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Düsseldorf: Eklat im Landtag: SPD-Politiker wirft Remmel „Blutgrätsche” vor

Düsseldorf : Eklat im Landtag: SPD-Politiker wirft Remmel „Blutgrätsche” vor

Der Streit über das geplante Industriegebiet „Newpark” im Kreis Recklinghausen hat am Freitag aus Sicht der Opposition zu einer „Sternstunde des Parlamentarismus” geführt: SPD gegen Grüne auf offener Bühne. Die Höhepunkte der Debatte im Düsseldorfer Landtag:

Der Eklat: Nach der ersten - von SPD und Grünen sehr im Konsens geführten - Rederunde tritt der Recklinghäuser SPD-Lokalmatador Hans-Peter Müller ans Mikrofon und redet Tacheles. Sein Vorwurf: Der grüne Umweltminister Johannes Remmel habe das Verkaufsverfahren nachträglich neu aufgerollt und beeinflusst. Dabei seien Auflagen herausgekommen, die „weder akzeptabel noch juristisch haltbar” seien. Mit seiner „Kampfstrategie” gegen die vor Ort gewollte Umwandlung eines rund 500 Hektar großen landwirtschaftlichen Areals in ein Industriegebiet verhindere Remmel gemeinsam mit Umweltaktivisten Tausende dringend benötigter neuer Jobs.

Das Zitat: Müller - gelernter Kfz-Elektriker und seit 2009 auch Mitglied im Kreistag Recklinghausen - nimmt kein Blatt vor den Mund: „Wenn nun das Landwirtschaftsministerium aufgrund der ideologischen Ausrichtung mit einer gekonnten Blutgrätsche anweisend in das Verfahren eingreift - denn so empfinden wir das vor Ort - dann wird in der stark gebeutelten Emscher-Lippe-Region festzustellen bleiben, ob das erneute Aufrollen des Verfahrens dem Gesetzestext entsprochen hat.” Die kreiseigene Grundstücksgesellschaft hat bereits Klage gegen die Auflagen angekündigt.

Die Ministerpräsidentin: Hannelore Kraft (SPD) ist während der Debatte nicht anwesend. Am Vortag versicherte sie bereits im Landtag: „Das Projekt wird keineswegs vor die Wand gefahren.” Müller ruft Sie um Hilfe an: „Wir vertrauen darauf, dass Sie an der Seite der Region stehen und uns mit allen Mitteln unterstützen, Arbeitsplätze auf dem Newpark-Areal zu schaffen.” Er erkennt aber auch ihre schwierige Position: „Ich beneide die Ministerpräsidentin nicht. Die Regierungschef darf nicht als Richterin entscheiden, sondern muss sich den Herausforderungen der Gesetzgebung stellen.”

Der Umweltminister: Johannes Remmel (Grüne) weist die Vorwürfe als „Popanz” der Opposition zurück. „Ich freue mich über jeden Industriearbeitsplatz, der in Nordrhein-Westfalen neu entsteht.” Bei „Newpark” habe es einen rechtlich vorgeschriebenen Abwägungsprozess gegeben, um eine Schieflage zwischen Industriegebieten zulasten von Landwirtschaftsflächen zu verhindern. „Meine Tür steht offen für Gespräche, um einen Rechtsstreit zu vermeiden.”

Der Wirtschaftsminister: Garrelt Duin (SPD) bekräftigt ebenfalls: „Wir stehen zu „Newpark”.” Es sei nichts gegen den von der Landesregierung beförderten Kompromiss zu sagen, dass die Landwirte das Areal weiter nutzen dürften bis „Newpark” realisiert werde.

Die Opposition: CDU und FDP sehen die Auflagen hingegen als k.o. für „Newpark”. Die Kündigungsfristen für die Pachtverträge seien viel zu lang. Dies schrecke Investoren ab. Der CDU-Abgeordnete Hendrik Wüst wirft Remmel vor: „Sie geben der Region Steine statt Brot.” Für die Piraten steht fest: „Das Projekt ist mausetot.” Internationale Hochtechnologiefirmen gingen „nicht auf eine grüne Wiese am Rande des Ruhrgebiets”, meint der Piraten-Abgeordnete Hanns-Jörg Rohwedder.

Die Koalition: SPD-Landtagsfraktionschef Norbert Römer kann den rot-grünen Konflikt nicht unter der Decke halten, stellt aber fest: „Die Koalition wird weiter gut zusammenarbeiten. Es gibt regionale und persönliche Betroffenheiten. Die werden wir zusammenführen.”

Die Sternstunde: SPD-Abweichler Müller erntet reichlich vergiftetes Lob aus Oppositionsreihen. Der CDU-Abgeordnete Wüst hält fest: „Wenn ich gewusst hätte, was für eine Sternstunde des Parlamentarismus sich heute vollziehen würde, hätte ich einen schwarzen Anzug angezogen. Sowas erlebt man nicht häufig, dass ein Abgeordneter einer Regierungskoalition so glasklar und schonungslos mit dem eigenen Koalitionspartner abrechnet.”

(dpa)