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Düsseldorf: Laschet und die neue Macht der Bundesländer

Düsseldorf : Laschet und die neue Macht der Bundesländer

Wer bislang ernsthaft daran gezweifelt hat, ob es denn zu einer großen Koalition kommen wird, hätte am Montagabend die WDR-Talkshow „Hart aber fair“ schauen sollen. Da saßen in größter Eintracht Hannelore Kraft (SPD) und Armin Laschet (CDU) nebeneinander.

Scherzten, verteidigten gegen Gregor Gysi (Linke) und Anton Hofreiter (Grüne) die politischen Standpunkte, über die in den Koalitionsverhandlungen bereits Einigkeit herrscht, und wirkten auch sonst überaus harmonisch.

Wer das einträchtige Bild sah, hätte wohl nicht gedacht, dass die beiden eigentlich politische Konkurrenten sind. Sie — Ministerpräsidentin vom rot-grün regierten NRW, die lange gegen das Zusammengehen mit der Union gewettert hat. Er — in Düsseldorf Landesvorsitzender der CDU, dessen Traumkoalition unter den gegebenen Bedingungen eigentlich Schwarz-Grün ist.

Nun ließe sich die Harmonie mit dem Ende des Wahlkampfs erklären und der von CDU, CSU und SPD ausgerufenen Friedenspflicht. Das mag auch eine gewisse Rolle spielen, überdeckt aber einen Aspekt, der bei diesen Koalitionsverhandlungen eine gewaltige Rolle spielt: die neue Macht der Länder.

„Energie entscheidend für NRW“

Die Arbeitsgruppe (AG) Energie, der Kraft als SPD-Leiterin und Laschet als starker Mann aus NRW angehören, verdeutlicht das wie wohl keine andere Verhandlungsgruppe. „Das Spannende in dieser Gruppe ist, dass es in den Ländern verschiedene Interessen gibt und wir quer über die Parteigrenzen verhandelt haben“, sagt Laschet im Gespräch mit unserer Zeitung, einen Tag nachdem die AG ihr Energiekonzept vorgelegt hat.

Und in der Tat. Schaut man sich die Besetzung an, kann man zu dem Ergebnis kommen, dass Laschets härteste Verhandlungsgegner nicht in der anderen Partei, sondern in einem anderen Bundesland sitzen. Andreas Jung aus Baden-Württemberg etwa, der auf seiner Webseite Kohle, Atom und Fracking eine Absage erteilt und für mehr erneuerbare Energien wirbt. Oder Ingbert Liebing, Unionsmann aus Schleswig-Holstein, der für Windenergie und Bürgerwindparks plädiert. Nicht zuletzt Josef Göppel aus Bayern, der als grünster Kämpfer der Union gilt.

Ganz anders dagegen die Interessen des NRW-CDU-Chefs Laschet. Er ist stellvertretender Bundesvorsitzender, muss als Landeschef aber auch die Interessen von Nordrhein-Westfalen im Blick haben. Das sei auch der Grund, warum er in die Energie-AG gegangen sei, obgleich er bislang eher als Fachmann für Themen wie Familien-, Migrations- und Außenpolitik galt. „Für unser Land ist das die alles entscheidende Arbeitsgruppe“, sagt Laschet. Ähnlich hat sich auch Hannelore Kraft entschieden, die bislang ebenfalls nicht als ausgewiesene Energieexpertin aufgefallen ist.

Natürlich müsse die Energiewende weitergehen; in jüngster Zeit habe der Fokus aber zu stark auf den Themen Klimaschutz und Ausbau der erneuerbaren Energien gelegen. Dabei seien zwei Dinge aus NRW-Sicht entscheidend: zum einen der Strompreis für normale Verbraucher, der aus Laschets Sicht wegen der EEG-Umlage aus den Fugen gerät. Zum anderen die Arbeitsplätze, die an der Energiefrage hängen, weil kleine Betriebe immer mehr für Energie zahlen müssten.

Die EEG-Umlage versuche man über die Deckelung der Förderung für die Erneuerbaren in den Griff zu bekommen. Einig sei man sich auch, dass die Befreiung von der Umlage für die Industrie neu konzipiert werden müsse. „Aluminium-, Stahl- und Chemiebranche müssen befreit bleiben, weil sie sehr energieintensiv sind und im internationalen Wettbewerb stehen“, sagt Laschet. Bei anderen Branchen werde eine Befreiung überprüft. Laschet warnt jedoch vor übertriebenen Hoffnungen bezüglich des Strompreises. „Die Rabatte sind nicht das entscheidende Problem, sondern die exorbitante Förderung von Solar- und Windkraftanlagen“, so Laschet.

Mächtige SPD-Landesfürsten

Kraft würde ihm hier genauso wenig widersprechen wie bei der Frage nach Arbeitsplätzen bei den Energieversorgern. Zu denen gehörten viele Stadtwerke, die in der Vergangenheit große Investitionen getätigt hätten, die sich nicht mehr lohnen. „Dabei geht es um Arbeitsplätze, aber auch um die Frage der Versorgungssicherheit, für die wir mittelfristig die Gas- und Kohlekraftwerke noch brauchen“, sagt Laschet, um hinterherzuschieben: „Da bin ich mir mit Hannelore Kraft einig.“ Weniger einig ist sich offensichtlich die SPD.

Obwohl in der AG Energie mit Stephan Weil, Ministerpräsident von Niedersachsen, ein SPD-Vertreter aus einem Bundesland mit vielen Windkraftanlagen die Beschlüsse mitträgt, regt sich bereits Widerspruch aus einem anderen SPD-geführten „Windland“. Erwin Sellering, Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, kritisierte das Vorhaben, den Offshore-Ausbau zu drosseln und kündigte Widerstand in der großen Koalitionsrunde an. Auch er fürchtet den Verlust von Arbeitsplätzen. Nicht in der Aluminium-, sondern eben in der Windkraftindustrie.

Und so wird man in den Verhandlungen noch mit einigen Querschüssen von SPD-Landesfürsten rechnen können. Sie verleihen der Partei, die — das scheinen einige vergessen zu haben — auf Bundesebene das zweitschlechteste Ergebnis der bundesdeutschen Geschichte eingefahren hat, das nötige Gewicht, um bei den Koalitionsverhandlungen fast auf Augenhöhe mit der Union agieren zu können. „Die SPD stellt nun mal viele Ministerpräsidenten, deren Macht in den Verhandlungen berücksichtigt werden muss“, so Laschet.

Die Macht der Ministerpräsidenten ist das eine, die der SPD-Mitglieder das andere. Denn über den Verhandlungen hängt das Damoklesschwert des Mitgliedervotums, mit dem die Partei den Koalitionsvertrag absegnen lassen will. Eine reine Inszenierung, mit der das Parteivolk stillgehalten werden soll? Ein Druckmittel, mit dem sich unliebsame Forderungen der Union bereits in den Koalitionsverhandlungen abbiegen lassen? Nach dem Motto: „Also das können wir unserer Basis nun wirklich nicht zumuten.“

Nein, sagt Laschet. „Das juckt uns relativ wenig.“ Das seien normale Verhandlungen, in denen natürlich Kompromisse geschlossen werden müssten, man aber nicht alle möglichen Zugeständnisse mache, nur um die SPD-Basis gnädig zu stimmen. „Wir verhandeln und kommen dann zu einem Ergebnis.“ Wenn die Partei dann Nein sage, dann sei das eben so.

Als Alternative gibt es da ja immer noch Schwarz-Grün. Eine Farbkombination, für die das Mitglied der früheren schwarz-grünen Pizza-Connection schon immer offen war. Nicht erst seit die SPD angekündigt hat, dass sie auf dem kommenden Parteitag dem kategorischen Ausschließen einer Koalition mit der Linkspartei ein Ende machen will, ist den meisten in der Union klar, dass sie sich in Richtung Grüne öffnen müssen. Laschet sowieso. „Die Grünen haben gesagt, dass sie das Telefon beim Scheitern einer großen Koalition wieder abheben“, sagt er.

Ob er mit denen ein ähnliches Energiekonzept durchsetzen kann wie mit Frau Kraft? Das wiederum ist eine andere Frage.