
Vor allem beim Einrichten haben die Nordeuropäer wieder die führende Rolle inne. „Das skandinavische Design hat eine neue Identität gefunden - und zwar eine zeitgemäße”, erklärt Sten Rasmussen, Inhaber von Scandinavian Objects in Berlin. Der gelernte Designer aus Dänemark bietet Möbel, Leuchten und Wohnaccessoires an. Und sein Geschäft repräsentiert den Stil ganz treffend: Man übersieht den Laden von außen fast. Statt der sonst bei Einrichtungsgeschäften üblichen großzügig bemessenen Ausstellungsfläche betritt man eine Art Ministudio.
Drinnen ist die Atmosphäre trotz der vielen Produkte auf kleiner Fläche aber nicht überladen. Alles ist harmonisch aufeinander abgestimmt, nichts drängt sich auf. Der Kunde darf an einem Tisch und auf Bänken aus der „Pirkka”-Serie des legendären finnischen Designers Ilmari Tapiovaara Platz nehmen. An der Wand hängt das in Nordeuropa überaus populäre Regal „String” von Nils Strinning, erstmals produziert im Jahr 1949. Von dessen Regalböden zwitschern die kultigen Holzvögel des Dänen Kay Bojesen: „Kay”, „Ruth”, „Peter”, „Sunshine” und „Pop”.
Viele der Möbel oder Leuchten sind schon seit Jahrzehnten auf dem Markt. Andere stammen von jungen Herstellern und Designern aus dem Norden. Die nordischen Design-Klassiker wirken nicht weniger modern als die neuen Produkte. Die schlichten, funktionalen Formen sind zeitlos und passen sich ohne große Probleme an den Stil der Gegenwart an.
Zu Zeiten der wilden Postmoderne war das skandinavische Design komplett aus der Mode gekommen. Seit der Jahrtausendwende sind die leichtgewichtigen, schlichten Holzmöbel am Markt aber wieder sehr erfolgreich. „Heute wollen die Kunden etwas Echtes”, erklärt Mirkku Kullberg, Firmenchefin des finnischen Herstellers Artek. „Auch wegen der ökonomischen Unsicherheit und der immer größeren Beliebigkeit im Design. Man will wissen, wo liegt der Ursprung. Die Produkte müssen Geschichte haben.”
Artek hat die Designgeschichte mitgeprägt. Der weltberühmte finnische Architekt Alvar Alto hat das Unternehmen zusammen mit verschiedenen Partnern 1935 gegründet. Die Möbel von Alto stehen heute neben zeitgenössischem Design immer noch im Zentrum des Programms von Artek. Aber schon seit einigen Jahren legt es zusätzlich klassisches Design aus Finnland von Ilmari Tappiovaara und Harri Koskinen neu auf.
Auch weil Themen wie Nachhaltigkeit und Ökologie so wichtig geworden sind, erlebt der skandinavische Stil eine Renaissance. Denn die Klassiker von Alto, Tappiovaara und Koskinen haben nicht nur einen hohen ideellen Wert, sondern sie sind auch handwerklich erstklassig verarbeitet und bestehen aus hochwertigen Hölzern aus heimischen Wäldern. Auch das macht sie zu nachhaltigen Produkten von langer Lebensdauer. „Die junge Generation steht dem Konsum kritischer gegenüber”, sagt Mirku Kullberg. „Sie wollen Produkte, die eine Ethik repräsentieren, die langlebig sind und eine hohe Wertigkeit haben.”
Aber die Einflüsse auf das skandinavische Design werden immer globaler. Im Gegensatz zur älteren Generation müssen die jungen Gestalter und Hersteller sich auch auf internationalem Parkett behaupten. Junge skandinavische Designer wie Andreas Engesvik oder das Duo Andersson & Voll arbeiten nicht mehr nur für nordische Hersteller, sondern auch für Unternehmen in Italien. Ebenso beschäftigen Unternehmen wie Hay oder Muuto ausländische Gestalter. Hay kooperiert zum Beispiel mit den Designstars Ronan und Erwan Bouroullec aus Frankreich oder Sebastian Wrong aus England.
Spannende länderübergreifende Verbindungen entstehen - wie bei dem Designerpaar GamFratesi. Enrico Fratesi stammt aus Mailand, Stine Gam aus Kopenhagen. In den Arbeiten der beiden verschmelzen zwei Kulturen: das Spielerische und Poetische des italienischen Designs mit der skandinavischen Liebe zum Handwerk und zum Detail. So entsteht ein neuer, internationaler Stil, der sich öffnet für vielfältige Einflüsse.
„Das Design in Skandinavien ist auf Konsens angelegt und weniger von Statusdenken geprägt”, erläutert Sven Ehmann, Mitherausgeber des Buchs „Northern Delights”. Es zeigt die ganze Bandbreite des zeitgenössischen Einrichtens in Nordeuropa. Die abgebildeten Wohnungen und Häuser sind alle sehr stilvoll eingerichtet. Der Fokus liegt dabei aber nicht auf Luxus. Die Interieurs wirken nie mondän oder gar pompös. Der skandinavische Stil steht laut Ehmann für einen „diskreten Modernismus”.
Das Design will nicht revolutionär sein, sondern möchte das Leben der Menschen verbessern, angenehmer und schöner machen. Diese unaufgeregte Art des Einrichtens trifft stark auf die Bedürfnisse unserer Zeit, die von ökonomischer Unsicherheit und großer Beliebigkeit auf dem Markt für Design geprägt ist. Um diesen Wohnstil in Szene zu setzen, braucht man keinen bombastischen Showroom im Stile italienischer Nobelmarken. Da reicht ein kleiner Laden in einer Nebenstraße. Und das gilt auch für die Wohnhäuser.