Bad Honnef : Nordischer Exportschlager: Mehr Wohnraum mit drittem Giebel
Bad Honnef In Norddeutschland war ein dritter Giebel am Haus einst ein Symbol für Status und Reichtum. Man sprach auch vom Kapitänsgiebel. Bis heute verleiht der dritte Giebel vor allem Klinkerbauten einen hanseatisch edlen Charakter. Ähnliche Wirkung erzielen auch der Friesen- und der Hamburger Giebel. Sie werten die oft langweilige Traufseite des Hauses erheblich auf. Jetzt ist der über hundertjährige Dachzacken aus dem hohen Norden - dort natürlich oft mit Reetdach - dabei, auch die Mitte und den Süden Deutschlands zu erobern.
Moderne Bauherren schätzen vor allem die praktische Seite der Giebel. „Sie sind beliebt, weil sie zwar von außen konservativ hanseatisch daherkommen, aber eine ganz moderne Innenarchitektur erlauben”, sagt Christoph Windscheif vom Bundesverband Deutscher Fertigbau in Bad Honnef bei Bonn. Deshalb sind die Nordlichter gewissermaßen zu einem Exportschlager geworden.
„Das Drei-Giebelhaus, wie es häufig genannt wird, kann auf der vorgebenden Grundstücksfläche mehr Wohnraum erzeugen, als es bei einem Haus mit einem normalen Satteldach möglich wäre”, erklärt Josef Rühle, Geschäftsführer Technik beim Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks in Köln.
Das Dachgeschoss, dessen Nutzung durch die vielen Dachschrägen normalerweise eingeschränkt ist, wird mit einem dritten Giebel deutlich besser bewohnbar. Und Treppen und Flure können großzügiger gestaltet werden. „Bei der Grundstücksknappheit gerade in stadtnahen Gegenden ist das ein nicht zu unterschätzender Vorteil”, sagt Windscheif.
„Voraussetzung ist ein T-förmiger Grundriss des Dachs, auf dessen langer Giebelseite ein gaubenartiger Anbau eingeplant wird”, erläutert Rühle. Damit entsteht ein zusätzlicher Raum für Wohnzwecke. Wo sonst schräge Wände sind, haben unter dem dritten Giebel ein Zimmer für die Kinder, ein Bad oder sogar eine ganze Einliegerwohnung Platz. Durch den Einbau großer, gar bodentiefer Fenster wird der Giebelraum besonders hell.
„Je steiler das Hausdach, desto höher wird dieser Raum”, sagt Rühle. „Ab einer Dachneigung von 35 Grad erreicht man Kopffreiheit, besser wäre aber etwas mehr.” Das ausgebaute Dachgeschoss ist aber neben der Dachneigung auch von der Drempelhöhe abhängig. Der Drempel ist die über die Decke hinaus gemauerte Außenwand, auf der das Dach aufliegt. Vor allem bei einer geringen Höhe ist ein dritter Giebel eine Bereicherung.
„Mit dem zusätzlichen Giebel können unter dem Dach drei Raumgruppen mit bis zu sechs Zimmern eingeplant werden”, rechnet Rühle vor. Damit lässt sich die Wohnfläche um etwa 25 bis 30 Quadratmeter vergrößern. Auch in der unteren Etage ergibt sich mehr Platz, besonders wenn dort die Giebelwand insgesamt nach vorne gesetzt wird. „Dann entsteht unter dem Giebel eine Art Erker, der gern als Wintergarten genutzt wird”, berichtet Rühle. So ist es möglich, das Wohn- und Esszimmer im Erdgeschoss freier und gartennäher zu gestalten.
Manche Bauherren verzichten aber auf das Extra-Zimmer unter dem Dach und genießen einfach die großzügige und uneingeschränkte Optik, die sich aus der Architektur ergibt. „Der Flur im Obergeschoss gewinnt an Fläche und Licht”, erklärt Jens Lührsen, Berater des Bauherren-Schutzbundes (BSB) in Hamburg. Oft wird im Obergeschoss eine Galerie eingerichtet, gern als Bibliothek mit einem schönen hellen Platz zum Lesen. Von dort hat man dann einen guten Blick auf das untere Geschoss.
Auch von außen machen Drei-Giebel-Häuser eine gute Figur: „Sie sehen hochwertig aus und heben sich von den Nachbargebäuden ab”, findet Lührsen. Wenn es die örtlichen Bauvorschriften nicht anderes vorsehen, dürfen Giebel auch überall gebaut werden. Und das Dach auf dem dritten Giebel muss nicht unbedingt ein Satteldach sein, wie es die klassischen norddeutschen Häuser haben. Es sind auch andere Dachformen möglich - sogar ein Flachdach. Ist der Giebel auch noch farblich hervorgehoben, wie es aktuell häufig der Fall ist, wird das Haus zum echten Hingucker.
Der zusätzliche Wohnkomfort in einem Drei-Giebel-Haus hat natürlich seinen Preis. Bauherren-Berater Lührsen rechnet mit mindestens 10.000 bis 15.000 Euro zusätzlichen Kosten - je nach Aufwand und Ausstattung. „Ob das Verhältnis von Kosten und Nutzen stimmt, muss jeder Bauherr individuell entscheiden”, sagt der Experte. Auf jeden Fall erhöht sich der Wohnwert, der Innenbereich wird größer und die Architektur freier und großzügiger.