Frankfurt/Main : Flimmern, Fummeln und Fiepen: Die neuen Bedienkonzepte auf der IAA
Frankfurt/Main Raumschiffserien wirken dagegen wie von gestern: Wer zum ersten Mal im Audi e-tron quattro Platz nimmt, fühlt sich wie Captain Future - und das liegt nicht allein am eigenwilligen Wählhebel für das Getriebe, der wie der Schubregler eines Space Shuttles aus dem Mitteltunnel ragt.
Was die Studie für den ersten elektrischen Geländewagen des bayerischen Herstellers so futuristisch wirken lässt, sind vor allem die extrem dünnen und brillanten Anzeigen, die berührungsempfindlichen Oberflächen und die Tatsache, dass man viele Funktionen sogar mit Gesten steuern kann.
Damit liegt die auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt am Main (Publikumstage bis 27. September) präsentierte Studie voll im Trend. Denn getrieben von der Consumer Elektronik und den Smartphones kämpfen die Fahrzeughersteller um Anschluss bei ihren Anzeige- und Bedienkonzepten. Seitdem man Telefone und Tablet-Computer mit zwei, drei Tasten bedienen kann, ist den Entwicklern jeder Knopf im Auto ein Dorn im Auge. Und seitdem Handys und Fernseher immer schärfere Bilder anzeigen, können die Displays im Wagen gar nicht hoch genug aufgelöst sein.
Neben kapazitiven Oberflächen, die auf Annäherung oder Berührung reagieren, setzen die Hersteller dabei wie eben im Audi auf sogenannte OLED-Anzeigen. Sie nutzen organische Leuchtdioden, die heller und schärfer sind. Weil sie von sich aus leuchten, müssen die Anzeigen nicht mehr von hinten angestrahlt werden. Deshalb werden die Displays obendrein immer dünner, erläutert Audi-Projektleiter Stefan Blümel.
Zwar hat er beim e-tron quattro den Bogen bewusst ein wenig überspannt. Beim Serienauto wird es deshalb wohl doch noch ein paar mehr Schalter geben als den Taster für den Warnblinker, der als einziges vom Gesetzgeber klar vorgeschrieben ist. „Doch viele Details wie Kameras als virtuelle Außenspiegel mit den entsprechenden Displays in den Türverkleidungen oder die OLED-Technologie für einzelne Anzeigen sind für die Serie gesetzt”, sagt Blümel.
Das behauptet auch Holger Hutzenlaub aus dem Designteam von Mercedes. Er hat maßgeblich am Aerodynamik-Showcar Concept IAA mitgearbeitet und versucht nun, den Blick ausnahmsweise mal von der faszinierenden Transformer-Karosserie mit den ausfahrbaren Anbauteilen in den Innenraum zu lenken. Dort sieht man fast mystisch beleuchtete Luftausströmer aus Swarovski-Glas, zwei in einem Rahmen beinahe nahtlos verschmolzene Riesen-Displays anstelle der Instrumente und einen gebogenen Touchscreen auf dem Mitteltunnel, mit dem man Klima und Co steuert.
Der Clou allerdings sind die OFN-Tasten für die Optical Finger Navigation, wie man sie etwa vom Blackberry kennt. „So kann man sich mit dem Daumen wie auf einem Mini-Touchscreen durch die Menüs bewegen und braucht kaum mehr andere Knöpfe am Lenkrad.” Ob und wie das funktioniert, werden die Mercedes-Kunden bald selbst ausprobieren können, verspricht der Designer - ab dem nächsten Jahr in der Neuauflage der E-Klasse.
Ganz so schnell wird es bei Porsche nicht gehen. Der Stuttgarter Hersteller versucht der Informationsflut im Cockpit der Studie Mission E unter anderem mit holographischen Darstellungen auf den ebenfalls mit OLED-Technik beleuchteten Oberflächen Herr zu werden. Außerdem folgen die Anzeigen immer der Blickrichtung des Fahrers, so dass man zum Beispiel die aktuelle Geschwindigkeit nie aus den Augen verliert, teilt der Hersteller mit. Während viele Hersteller neben den Touchelementen gerade die Gestensteuerung als „next big thing” feiern, als den großen Trend, will Porsche dem Fahrer die Kommandos so buchstäblich von den Augen ablesen.
Wo die deutschen Hersteller beim Anzeige- und Bedienkonzept vor allem an Augen und Hände denken, nutzt die Mannschaft bei Peugeot einen anderen Sinn: das Gehör. Wo es bislang nur vergleichsweise simple Warntöne gab, haben die Franzosen für die Studie Fractal mit einem Tonkünstler eigens ein Dutzend Klangfolgen komponiert, die bestimmte Kommandos quittieren und entsprechende Anzeigen überflüssig machen. Wer einmal das Jingle für die Scheinwerfer gehört hat, der braucht keine Kontrollleuchte mehr.
Ein luxuriöser Geländewagen von Audi, der elektrische Spitzensportler von Porsche und ein Oberklasse-Gran-Turismo von Mercedes - wie so oft werden viele Innovationen nach der sogenannten Top-Down-Strategie zunächst in den teuren Modellen kommen, bevor sie irgendwann für eine breite Masse verfügbar sind.
Aber das muss nicht so sein - sagen sie zumindest beim Zulieferer ZF. Der hat im visionären Kleinwagen Advanced Urban Vehicle (AUV) neben einer neuartigen Lenkung und einem weiterentwickelten Parkautomaten das womöglich kleinste und billigste Head-Up-Display eingebaut: Kaum größer als eine Briefmarke, prangt auf der Zwölf-Uhr-Position im Lenkrad ein Mini-Monitor, auf dem wichtige Informationen prominent ins Blickfeld gerückt werden. Das ist nicht nur weitaus näher an der Serie als holographische Projektionen wie bei Porsche und Peugeot oder die ultraflachen und gebogenen OLED-Anzeigen von Audi. Sondern es ist vor allem für jedermann bezahlbar, sagt Gerhard Gumpoltsberger aus der ZF-Forschung: „Es ergibt schließlich keinen Sinn, wenn die Instrumente mehr kosten als das ganze Cockpit.”