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Fahrbericht zum Land Rover Defender

Für Puristen ungeeignet : Fahrbericht zum Land Rover Defender

Weitestgehender Verzicht auf Komfort, unterwegs mit einem ordentlichen Geräuschpegel auf den Ohren – das ist die Welt der bisherigen Landy-Fans. Diesem rustikalen Anspruch wird die aktuelle Generation des Land Rover Defender nicht mehr gerecht.

Doch so schick und komfortabel der Geländegänger jetzt anrollt: bereit fürs Abenteuer ist er immer noch. Riesig, wuchtig und respekteinflößend steht der robuste Allradler vor der Tür. Im städtischen Umfeld wirkt selbst der Defender der Neuzeit wie ein Dinosaurier.

Bei der ersten Begegnung tauchen blitzartig Gedanken rund um den Alltag auf. Wie soll es gelingen bei fünf Metern Länge einen Parkplatz zu finden? Welche Garageneinfahrt lässt 1,97 Metern Höhe zu? Schmale Straßen oder gar Baustellen auf der Autobahn werden bei einer Breite von 2,10 Metern (mit ausgeklappten Außenspiegeln) allein schon bei der Vorstellung zu einer schier unlösbaren Herausforderung.

So mächtig der Defender auftritt, so überraschend handlich, ja fast schon Pkw-ähnlich fährt er sich. Einer präzisen Lenkung sowie der Einzelradaufhängung seien Dank. Im urbanen Umfeld sind die anfangs geäußerten Bedenken – bis auf die Parkplatznot – damit schnell vom Tisch.

Für die sportliche Gangart ist der SUV hingegen weniger gedacht. Dazu müssten die Lenkung etwas präziser und das Fahrwerk etwas straffer abgestimmt sein. Langgezogene Biegungen hingegen werden problemlos passiert. Hier bleibt das Dickschiff sauber in der vorgegebenen Spur. Anders als bisher steht die Karosserie nicht mehr wie bisher auf einem Leiterrahm. Sie ist nun selbsttragend und basiert auf einem leichten und sehr steifen Aluminium-Monocoque.

Den Antrieb besorgt ein Zweiliter-Vierzylinder-Diesel (240 PS), leise und laufruhig mit einem satten Drehmoment von 430 Newtonmetern (Nm) bei 1400 Umdrehungen. Die Kraft wird über eine Achtgang-Automatik generell auf die beiden Achsen geleitet. Allerdings ist das Getriebe eher für den Einsatz im Gelände ausgelegt. Die unteren Fahrstufen sind recht kurz ausgelegt und bei Steigungsstrecken auf Landstraßen oder Autobahnen schaltet das Getriebe häufig zurück, um das Tempo zu halten.

Die Maximalgeschwindigkeit des Selbstzünders ist bei knapp 190 Kilometern in der Stunde erreicht. Bei längeren Fahrten mit höherem Tempo fordern nahezu 2,4 Tonnen Gewicht ihren Tribut und der Verbrauch steigt mit gut 13 Litern fast auf das Doppelte des von Land Rover angegebenen Normwerts (7,7 Liter) an. Im Mix aus viel Stadtverkehr, gemächlichem Cruisen über Landstraßen und nur vereinzelten Fahrten unter Volllast pendelt sich der Spritbedarf aber durchaus um die Zehn-Liter-Marke ein.

Wer sich in die gewaltigen Höhen des Innenraumes geschwungen hat – selbst bei 1,70 Meter Körpergröße bedarf es eines großen Schrittes, um die Türschwelle zu überwinden – findet sich in einem modernen und komfortablen Umfeld mit großzügigen Platzverhältnissen. Das Kofferraumvolumen beträgt zwischen 857 und 1.946 Litern.

Die Zusatzkosten von 380 Euro für die zwölffach elektrisch verstellbaren und guten Halt gebenden Vordersitze sind gut investiert, um Fahrer und Beifahrer eine langstreckentaugliche und rückenfreundliche Position zu ermöglichen. Das digitale Cockpit mit modernem Infotainment, hochauflösenden Bildschirmen und Konnektivität-Funktionen wie Over-the-air-Updates ist auf dem neuesten Stand der Technik.

Gleichwohl zeugen deutlich sichtbare Verschraubungen an den Türverkleidungen oder gleichermaßen robust wie hochwertig wirkender Kunststoff davon, dass Erde, Sand und Staub weiterhin zum Leben eines Defender-Kunden dazu gehören können. Für den Ausflug ins Gelände soll ein zweistufiges Verteilergetriebe im Zusammenspiel mit dem sperrbaren Mittendifferenzial das Vorwärtskommen selbst unter schwierigen Verhältnissen garantieren. Dank elektronischer Bergabfahrhilfe, diverser Offroad-Fahrprogramme, vieler elektrischer Helfer und einem 360-Grad-Kamerasystem, das selbst den Blick unters Auto ermöglicht, wird das Offroad-Fahren selbst für Ungeübte einfach.

Dass Land Rover den aktuellen Landy auf alle Fälle wieder für anspruchsvollstes Gelände entwickelt hat, wird beim Blick auf die Daten noch deutlicher. In Verbindung mit der Luftfederung (Serie beim 110) gibt es eine maximale Bodenfreiheit von 291 Millimetern. Der vordere Böschungswinkel beträgt 38, der Rampenwinkel 28 und der hintere Böschungswinkel 40 Grad.

Hinzu kommen eine maximale Wattiefe von 900 Millimetern sowie eine Steigfähigkeit von 45 Grad. Damit müssen schön mächtige Hindernisse im Weg liegen, um die Fahrt des Defender zu stoppen. Bis zu 500 Millimeter Verschränkung, 900 Kilogramm Zuladung und maximal 3,5 Tonnen Anhängelast (gebremst) qualifizieren den Defender zudem wie gehabt als vielzeitig einsetzbares Arbeitstier.

Dementsprechend haben sich die Designer trotz abgerundeter Ecken und Kanten bei Silhouette und Proportionen durchaus an dem ikonischen Vorgänger orientiert. Dafür sprechen die immer noch ziemlich steil stehende Frontscheibe, die plane Motorhaube oder die seitlich öffnende Hecktür samt dem Reserverad, die mit ihrem Anschlag rechts hierzulande eher unpraktisch ist.

Wer häufiger mit dem Defender auf Abenteuertour gehen will, dürfte das Off-Road-Paket-Plus (830 Euro) ordern mit weiteren Einstellmöglichkeiten für Fahrwerk, Antrieb und Schlupfregelung. Bei einem Testwagenpreis von 76.715 Euro sind Extras wie das in Kontrastfarbe gehaltene Dach (1000 Euro), die Drei-Zonen-Klimaanlage (1170 Euro) oder das Winterpaket (725 Euro) mit beheizbaren Scheibenwaschdüsen und Lenkradheizung zusätzlich zum bereits reichhaltigen Lieferumfang der SE-Version ebenfalls enthalten – für Puristen ist das aber wohl zu viel Komfort.

(amv)