Dublin/London : Iren wählen Modernität, „Wärme und Würde“
Dublin/London Staatspräsident Higgins wird als Versöhner wiedergewählt. Große Mehrheit stimmt gegen Blasphemieparagraphen.
Mit großem Vorsprung hat Michael D. Higgins die Wahl zum Präsidenten der Irischen Republik gewonnen. Der 77-Jährige triumphierte mit 56 Prozent der Stimmen vor dem zweitplatzierten Unternehmer Peter Casey, der auf 23 Prozent kam.
Der kleinwüchsige, weißhaarige Higgins wirkt nicht nur äußerlich als eine Großvaterfigur, der über kleinliche politische Scharmützel erhaben und daher bei den Iren sehr beliebt ist. Als sich der Menschenrechtsaktivist, Sozialdemokrat, ehemalige Universitätsprofessor für Soziologie und Pazifist 2011 erstmals um das Amt des Staatspräsidenten bewarb, war seine Botschaft die eines Versöhners, der dem von der Wirtschafts- und Schuldenkrise gebeutelten Land wieder „Wärme und Würde“ zurückgeben will. Seine Wiederwahl akzeptierte Higgins am Wochenende mit „Demut, Entschlossenheit und Begeisterung“.
Zusammen mit der Präsidentenwahl fand eine Volksabstimmung über eine Änderung der irischen Verfassung statt. Ab sofort ist Blasphemie im einstigen Lieblingsland der Päpste nicht mehr verboten. Gotteslästerung konnte bisher noch mit einer Geldbuße von 25 000 Euro geahndet werden. Jetzt haben sich 65 Prozent der Iren dafür ausgesprochen, den Straftatbestand aus der Verfassung zu streichen. Der Schritt, erklärte Premierminister Leo Varadkar, „ist ein wichtiger Teil unserer Reform der Verfassung, um unser Land moderner zu machen“.
Varadkar spielte damit darauf an, dass die Sozialgesetzgebung Irlands lange Zeit von der katholischen Lehre geprägt war. Homosexualität war noch bis 1993 strafbar, die zivile Ehescheidung wurde erst 1995 legalisiert. Doch in den letzten Jahren hat sich das Land von dem Einfluss der katholischen Kirche energisch abgenabelt. 2015 entschieden die Iren in einem Volksentscheid, die gleichgeschlechtliche Ehe zuzulassen. Und in diesem Jahr stimmten sie ebenfalls in einem Referendum und ebenfalls mit deutlicher Mehrheit dafür, das drakonische Abtreibungsverbot aufzuheben.
Während der katholische Klerus im Wahlkampf gegen die Zulassung des Schwangerschaftsabbruchs deutlich Front gemacht hatte, wollten die Bischöfe, als es jetzt um die Abschaffung des Blasphemieparagraphens ging, erst gar keinen Widerstand leisten, da er, wie sie einräumten, „mehr oder weniger obsolet“ gewesen sei. Tatsächlich ist deswegen niemand jemals wegen Gotteslästerung in Irland verurteilt worden. Doch die Streichung des Blasphemie-Straftatbestandes ist vor allem ein symbolischer Akt. Nächster Reformschritt soll die Streichung eines Verfassungsparagraphen sein, der die häuslichen Pflichten von Frauen festlegt.