Neue Biografie über Armin Laschet : „Er ist anders als andere Machtmenschen“
Aachen/Düsseldorf Der politische Aufstieg des Mannes aus Aachen-Burtscheid, der nach eigenen Angaben nie in eine Partei eintreten wollte, kam für viele überraschend. Das und mehr wird in einer neuen Biografie über Armin Laschet behandelt.
„In NRW hätte es noch vor ein paar Jahren niemand für möglich gehalten, dass der Laschet, der ja schon immer so war, wie er jetzt ist, Ministerpräsident wird und das drei Jahre recht unfallfrei macht“, sagt der Journalist Tobias Blasius. Gemeinsam mit seinem Kollegen Moritz Küpper vom Deutschlandfunk hat er eine Biografie über Armin Laschet geschrieben, die beantworten soll, wie dem Christdemokraten dieser politische Aufstieg gelungen ist und was die Bürger erwartet, sollte er sich als Kanzlerkandidat innerhalb der Union durchsetzen.
Blasius und Laschet kennen sich seit 15 Jahren. Damals brachte sie ihre Arbeit in Brüssel zusammen. Blasius war dort EU-Korrespondent, Laschet Abgeordneter des Europäischen Parlaments. Über die Jahre standen beide in beruflichem Kontakt. Zum Schreiben einer Biografie reichen die Informationen aber nicht aus. Küpper und Blasius klopften daher bei engen Freunden, alten Kontrahenten, Verwandten und Weggefährten an und ließen sich schließlich von Laschet selbst durch Burtscheid führen.
„Er hat uns den Ort gezeigt, aus dem er kommt und der ihn zu dem gemacht hat, der er ist“, sagt Blasius. In dem Kapitel „Der Öcher“ legen die Autoren das Fundament für ihre weiteren Ausführungen über Laschets Persönlichkeit, mit ausladenden Passagen über seine Nachbarschaft, Exkursen zu seinen Weggefährten und den Schulen, die er besucht hat. „Man versteht Laschet nicht, ohne seine Verbundenheit mit der Heimat zu verstehen“, sagt Blasius. Die gesamte Biografie ist daher gespickt mit kleinen Anekdoten, witzigen Szenen, peinlichen Momenten, Hochs und Tiefs, die mal interessant, mal eher langatmig und ausschweifend, aber immer mit handwerklichem Geschick geschrieben sind.
Die Autoren zeichnen ein klares Bild: Familie, Karneval, enge Jugendfreunde, die Kirche und eine Orientierung an einem christlichen Menschenbild machten Armin Laschet zu der Person, die er ist. Die Person, die er im Alter von 15 laut Blasius und Küpper auch schon war. „Diese Themenkonstante von den frühen 80er Jahren in Aachen bis heute, die man bei Laschet ausmachen kann, gibt es nur bei wenigen Spitzenpolitikern“, sagt Blasius. „Was ihn damals umgetrieben hat, treibt ihn heute noch um, wie beispielsweise die Einigung Europas und die Liberalisierung der Union.“
Nicht immer schmeichelhaft
Die Darstellung Laschets ist zuweilen nicht gerade schmeichelhaft. „Ziel des Buches war, einen realistischen, fairen und angemessenen Blick auf Laschet zu werfen“, sagt Blasius. „Es ging weder um Schönfärberei noch darum, ihn in Grund und Boden zu schreiben.“ Und doch erlauben sich die Autoren ab und an ein eigenes Urteil. So wird Laschet als der beschrieben, der aufsteigt, weil sich andere diskreditieren. Der auf Posten kommt, weil niemand anderes sie will. Laschet verbuche mehr Niederlagen als Siege, aber wisse mit diesen Niederlagen besser umzugehen als viele andere Spitzenpolitiker, weil sie seine Unverwüstlichkeit noch stärken, sagt Blasius. Laschet hadert und wartet ab, statt mit den Hufen zu scharren und am Zaun des Kanzleramts zu rütteln. Und: „Laschet spricht, wenn er schweigen sollte. Er tobt, wenn er ruhig bleiben sollte. Er lässt sich ablenken, wenn er fokussiert sein sollte. In der Krise führt Laschet vor, wie bei ihm aus richtigen Einfällen zuweilen falsche Entscheidungen werden und aus guten Ideen schlechtes Handwerk“, schreiben die Autoren in der Biografie.
Laschet habe sich entschieden, immer und in jedem Fall authentisch bleiben zu wollen, sagt Blasius. Aus diesem Grund haben ihn die Autoren „der Machtmenschliche“ getauft. „Er ist natürlich Machtmensch, der seit drei Jahrzehnten in der Politik ist. Aber er ist anders als andere Machtmenschen und zeigt alle Stärken und alle Schwächen.“
Blasius ist überzeugt, dass die Corona-Pandemie einmal mehr gezeigt hat, dass nicht der Umgang mit der Krise für Laschet ein Problem ist, sondern die Vermittlung seiner Politik. „Da wirkte er doch sehr flatterhaft und sehr fahrig, und das macht Menschen in der Krise Angst. Laschets Performance war deutlich schlechter als sein Programm“, sagt Blasius. Dafür habe er andere Vorteile und vor allem: wenig Feinde in der Partei. „Es ist ein entscheidender Vorteil von Armin Laschet, dass es viele Menschen in der CDU gibt, die ihn vielleicht sogar persönlich mehr mögen, als sie ihn fachlich schätzen“, sagt der Autor.
Am Ende bleibt es eine Biografie über Armin Laschet – nicht von ihm selbst. Es ist eine äußerst detaillierte Annäherung. Bei dem Versuch, den Menschen Armin Laschet zu greifen, kommen die Autoren ihm viele Male sehr nahe. Und doch müssen sie immer kurz vor seinem Innersten kapitulieren. So lassen die Journalisten die wichtigste Frage bewusst offen: Hat Laschet das Zeug, die Bundesrepublik Deutschland zu regieren?
„Wer NRW regieren kann, kann sicherlich auch Deutschland regieren“, sagt Blasius. „Die Frage ist bloß, wie dieses Regieren aussehen wird.“ Man werde sich wohl umgewöhnen müssen, sagt der Autor. „Laschet ist viel emotionaler, viel diskursfreudiger. Er regiert spontaner und wurstiger, als es die Deutschen in den vergangenen 16 Jahren von Angela Merkel gewöhnt waren.“ Bei einem Punkt sind sie sich aber sicher: „So, wie Laschet sich als Politiker gibt, ist er auch privat. Laschet ist unbelehrbar in der Hinsicht, stets er selbst bleiben zu wollen, was in der Politik nicht immer ein Vorteil ist“, sagt Blasius.