Dessau-Roßlau : Tief durchatmen: Die Luft in Wohnräumen verbessern
Dessau-Roßlau Fast das ganze Leben verbringen wir in Räumen. Laut Umweltbundesamt (UBA) 80 bis 90 Prozent der Zeit. Vor allem, wenn viele Menschen in einem Raum sind, wird es dort bald stickig. Um Frischluft und neuen Sauerstoff hinzubringen, reißen wir die Fenster auf. Doch: Das Lüften sorgt vor allem dafür, Schadstoffe und Feuchtigkeit aus dem Raum abzutransportieren. Besonders Schimmel ist ein Folgeproblem der schlechten Luft.
„Die meisten Anfragen zu Innenraumluft betreffen dieses Thema”, berichtet Heinz-Jörn Moriske von seiner Arbeit beim UBA in Dessau-Roßlau.
„Fenster schließen heute immer dichter”, erklärt Prof. Barbara Hoffmann vom Leibniz-Institut für Umweltmedizinische Forschung in Düsseldorf. „Wenn nicht gleichzeitig die Dämmung der Wände von außen verbessert wird, bleiben die Wände kühl, und Feuchtigkeit aus der Raumluft kann sich daran niederschlagen.” Das ist der Nährboden für Schimmelpilze. Eleni Kontonasiou vom Buildings Performance Institute Europe in Brüssel betont daher: „Ein Passivhaus etwa sollte eine Lüftungsanlage haben.”
Morgens und abends zehn Minuten Stoßlüften bei weit geöffnetem Fenster empfiehlt das UBA grundsätzlich. Manchmal reicht Lüften allerdings nicht aus. „Schimmel entsteht auch, wenn ein Gebäude nicht dicht ist, warme Luft nach außen entweicht und Kondenswasser an den Austrittsstellen hinterlässt”, erklärt Volker Zaborowski vom Verein zur Qualitäts-Controlle am Bau.
Dann müssen Experten zurate gezogen werden, die die Ursachen und Lösungen für den Schimmelbefall ausmachen. Das sei wichtig, denn Schimmel kann Asthma verschlimmern und die Atemwege reizen, sagt Barbara Hoffmann. „Viele Studien weisen darauf hin, dass Asthma durch Schimmel sogar neu entstehen kann.”
„Aus wissenschaftlicher Sicht ist Schimmel allerdings nur ein Problem unter vielen”, sagt Moriske. Belastet werde die Luft in Innenräumen auch durch flüchtige organische Verbindungen, auf Englisch volatile organic compounds oder kurz VOC. „Diese Stoffe findet man heute fast überall”, sagt Moriske. „Sie können in Klebern, Lösemitteln, Farben, Möbeln und Reinigungsmitteln enthalten sein.”
Diese Stoffe dünsten im Wohnraum aus. Das bedeutet aber nicht, dass man davon sofort krank wird: „Die Konzentration und die Dauer der Einwirkung ist entscheidend.” Immerhin gasen VOC recht schnell aus, in der Regel verflüchtigen sie sich innerhalb weniger Wochen bis Monate.
Anders die schwerflüchtigen Verbindungen oder SVOC. Sie sind als Weichmacher in Kunststoffen und als Ersatz für Lösemittel in Farben enthalten. „SVOC gasen sehr viel weniger aus, dafür aber über Jahre”, sagt Moriske. „Der medizinische Nachteil ist, dass sie sich im Körper anreichern.” Einige von ihnen wirken wie Hormone. Sie stehen im Verdacht, zu Unfruchtbarkeit und Frühgeburten beizutragen.
Manche, aber nicht alle VOC, kann man an einem chemischen Geruch erkennen. Wer den Verdacht hat, einer Belastung ausgesetzt zu sein, kann sich in der Apotheke oder im Internet sogenannte Sammler besorgen. Diese Tests gibt es für eine ganze Reihe Verbindungen vom Pappstreifen nur für Formaldehyd bis zum Glasröhrchen für 60 VOC.
Diese Tests zeigen aber kein exaktes Ergebnis an, sondern geben lediglich Hinweise, ob eine hohe oder geringe Schadstoffbelastung vorliegen könnte, betont Moriske. Für weitergehende Untersuchungen gibt es Labors.
Eine Quelle für Schadstoffe sind Möbel, Bauprodukte wie Parkettkleber sowie Bodenbeläge. „Gerade junge Familien sind hier sensibilisiert, weil sich Kleinkinder viel auf dem Boden aufhalten”, sagt Moriske.
Das Gütesiegel Blauer Engel tragen etwa schadstoffarme Bodenbeläge und Möbel, auch das Label GUT zeichnet Bodenbeläge aus. Viele Bodenbeläge werden außerdem baurechtlich geprüft. „Experten empfehlen, nur solche Produkte zu kaufen, die ein Prüfzeichen aufweisen”, erklärt Moriske. Bei manchen anderen Siegeln sitzen die Hersteller aber mit im Vergabekomitee. Hier rät er zu genauem Nachfragen im Geschäft.
Eine weitere Ursache von schlechter Luft in Innenräumen ist Feinstaub. Alle Partikel, die kleiner als ein hundertstel Millimeter sind, zählen dazu. Sie lagern sich in den Lungenbläschen ein, können Atemwegs- und Herzerkrankungen sowie Lungenkrebs verursachen. Nach Berechnungen des UBA gibt es jährlich 47 000 vorzeitige Todesfälle wegen zu hoher Feinstaubbelastung, vor allem aus dem Verkehr.
Durch Türen und Fenster gelangt die belastete Außenluft auch in Innenräume. Zigarettenqualm, Rauch von Speisen im Ofen und auf dem Herd, angezündete Kerzen, Öfen und Kamine sind weitere Quellen von Feinstaub, erklärt Barbara Hoffmann.
Auch Laserdrucker im Büro entlassen ihn in die Luft. Dank gesetzlicher Vorgaben sind die Werte laut UBA jedoch deutlich zurückgegangen. Anders verhalte es sich bei ultrafeinen Partikeln, die noch kleiner sind als Feinstaub.
Von einer „Mixtur von Schadstoffen” könne der Wohnraum belastet sein, die unterschiedliche Auswirkungen haben, fasst Barbara Hoffmann zusammen. Die Sensibilisierung der Verbraucher mag ein Grund dafür sein, dass mehr und mehr Geräte zur Luftreinigung auf den Markt kommen. Gegen Staub wirken sie recht gut, gegen Gase laut UBA aber weniger. Hier gelte einfach: Lüften ist immer noch die beste Art, Raumluft zu reinigen.