Halbzeitwahlen am Dienstag : Die gar nicht so heimliche Trump-Wahl
Washington Präsident Trump steht in keinem der 35 Rennen für den Senat und 435 für das Repräsentantenhaus auf dem Wahlzettel. Auch bei den Wahlen für die 36 offenen Gouverneursposten in den Bundesstaaten kandidieren andere.
Dennoch verhält sich Trump so, als ginge es bei diesen Zwischenwahlen nur um ihn. Womit er nicht ganz unrecht hat.
„Midterms sind immer auch ein Referendum über den Präsidenten“, sagt der Politologe Allan Lichtman von der American University. In diesem Jahr trifft das mehr denn je auf den Amtsinhaber zu. Etwa zwei von drei Wählern sagen den Meinungsforschern, Trump sei bei ihrer Wahlentscheidung für die Kongress-Kandidaten ein Faktor. Mehr als die Hälfte der Frauen nennt die Amtsführung des Präsidenten sogar den ausschlaggebenden Faktor.
„Das ist zweifelsohne ein Referendum mit nationalem Charakter“, sagt der Direktor der Demoskopen vom „Marist Institute“, Lee Miringoff. Der Präsident weiss das. „Ich stehe nicht zur Wahl, aber ich bin auf dem Ticket“, forderte Trump kürzlich auf einer Kundgebung in Southhaven, Mississippi, seine Anhänger auf, wählen zu gehen. „Stellt Euch vor, ich stünde auf dem Wahlschein.“
Barack Obama wird wieder aktiv
Dass es bei diesen Zwischenwahlen um viel geht, gehört zu den wenigen Punkten, in denen sich die Parteien in den ansonsten hochpolarisierten Staaten von Amerika einig sind. Barack Obama kehrte deshalb aus dem politischen Ruhestand zurück, um aktiv Wahlkampf zu machen. „Diese Midterms sind die wichtigsten Wahlen in meiner Lebenszeit“, alarmierte der ehemalige Präsident seine Zuhörer an der University of Chicago. „Es könnte nicht um mehr gehen“.
Für die Demokraten sind die Zwischenwahlen die beste Chance, politisch wieder eine Bühne zu bekommen, auf der sie sichtbar werden, und dem Populisten im Weißen Haus Grenzen setzen können. Die Kontrolle über den Senat oder das Repräsentantenhaus gäbe der Opposition die Möglichkeit, große Teile der gesetzgeberischen Agenda Trumps aufzuhalten.
Mehr als das fürchtet Trump Ermittlungen zu seiner Amtsführung, Vorladungen in Untersuchungsausschüsse oder gar ein Amtsenthebungsverfahren wegen der Russlandaffäre. Letzteres könnte ihm drohen, wenn die Republikaner ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verlieren würden. Für ein „Impeachment“ selbst wird es in keinem Fall reichen, weil eine dafür notwendige Zweidrittel-Mehrheit im Senat außer Reichweite bleibt.
Die Zahlen suggerieren vordergründig bessere Chancen für die Demokraten im Senat, wo sie zwei Sitze von der Mehrheit trennen, während ihnen im Haus 23 fehlen. Tatsächlich aber verhält es sich genau umgekehrt. Denn 26 der 35 zur Wahl stehenden Senatorensessel sind mit Demokraten besetzt, während nur neun Sitze in republikanischer Hand sind. Zudem: Demokraten müssen sich in Bundesstaaten verteidigen, in denen Trump bei den Präsidentschaftswahlen eine Mehrheit holte.
Im Repräsentantenhaus befinden sich dagegen fast alle der rund
70 umkämpften Abgeordnetensitze in republikanischer Hand. Bis auf eine Handvoll Ausnahmen haben die Republikaner keine Chance, andernorts Sitze hinzuzugewinnen.
Das politische „Orakel“ Charlie Cook erwartet, wie die Mehrheit der Analysten und Demoskopen, einen Mehrheitswechsel im Repräsentantenhaus. Ob es für eine „blaue Welle“ reicht, hänge davon ab, „ob die Demokraten unter oder über der Bandbreite von 30 bis 35 Sitzen bleiben“. Im Senat seien leichte Zugewinne für die Republikaner zu erwarten.
Doch festlegen will sich niemand. Zu sehr bleibt das Debakel der Demoskopen von 2016 in Erinnerung, die einen Trump-Sieg nicht kommen sahen, weil sie von völlig falschen Wählermodellen ausgegangen waren. Das Risiko besteht auch diesmal, weil bei typischen Midterms mehr Menschen nicht wählen, als ihre Stimme abgeben. Vor vier Jahren lag die Wahlbeteiligung bei knapp über 36 Prozent.
Die Strategen wissen, was das bedeutet. Sie führen einen Lagerwahlkampf, der die eigene Basis mobilisiert und versucht, Nicht-Wähler mit starken Emotionen an die Urne zu bewegen. Hass und Hoffnung bieten sich gleichermaßen dafür an.
Trump setzt dabei auf ein Rezept, das ihm schon bei seiner eigenen Wahl geholfen hat. Er schürt die Ressentiments weißer Arbeiter, ländlicher und religiöser Wähler, die für seine national-chauvinistischen, teils offen rassistischen Botschaften empfänglich sind. Kein Thema bewegt seine Basis mehr als die Angst vor einer Überfremdung.
Die geplanten Terrorakte zuletzt verbuchte Trump als eine Art „Oktoberüberraschung“, die sein Momentum stoppten. „Wir müssen wieder in Tritt kommen“, twitterte er an seine Anhänger, die schon alle möglichen Verschwörungstheorien verbreiteten.
Weder die Serie versuchter Briefbomben-Anschläge auf Obama, Hillary Clinton und andere liberale Kritiker durch einen fanatischen Anhänger des Präsidenten noch der schwerste Anschlag gegen die jüdische Gemeinde in den USA durch einen Rechtsextremisten, bei dem elf Menschen in Pittsburgh ums Leben kamen, bewegten Trump dazu, seinen Ton im Wahlkampf zu verändern.
Das Weiße Haus drängte darauf, entgegen der Wünsche der Betroffenen am Tag der ersten Beerdigungen der Opfer des Massakers in der „Tree-of-Life“-Synagoge nach Pittsburgh zu kommen. Zwischen Wahlkampfstopps zu kommen, „wäre keine gute Optik gewesen“, hieß es zur Begründung für den eiligen Termin.
Nach ein paar salbungsvollen Worten machte Trump weiter als ob nichts gewesen wäre. Er hetzt unvermindert gegen eine „Karawane“ an „Invasoren“ aus Zentralamerika, in der sich „böse Kerle“ und „auch ein paar aus dem Nahen Osten“ versteckten, beschimpft Journalisten als Volksfeinde und kriminalisiert zum Entzücken seiner Anhänger seine politischen Gegner. Trotz des versuchten Briefbombenanschlags gegen Hillary Clinton skandieren die Trumper bei Kundgebungen ungerührt: „Sperrt sie ein!“.
Wie kein Präsident vor ihm instrumentalisiert er sein Amt für den Wahlkampf. Er schickt tausende Soldaten an die Grenze, um die USA gegen eine fiktive Invasion zu verteidigen. Trump verspricht ohne jedwede Erfolgsaussichten, die in der Verfassung verbriefte Staatsbürgerschaft bei Geburt per Federstrich abzuschaffen, und erfindet eine Steuerreform für die Mittelklasse, von der außer ihm niemand etwas weiß. In den letzten Tagen des Wahlkampfs hat er sich den Terminkalender mit elf Kundgebungen in acht Bundesstaaten vollgepackt, um seine, wie Kritiker sagen, „Botschaft aus Furcht und Hass“ unters Volk zu bringen.
„Fremdenangst und Einwanderer-Hetze hat es schon früher gegeben“, meint der Historiker Douglas Brinkley. Neu daran sei, dass der Präsident selber die Schmutzarbeit übernehme. „Wenn er damit wieder Erfolg hat, zeigt dies, wie stark diese Strömung ist.“
Problem Nationale Identität
Der republikanische Stratege Alex Conant meint, Trumps Strategie, auf nationae Identität zu setzen, sei ein zweischneidiges Schwert. „In einem tief-republikanischen Staat ist das großartig, aber in Wechselwähler-Bezirken bekommt er Probleme.“ Das heißt, bei Senatswahlen wie in Indiana, North Dakota, Tennessee oder Texas könnte die Saat aufgehen, nicht aber in den bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus umkämpften suburbanen Wohngebieten, in denen sich vor allem Frauen scharenweise von den Republikanern absetzen.
Darauf setzten die Demokraten, die Trumps Agitation weitgehend ignorieren und ihren großen Vorsprung bei der Einwerbung von Wahlkampfspenden dafür nutzen, die Themen Gesundheit und Rentensicherheit in den Vordergrund zu schieben. „Die Republikaner versuchen alles, davon abzulenken, was sie getan haben, um den Amerikanern ihre Krankenversicherung wegzunehmen“, sagt Nancy Pelosi, die bei einer Mehrheit im Repräsentantenhaus wieder Speakerin wäre.
Mit großer Spannung erwarten Beobachter auch den Ausgang der Gouverneurswahlen, die den Demokraten bis zu zehn neue Regierungschefs in den Bundesstaaten bringen könnten. Darunter im Südstaat Georgia die erste schwarze Regierungschefin Stacey Abrams und in Florida den ebenfalls ersten Afro-Amerikaner Andrew Gillum. Letzteren nannte Trump übrigens kürzlich mit klar rassischen Untertönen einen „Dieb“. Wie die Wahlen an diesem Dienstag verlaufen, hängt entscheidend davon ab, wer seine Stimme abgibt. Gewiss scheint nur soviel: Diese „Midterms“ sind eine Schicksalswahl für Amerika und ein Referendum über Donald Trump.