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Schluss mit den Verpflichtungen: Johnson verlangt Freihandelsabkommen nach Kanada-Vorbild

Schluss mit den Verpflichtungen : Johnson verlangt Freihandelsabkommen nach Kanada-Vorbild

Seit Freitagnacht ist Großbritannien aus der Europäischen Union raus. Das Königreich hat nun knapp elf Monate Zeit, ein Handelsabkommen mit der EU zu vereinbaren, bevor die Übergangsfrist Ende des Jahres abläuft. Die Verhandlungen werden frühestens Ende des Monats beginnen.

Der britische Premierminister Boris Johnson hat schon am Montagmittag in einer Grundsatzrede die Grundzüge einer künftigen Handelsbeziehung zwischen dem Königreich und der EU umrissen.

Als den Ort seiner Rede wählte der Premier das „Old Naval College“ in Greenwich, Süd-London. Von hier aus begann Großbritanniens Aufstieg als maritime Weltmacht, erinnerte Johnson. Jetzt sei man erneut an einem historischen Punkt angelangt, an dem das Land wieder zum Champion des globalen Freihandels werden könne, rief der Premierminister, und sprach von einem „mehrdimensionalen Schachspiel“, das beginnen werde, wenn das Land Freihandelsabkommen in der ganzen Welt verhandeln werde.

Auch mit der EU strebe er ein umfassendes und ambitioniertes Freihandelsabkommen an. Allerdings keinen Norwegen-Deal, bei dem das Land die EU-Regeln und den Schiedsspruch des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) akzeptieren muss. „Wir haben unsere Wahl getroffen“, sagte er, „wir wollen ein umfassendes Freihandelsabkommen ähnlich dem Kanadas.“ Das bedeutet für Johnson, dass Großbritannien „volle legale Autonomie“ behält und „keine Angleichung jedweder Art“ anstrebt, sprich: die Autorität des EuGH ablehnt und keinen Vertrag abschließt, der es zur Befolgung von EU-Normen und Produktstandards verpflichtet.

Das bedeute aber nicht, versprach der Regierungschef, dass man einen „mörderischen Verdrängungswettbewerb“ beginne: „Wir verlassen die EU nicht, um europäische Standards zu unterminieren, wir werden kein Dumping betreiben, ob kommerziell, sozial oder bei der Umwelt.“ Ob das Brüssel reichen wird, ist fraglich. Johnson will lediglich guten Willen anbieten, aber nicht durch einen Vertrag zur Befolgung gemeinsamer Normen gezwungen werden.

Vorbild Australien

Sollte kein umfassendes Freihandelsabkommen mit der EU abgeschlossen werden, sei das kein Unglück, unterstrich Johnson. Dann würde Großbritannien seine Handelsbeziehung nach dem Vorbild Australiens gestalten, und in jedem Fall würde „das Vereinigte Königreich mächtig gedeihen“. Was Johnson verschwieg, war, dass Australien zur Zeit kein Handelsabkommen, sondern nur schmale Vereinbarungen in gewissen Wirtschaftsbereichen mit der EU hat. Zudem liegt es auf der anderen Seite des Erdballs und nicht am Westrand Europas. Ein weiteres explosives Thema im Minenfeld der kommenden Verhandlungen sind Fischereirechte.

Die EU will weiteren Zugang zu britischen Gewässern. Johnson machte klar, dass es, was Quoten und Fangrechte angeht, „jährliche Verhandlungen mit der EU geben wird, die sicherstellen, dass britische Fischgründe in erster Linie für britische Boote da sind.“ Das ist ziemlich klare Kante. Mit seiner Rede hat Johnson klargemacht, dass Großbritannien von der EU wegdriften will. Ob das künftige Verhältnis von einer Partnerschaft zu einer Konkurrenz oder gar zu einer Rivalität auswachsen wird, werden die kommenden Monate zeigen.