Stuttgart : Bewährte Technik: Scheibenwischer noch immer alternativlos
Stuttgart Im Schnitt gut einen Quadratmeter groß ist eine Windschutzscheibe. Für den richtigen Durchblick bei Regen sorgt seit über 100 Jahren der Scheibenwischer, der laut der Straßenverkehrsordnung „selbsttätig wirkend” in der Lage sein muss, „ein ausreichendes Blickfeld für den Führer des Fahrzeugs” freizuwischen. Damit gemeint sind rund 80 Prozent eines definierten Sichtfeldes auf der Glasfläche.
In der Praxis bleibt es den Autoherstellern überlassen, wie sie dieser Verpflichtung nachkommen. Funktionsweise und Aufbau des Scheibenwischers sind bis auf wenige Ausnahmen aber immer gleich. „Bei 95 Prozent aller Autos werden heute Flachbalkenwischer verbaut, die keine Metallgelenke mehr haben”, erläutert Stephan Kraus vom Automobilzulieferer Bosch.
Auch bei hohen Minusgraden liegen die Blätter gut auf der Scheibe auf, weil es keine Metallgelenke wie bei den früheren Bügelwischern gibt, die zufrieren könnten. Der eigentliche Wischer arbeitet mit zwei Gummisorten. Die Wischlippe besteht aus einem härteren Gummi, der Rücken aus einem weicheren, damit der Scheibenwischer die schnellen Richtungswechsel gut mitmachen kann.
Höchst unterschiedlich ist mitunter die Anordnung der Scheibenwischer auf der Scheibe. Am weitesten verbreitet sind die parallel laufenden Wischer, einige Hersteller setzen aber auf gegenläufige Systeme oder die Einarmtechnik. Bekanntestes Beispiel hierfür ist der einarmige Panoramawischer von Mercedes-Benz, der 1982 im damaligen 190er auf den Markt kam. Ausgestattet mit einer Hubtechnik wischte er bis in die Ecken und deckte so bis zu 86 Prozent der Scheibe ab.
Eine Variante mit zwei Armen setzte Mercedes später in anderen Modellen ein. „Der Vorteil gegenüber dem Einarmwischer waren die längere Lebensdauer und weniger Schlieren”, so Heiko Schmid, der bei Daimler an der Entwicklung von Wasch- und Wischsystemen arbeitet. Die größer werdenden Scheiben hätten schließlich zur Markteinführung der bügellosen Flachbalkenwischer geführt, die auch deutlich weniger Windgeräusche produzieren.
Entscheidend für die Positionierung der Wischer sind Größe, Design und Wölbung der Windschutzscheibe. Lange setzten die Hersteller hier auf Parallelanlagen, bei denen die Wischer unter der Motorhaube durch ein Gestänge verbunden sind. „Der Platzbedarf bei dieser Technik ist aber sehr hoch. Daher gibt es seit 2011 erste Modelle mit elektronischen Motoren, bei denen die Wischer praktisch direkt auf dem Motor sitzen”, erläutert Kraus. Beschleunigt werde diese Entwicklung durch neue Techniken wie Head-up-Displays, für die der Platz unterhalb der Windschutzscheibe benötigt wird.
Trotz neuester Technik: Die Lebensdauer eines Scheibenwischers ist nicht unbegrenzt. Alle sechs Monate sollten sie gereinigt werden. „Hierzu empfiehlt sich ein einfacher Lappen. Auf keinen Fall sollte scharfer Reiniger verwendet werden, das würde den Gummi zerstören”, warnt Kraus. Denn die Lippe eines Scheibenwischers ist meist mit einer Graphitschicht veredelt. Auf keinen Fall zum Einsatz kommen dürfen die Wischer daher bei Eis.
Das Auswechseln eines Wischers ist heute relativ problemlos. Musste früher der passende Adapter für das jeweilige Fahrzeugmodell gefunden werden, kommen heute Standardclips zum Einsatz. Passende Wischer kosten zwischen 20 und 40 Euro.
Moderne Scheibenwischeranlagen kommen dem Autofahrer bei der Wartung sogar entgegen und helfen, dass die Gummis nicht unnötig beschädigt werden. „Die Serviceposition des Wischers für Inspektion und Austausch lässt sich gezielt ansteuern”, erläutert Josef Schloßmacher von Audi. Hierbei kommt der Wischerarm einige Zentimeter aus seiner Parkposition unter der Motorhaube hervor.
Als Alternative zum Wischerwechsel werden Nachschneider angeboten, mit denen die Wischlippe quasi aufbereitet werden soll. „Hierbei wird der poröse Teil weggeschnitten”, erläutert Philipp Schreiber vom TÜV Süd. Gelingt jedoch kein gerader Schnitt, ist der Wischer unbrauchbar. Bei Preisen von rund 35 Euro ist fraglich, ob sich die Investition ins Schneidegerät überhaupt lohnt.
Zwingend notwendig sind einwandfreie funktionierende Scheibenwischer in jedem Fall. „Wenn ein Wischerblatt oder ein Wischerarm fehlen, gilt dies als erheblicher Mangel der dazu führt, dass es bei der Hauptuntersuchung keine Plakette gibt”, warnt Schreiber. Gleiches gilt auch für einen vollständigen Ausfall der Spritzwasserdüsen, wenn beispielsweise die Pumpe defekt ist. Sind die Wischergummis abgenutzt und schmieren, notieren die Prüfer einen geringen Mangel. Der Heckscheibenwischer ist von dieser Regel nicht betroffen.
Obwohl der Scheibenwischer fast so alt ist wie das Auto: Eine echte Alternative dazu gibt es nicht. Eine deutliche Weiterentwicklung sind Systeme, bei denen die Spritzwasserdüsen in die Wischerblätter integriert sind. Das Ergebnis sind ein deutlich schnellerer Reinigungsvorgang und ein um 50 Prozent geringerer Wasserverbrauch. Bislang gibt es das System, das nicht nachrüstbar ist, allerdings nur für wenige Automodelle.