Kommentiert: Nach rinks oder lechts?
Meinung Die SPD ist endlich offen — und das auch noch auf allen Ebenen. Was will die Republik mehr? Die Entscheidung soll nach unbestätigten Gerüchten in den frühen Morgenstunden in der Koalitionsarbeitsgruppe Mobilität und Flexibilität gefallen sein.
Angeblich waren die Unionsunterhändler gerade eingeschlafen; da haben die Genossen geistesgegenwärtig mal schnell abgestimmt, um den Konservativen zu zeigen, was mobil heißt. Nämlich: Wenn man im intensiven Ringen mit den Bürgerlichen drei Mal nach rechts abbiegt und dann stramm geradeaus fährt, kommt man — eben! — nach links. Die SPD: clever bis zum Gehtnichtmehr! Einzigartig!
Die bisherigen Wochen der Koalitionsverhandlungen mit der Union haben damit also das erste konkrete Ergebnis: „Für die Zukunft schließen wir keine Koalition (mit Ausnahme von rechtspopulistischen oder -extremen Parteien) grundsätzlich aus.“ So will es der SPD-Vorstand. So soll es der Bundesparteitag morgen beschließen. Wann die „Zukunft“ beginnt, noch vor oder erst nach Weihnachten, ist egal. Es wird beschert.
Maut, Merkel, Mitglieder
Die Sozialdemokraten haben ihr desaströses Wahlergebnis vom 22. September längst nicht überwunden — kein Wunder. Der Abstand zu CDU/CSU ist einfach zu groß und deprimierend. Weil die Grünen der SPD-Parteispitze die Entscheidung, ein Bündnis mit der Union einzugehen, nicht abgenommen, sondern sich zurückgezogen haben, setzen die Spitzengenossen gezwungenermaßen auf die große Koalition. Die Alternativen wären kaum erfolgversprechend.
Nun hat die Republik aber auch einen Anspruch darauf, dass beide Seiten dieses Projekt seriös und mit dem Willen zum Erfolg angehen. Das ist leider nicht der Fall. Seit Wochen verlieren sich ungezählte Verhandler, Unterhändler, Arbeitsgruppen und Spezialisten in Kleinigkeiten. Einig sind sie sich nur, dass man Geld hat und es ausgeben will.
Die kleinste der drei beteiligten Parteien reitet auf ihrer blödsinnigen Forderung nach einer Autobahn-Maut herum, die ökonomisch wie ökologisch sinnlos und sozial ungerecht ist. Die CDU ist von ihrem eigenen Erfolg, dass Merkel Kanzlerin bleibt, schon so berauscht, dass sie inhaltlich keine Ambitionen erkennen lässt. Die SPD hat ein paar Tage lang den Eindruck vermittelt, dass sie konstruktiv um die Sache ringt und mit einer schwarz-roten Koalition etwas erreichen will.
Jetzt aber dieser Leitantrag: Gabriel braucht ihn, weil er morgen wieder zum Parteichef gewählt werden möchte. Auch die Zustimmung seiner Mitglieder zur schwarz-roten Koalition will er sich mit einem großen Schritt nach links erkaufen. So stellt er sich eine durchdachte, in sich logische Politik vor. Das Risiko oder — je nachdem — die Chance wächst, dass die Basis diese Logik nicht versteht und beim Mitgliedervotum über den Koalitionsvertrag mit der Union auf den Gedanken kommt, dass Gabriel doch direkt zu Gysi wandern soll, wenn er eh schon die roten Schuhe poliert. Und dann? Dann lehnen die Genossinnen und Genossen Schwarz- Rot ab?
Der Weg in den Keller
Es wird nicht geschehen. Wenn die SPD die große Koalition verweigert, wenn sie ablehnt, was die eigene Parteispitze ausgehandelt und als Erfolg dargestellt hat, wandert Gabriel — ob in roten oder schwarzen Schuhen — nirgendwo mehr hin. Dann sind er und sein Parteivorstand erledigt. Und die SPD wandert auch nicht nach links statt nach rechts, sondern bei einer fälligen Neuwahl in den Keller. Denn jetzt ist noch nicht „Zukunft“.
Das ist das Unerklärliche und das wirklich Unseriöse an der Sache: Die Linke hat gar nichts getan; sie hat sich nicht geändert. Wenn sie irgendwann mal ihr „Godesberg“ geschafft haben sollte (wie die SPD 1959 mit dem Bekenntnis zur Sozialen Marktwirtschaft, zu Bundeswehr und Nato), könnten die Sozialdemokraten über Koalitionen und deren Bedingungen nachdenken. Bis dahin gilt: Das einflussreichste Land in Europa, dessen Außenpolitik in erster Linie verlässlich, partnerschaftlich und rücksichtsvoll sein muss, kann man mit der Linken nicht regieren.