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MPK-Gipfel: Impfstatus soll nach sechs Monaten ablaufen

MPK-Gipfel : Impfstatus soll nach sechs Monaten ablaufen

Scholz und Habeck mit Symphatien für allgemeine Impflicht. NRW plant, Clubs und Bars wieder zu schließen. Apotheker und Zahnärzte sollen mit impfen.

Der voraussichtliche neue Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat in einer Bund-Länder-Schalte am Dienstag Sympathien für eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus gezeigt. Die Abstimmung darüber im Bundestag solle ohne Fraktionszwang stattfinden, sagte Scholz in der Runde, wie die Deutsche Presse-Agentur übereinstimmend aus mehreren Quellen erfuhr.

Auch Grünen-Chef Robert Habeck fordert, sofort mit den Vorbereitungen für eine allgemeine Impfpflicht zu beginnen. „Natürlich wäre eine Impfpflicht ein weitgehender Eingriff in die Freiheit des Einzelnen. Aber sie schützt eben Leben und letztlich auch die Freiheit der Gesellschaft“, sagte Habeck am Dienstag. „Um in Zukunft die Oberhand zu behalten und eine fünfte Welle zu verhindern, müssen wir jetzt die Vorbereitungen für eine allgemeine Impfpflicht treffen.“

Eine hohe Impfquote sei die beste Chance, auf lange Sicht einen Kollaps des Gesundheitssystems zu verhindern, Menschenleben zu retten und langfristig zu einer neuen Normalität zurückkehren zu können, sagte Habeck, der nächste Woche als Vizekanzler und Minister für Wirtschaft und Klimaschutz der neuen Bundesregierung vereidigt werden soll. „Hierfür gilt es jetzt umgehend die Weichen zu stellen.“

In der Videoschalte berieten die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten mit Scholz und der geschäftsführenden Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die aktuelle Corona-Lage. Details sollen bis Donnerstag ausgearbeitet werden, um dann zu gemeinsamen Beschlüssen zu kommen, wie Regierungssprecher Steffen Seibert am Dienstag mitteilte.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach hinterher von einem „guten, produktiven Gespräch“, bei dem „die Richtung gestimmt“ habe. Man sei beim Thema Impfen deutlich vorangekommen, etwa mit der Einrichtung eines Krisenstabes auf Bundesebene. „Da kommt neuer Schwung in dieses Thema“, sagte Söder. Der Bund müsse nun den Impfstoff organisieren und bis Weihnachten verteilen. Neben den Impfzentren und niedergelassenen Ärzten sollen künftig auch Zahnärzte und Apotheker impfen dürfen.

Söder forderte in seinem Statement, dass es bis zum Jahresende wieder Geisterspiele in der Fußball-Bundesliga geben soll. „Wenn Weihnachtsmärkte zu sind, ist es nicht stimmig, volle Stadien zu haben“, sagte der CSU-Politiker. „Wir wollen folgendes vorschlagen: Bis Jahresende sollte man ohne Zuschauer auf jeden Fall bei den Profi-Ligen auskommen“, sagte Söder. „Wir versuchen, das nochmal deutschlandweit umzusetzen, wir würden aber in Bayern da an der Stelle auch einen Alleingang machen.“ Dann könne man schauen, wie sich die Inzidenzzahlen entwickeln würden.

„Alle sind sich einig, dass beim Fußball was passieren muss“, berichtete Söder. Vor allem die Bilder aus Nordrhein-Westfalen von 50.000 Zuschauern beim Derby 1. FC Köln gegen Borussia Mönchengladbach haben angesichts der bundesweiten Corona-Zahlen für Erstaunen gesorgt. Bei der Frage einer Reduktion seien sich alle einig, einige würden auch den bayerischen Weg ganz ohne Zuschauer befürworten, sagte Söder.

Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht zentrale Entscheidungen zu Lockdown-Maßnahmen vom Frühjahr bekannt gegeben. Demnach sind die Maßnahmen der sogenannten Corona-Notbremse des Bundes aus der dritten Pandemie-Welle verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Nun ging es zentral darum, ob angesichts der dramatischen Notlage in vielen Krankenhäusern bundesweite Verschärfungen kommen sollen.

Scholz hatte sich bereits für eine Corona-Impfpflicht in bestimmten Einrichtungen mit Risikogruppen ausgesprochen. „Impfen ist der Ausweg aus dieser Pandemie“, hatte er bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags gesagt. Eine Ausweitung einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht bleibe zu prüfen.

Eine Abstimmung ohne Fraktionszwang, wie nun anvisiert, kommt bei ethisch heiklen Fragen in Betracht. Parlamentsabgeordnete sind zwar grundsätzlich nur ihrem Gewissen verpflichtet, aber in der Regel wird von ihnen erwartet, dass sie sich bei Abstimmungen an der Mehrheit ihrer Fraktion orientieren. Ausnahmen werden gemacht, wenn ethisch besonders sensible Entscheidungen anstehen.

Generalmajor als Leiter des Krisenstabs

Zuvor hatte Scholz in der Schalte Generalmajor Carsten Breuer als Leiter des geplanten Krisenstabs zur Corona-Bekämpfung vorgestellt. Der neue Krisenstab soll vor allem die Booster- und weiteren Corona-Impfungen in Deutschland beschleunigen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur argumentierten mehrere Länder in der anschließenden Diskussion am Dienstag, dies sei nicht das eigentliche Thema der Beratungen.

Impfstatus läuft nach sechs Monaten ab

Nach dem Willen von Scholz und den SPD-regierten Ländern sollen laut einem Medienbericht Nachweise über vollständige Corona-Schutzimpfungen nur noch für die Dauer von sechs Monaten als Beleg für den Impfschutz anerkannt werden. Das berichtete die „Rheinische Post“ unter Berufung auf Vorschläge der SPD-Seite für die aktuellen Bund-Länder-Beratungen. Begründet werde dies mit dem allmählichen Nachlassen des Impfschutzes.

Zudem wolle die SPD strenge Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte, hieß es weiter. Private Zusammenkünfte, an denen nicht geimpfte und nicht genesene Personen teilnehmen, sollten auf den eigenen Hausstand sowie höchstens zwei Personen eines weiteren Haushaltes beschränkt werden. Ausnahmen seien allerdings für Kinder vorgesehen. Die 2G-Regeln sollen demnach bundesweit für den gesamten Einzelhandel gelten, abgesehen von Supermärkten und Drogerien.

Bekräftigt wurde demnach zudem die Absicht, auch Apothekerinnen und Apothekern das Impfen erlauben. Gleiches solle für Zahnärztinnen und Zahnärzte gelten. Dies müsste allerdings gesetzlich geregelt werden, hieß es.

Vor den Beratungen hatte sich die SPD-Seite zudem bereit gezeigt, das erst kürzlich geänderte Infektionsschutzgesetz wieder zu verschärfen. Zu den SPD-Vorschlägen zählt eine Prüfung des Bundes, inwieweit das Gesetz ergänzt werden müsse, damit die Hochinfektionsländer auch künftig einen angemessenen Instrumentenkasten zur Verfügung hätten, heißt es in einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Vorschlagspapier. Dazu könnten zum Beispiel auch „zeitlich befristete Schließungen von Restaurants“ gehören.

Pläne für NRW

Auch in Nordrhein-Westfalen rücken verschärfte Corona-Maßnahmen näher. Nach einem Bund-Länder-Krisengespräch am Dienstag will das Landeskabinett am Mittwoch über strengere Corona-Auflagen für das bevölkerungsreichste Bundesland entscheiden. Im Anschluss an die am Vormittag angesetzte Kabinettssitzung kommt der Landtag um 13 Uhr auf Antrag der Oppositionsfraktionen von SPD und Grünen zu einer Sondersitzung zusammen.

Es wird erwartet, dass Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) die Abgeordneten über den weiteren Kurs im Kampf gegen die Corona-Pandemie informieren wird. Wüst hatte bereits weitere Kontaktreduzierungen für das bevölkerungsreichste Bundesland angekündigt. Auch soll die Maskenpflicht im Schulunterricht wieder eingeführt werden. Die Maßnahmen sollen noch in dieser Woche umgesetzt werden, hatte Wüst gesagt. Im Gespräch sind auch Schließungen von Bars, Clubs und Diskotheken.

„Wir brauchen einheitliche Maßnahmen als Mindestschutz in ganz Deutschland, um Kontakte deutlich zu reduzieren und die Menschen im Land zu schützen“, twitterte Wüst (CDU), der auch Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) ist. „Vor allem aber brauchen wir zügig konkrete Ergebnisse.“

Angesichts der weiter steigenden Corona-Zahlen und der Entdeckung der Omikron-Variante des Virus wächst der Handlungsdruck auf die Politik. Zwar ist die Sieben-Tage-Inzidenz in NRW bei weitem nicht so hoch wie bundesweit. Aber auch in NRW steigt die Inzidenz pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen sowie die Zahl der Corona-Patienten auf den Intensivstationen. In Nordrhein-Westfalen lag die Sieben-Tage-Inzidenz laut Robert Koch-Institut (RKI) am Dienstag bei 285,9. Der bundesweite Wert betrug 452,2. Mit Stand Dienstag wurden nach Angaben der Landesregierung 2832 Covid-Patienten in NRW-Krankenhäusern behandelt. Das sind 145 mehr als am Montag und 417 mehr als vor einer Woche.

SPD und Grüne forderten für Mittwoch einen Beschluss des Landtags, der die CDU/FDP-Landesregierung ermächtige, weitergehende Schutzmaßnahmen aus dem Katalog des Bundesinfektionsschutzgesetzes anwenden zu können. Dazu könnten etwa ein Verbot von Freizeit-, Kultur und Sportveranstaltungen, das Verbot der Alkoholabgabe und des Alkoholkonsums sowie Schließungen von Hochschulen gehören.

Für das Land NRW bestehe „die konkrete Gefahr der epidemischen Ausbreitung“ von Covid-19, hieß es in dem Antrag. Das medizinische Personal in den Krankenhäusern arbeite am Limit und die Zahl freier betreibbarer Intensivbetten sinke weiter. „Vor diesem Hintergrund ist es jetzt dringend nötig, gemeinsam alles zu tun, um die zugespitzte Lage zu brechen und die Situation nicht außer Kontrolle geraten zu lassen.“

(dpa)