1. Politik

Berlin: Kritik von allen Seiten an der Erbschaftsteuer

Berlin : Kritik von allen Seiten an der Erbschaftsteuer

Nach monatelanger Debatte will das Bundeskabinett heute den Gesetzentwurf zur Reform der Erbschaftsteuer beschließen. Wie aus Regierungskreisen verlautete, wurden im Vergleich zum Anfang Juni vorgelegten Referentenentwurf nur leichte Änderungen vorgenommen.

Am von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) entwickelten Grundkonzept habe sich nichts geändert. Wirtschaftsverbände kritisierten vor allem die Berücksichtigung von bereits vorhandenem Privatvermögen bei der Besteuerung.

Von der Erbschaftsteuer verschont bleiben künftig nur noch Unternehmen mit bis zu drei Mitarbeitern. Bei ihnen soll die sogenannte Lohnsummenprüfung entfallen, die über einen Vergleich der gezahlten Löhne über einen bestimmten Zeitraum hinweg einen Fortbestand der Arbeitsplätze gewährleisten soll. Nicht mitgezählt werden sollen künftig Mitarbeiter, die in Mutterschutz oder Elternzeit sind sowie Auszubildende und Langzeiterkrankte. Damit fallen mehr Betriebe unter die Drei-Mitarbeiter-Grenze.

Ausgedehnt wurde der Übergangskorridor für Betriebe mit mehr als drei Beschäftigten. Neben der Gruppe von Firmen mit vier bis zehn Mitarbeitern gibt es eine weitere mit elf bis 15 Mitarbeitern. Firmen mit vier bis zehn Mitarbeitern können unter bestimmten Bedingungen ebenfalls von der Steuer befreit werden.

Erhöht wurde auch der Grenzwert für die sogenannte Bedürfnisprüfung: von 20 Millionen auf 26 Millionen Euro. Für typische Familienunternehmen, bei denen Ausschüttungs-, Stimmrechts- und Veräußerungsbeschränkungen gelten, steigt der Grenzwert von 40 auf 52 Millionen Euro. Kritiker hatten einen Grenzwert von 100 Millionen Euro gefordert.

Wirtschaftsverbände lehnen auch den jüngsten Koalitionskompromiss als nicht ausreichend ab. Der Opposition und den Gewerkschaften gehen die vorgesehenen Begünstigungen hingegen zu weit. „Eine Erbschaftsteuer, die für weniger als ein Prozent aller Unternehmenserben greift, ist weder gerecht noch verfassungsfest“, sagte Grünenchefin Simone Peter. Der Verband „Die Familienunternehmer“ sprach hingegen von einem „katastrophalen Kuhhandel“ zulasten der Betriebe.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) bemängelte, neben der Anhebung gebe es Verschlechterungen an anderer Stelle. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) kritisierte, dass noch immer das Privatvermögen eines Unternehmenserben herangezogen werden solle. „Damit wird das vererbte Privatvermögen systemwidrig doppelt besteuert“, beklagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer. BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber mahnte zudem, der Erhalt von Arbeitsplätzen müsse im Vordergrund stehen.

Nach DGB-Einschätzung geht es den Kritikern aber gar nicht um die Arbeitsplätze. „Das ist lediglich ein schlechtes Feigenblatt, um die Schonung großer Vermögen zu kaschieren“, sagte Vorstandsmitglied Stefan Körzell.

Die Linke warf der Koalition vor, sie sei vor den Firmenerben eingeknickt. Die Einnahmen durch vermögensbezogene Steuern seien fast nirgendwo so niedrig wie in Deutschland, kritisierte Parteichef Bernd Riexinger.

Auch Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) ist nicht ganz zufrieden. Dass kleinere Betriebe von der Steuer verschont blieben, bewertete er als positiv. „Zugleich hätte ich mir mehr Verständnis für die besonderen Herausforderungen familiengeführter Mittelständler und ihre Bedeutung für viele Tausend Arbeitsplätze in Deutschland gewünscht.“

(afp/dpa)