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Aachen: „Tebartz-Effekt“? Hilfswerke befürchten Einbußen

Aachen : „Tebartz-Effekt“? Hilfswerke befürchten Einbußen

Die Affäre um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst hat die katholische Kirche in eine neuerliche Krise gestürzt. Konkret geht es um den verantwortungslosen Umgang mit Geld und in der Folge um die (verdeckten) Vermögen der Bistümer.

Das Vertrauen der Menschen ist erschüttert: Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage für den „Stern“ von Ende Oktober halten 65 Prozent der deutschen Katholiken ihre Kirche für wenig oder überhaupt nicht glaubwürdig. Rund ein Fünftel denkt demnach sogar über einen Austritt nach. Im Bistum Aachen haben im Oktober 580 Menschen der katholischen Kirche den Rücken gekehrt, wie eine Umfrage unserer Zeitung bei den Amtsgerichten in der Region ergeben hat. Damit droht dem hiesigen Bistum ein Negativrekord wegen des „Tebartz-Effekts“.

Diesen Effekt fürchten nun auch die kirchlichen Hilfsorganisationen. Die Affäre platzt mitten hinein in die für sie wichtigste Zeit des Jahres: Im Herbst und Winter, vor allem in der Advents- und Weihnachtszeit, rufen Missio, Adveniat, Sternsinger oder Misereor besonders zu Spenden auf.

Missio ist das erste Hilfswerk in dem Reigen, das die Affäre zu spüren bekam. Das Werk mit Sitz in Aachen veranstaltet seinen „Monat der Weltmission“ traditionell im Oktober — und ausgerechnet da erreichte die Affäre um Tebartz-van Elst ihren vorläufigen Höhepunkt. Konkrete Aussagen über die Entwicklung des Spendenaufkommens in den vergangenen drei Monaten oder über das Ergebnis der Kollekte zum „Sonntag der Weltmission“ am 27. Oktober gibt es zwar noch nicht, weil noch Rückmeldungen aus den Gemeinden ausstehen. Aber, wie Missio-Präsident Klaus Krämer auf Anfrage unserer Zeitung sagt: „Wir rechnen mit Einbußen. Dies wird dann natürlich auch Konsequenzen für die Projektfinanzierung haben.“ Von einer Gefährdung aktuell laufender Projekte möchte Krämer aber „zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht sprechen“.

Krämer ist auch Präsident des Kindermissionswerks „Die Sternsinger“. Auf die im Januar anstehende Aktion blickt er „mit leichter Sorge“ und hofft, dass „die Kinder nicht für die Vorgänge im Bistum Limburg in Haftung genommen werden“.

Ähnlich äußert sich auch Christian Frevel, Sprecher des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, mit Blick auf die anstehende Weihnachts-Kollekte: „Es geht ja nicht darum, in einer Kollekte Schuldige abzustrafen, sondern es geht darum, den Armen zu helfen. Und ein Protest bei der Kollekte trifft sicherlich die Falschen.“

Krämer und Frevel gehen aber auch davon aus, dass die Menschen — bei aller berechtigten Kritik am Finanzgebaren des Limburger Bischofs — differenzieren. So sagt Krämer mit Blick auf die oben genannte Forsa-Umfrage, dass man zusätzlich auch fragen könne, für wie glaubwürdig die Arbeit der kirchlichen Hilfswerke erachtet wird. „Ich glaube, da würden die Werke nicht so schlecht abschneiden.“

Auch bei Misereor gibt es die Hoffnung, dass die Limburg-Affäre langfristig gesehen keinen Einfluss auf die Spendenbereitschaft hat. Auf Anfrage teilt das in Aachen ansässige Hilfswerk mit: „Wir vertrauen darauf, dass unsere Spender unterscheiden zwischen dem, was die aktuelle Debatte über die katholische Kirche in Deutschland betrifft, und der Arbeit eines kirchlichen Hilfswerks, das sich weltweit in über 3100 Projekten für die Bekämpfung von Armut, Ungerechtigkeit und Menschenrechtsverletzungen einsetzt.“

Diese These stützt in gewissem Maße auch Burkhard Wilke, Leiter des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI), das seit 1991 soziale und karitative Nichtregierungsorganisationen auf die Verwendung ihrer Spendengelder prüft und ein Siegel für Seriosität und Transparenz vergibt. 40 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland spende regelmäßig an Organisationen, erklärt Wilke im Gespräch mit unserer Zeitung. Vergangene Krisen, etwa die Unicef-Krise 2007/2008, hätten gezeigt, dass dadurch eher Nicht-Spender in ihrem Verhalten bestärkt werden. Die Spendenbereiten würden dann hingegen eine andere Organisation wählen, die sie unterstützen.

Das bedeutet freilich, dass es sehr wohl einen „Tebartz-Effekt“ geben kann, das Spendenaufkommen in Deutschland insgesamt deswegen aber nicht sinken muss. Wilke: „Das wäre doppelt ungerecht, weil die kirchlichen Hilfsorganisationen den Bistümern, was Effizienz und Transparenz anbelangt, weit voraus sind.“

Aufmerksam, aber deutlich weniger angespannt, betrachtet die evangelische Seite die Entwicklung. Eine Veränderung im Spendenaufkommen habe es im Oktober nicht gegeben, sagt Dieter Pool, Sprecher von Brot für die Welt, unserer Zeitung. Er geht davon aus, dass das Hilfswerk von der Limburg-Affäre „nicht besonders tangiert wird“: „Ich glaube, dass wir einen großen Schnee-Einbruch an Heiligabend stärker spüren, wenn statt zehn Millionen nur acht Millionen Menschen in die Kirche gehen.“