Erlangen : Immer in der Spur bleiben: WM der selbstfahrenden Modellautos
Erlangen Selbstfahrende Autos auf deutschen Straßen sind wohl nur noch eine Frage der Zeit. Im Miniaturformat flitzen sie bereits durch das Erlanger Fraunhofer-Institut. Gesucht: der neue Weltmeister.
Die Gerade nimmt das kleine Auto noch problemlos. Auch die erste Kurve meistert der Wagen mit hoher Geschwindigkeit. Doch dann ist es aus: Die zweite Biegung verpasst der Flitzer und schießt über die Fahrbahnbegrenzung hinaus. Was während des freien Trainings noch kein Problem ist, soll im Finale nicht mehr passieren: Nur drei Durchgänge haben die Studententeams, um mit ihren Modellautos ins Ziel zu kommen.
Der Witz dabei: Die Fahrzeuge müssen den Weg komplett allein finden - eine Fernsteuerung ist tabu. Am Dienstag wurde in Erlangen zum dritten Mal der Weltmeister in diesem Wettbewerb gesucht - erstmals in Deutschland.
In der Lobby des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS sind mehrere kleine Rennstrecken aufgebaut. Vor der Endrunde haben die Mannschaften noch Zeit, zu trainieren. Überall sitzen und stehen Studenten und werkeln an ihren Autos: Die Reifen werden geputzt, die Kabel getestet, die Software nochmals genau eingestellt.
Die etwa schuhkartongroßen Fahrzeuge müssen selbstständig Kurven, Steigungen und Bodenwellen meistern. Und im Finale ist die Strecke unbekannt, wie Oliver Scholz vom Fraunhofer-Institut erklärt. Sieger ist das Team, dessen Auto den Parcours am schnellsten bewältigt, dabei die Fahrbahn nicht verlässt und kurz nach der Ziellinie stehen bleibt.
Die Modellautos navigieren mit Hilfe von einer oder zwei kleinen Kameras, die meist am oberen Ende einer senkrechten Stange befestigt sind. Sie orientieren sich an den Fahrbahnbegrenzungen.
„Alle Teams bekommen den gleichen Bausatz für ein Auto - mit Motor, Rädern, Akku und Kamera”, erklärt Scholz. Software und Konstruktion können sie individuell entwickeln. Manche bauen eine eigene Beleuchtung an das Fahrzeug, andere positionieren Kameras rechts und links, statt übereinander.
„Die Kreativität ist überraschend. Manche nutzen sogar 3D-Drucke für einzelne Bauteile”, erzählt Scholz. Die Möglichkeiten sind vielfältig, doch das Reglement ist streng. Wer zu breit oder zu hoch baut, wird disqualifiziert. Ein Team muss daher sein Auto kurz vor dem Finale nochmals umbauen.
Ein halbes Jahr lang hatten die Mannschaften und ihre Professoren Zeit, ein Rennauto zu konstruieren. Die neun besten Teams kamen ins Finale. Mehr als 5000 Mannschaften hatten sich beteiligt - allein 4000 aus China. Von den fünf deutschen Teams schaffte es keines in die Endauswahl.
„Das Schwierigste war, die Software zu programmieren - und wie die Daten analysiert werden”, erzählt der 22 Jahre alte Valentin Py. Zusammen mit Louis Hêche (23) geht er für die Schweiz an den Start - sie bilden das einzige europäische Team im Finale.
Die Studenten - meist angehende Elektrotechniker, Informatiker und Mechatroniker - mussten vieles beachten: Das Auto muss zum richtigen Zeitpunkt die richtige Menge „Gas” geben. Es muss wohldosiert bremsen und nicht zu viel lenken, aber auch nicht zu wenig. „Und wie nimmt man die Kurve: an der Innenkante wie in der Formel 1 oder in der Mitte? Dann ist man aber langsamer”, erklärt Scholz. „Die Software kann sehr komplex sein.”
Mehrere Teams brauchen im Finale dann alle drei Versuche. Am besten meistert die Aufgabe am Ende ein Team aus China. Sein Fahrzeug schafft den Kurs in nur 17,1 Sekunden - und beschert den Jung-Konstrukteuren damit 3000 US-Dollar (rund 2600 Euro).
Auf Platz zwei kommt Malaysia mit 20,6 Sekunden. Und mit 20,8 Sekunden knapp dahinter erringt die Schweiz überraschend Rang drei. Das indische Team setzt gleich auf Sicherheit und fährt mit Bedacht - wird damit aber letzter mit 42,4 Sekunden. Immerhin kommt in diesem Jahr jedes Auto auch ins Ziel - bei der vorangegangenen Weltmeisterschaft war es nur etwa jedes zweite.