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Verhandlungen : Die Ampel will ihren Koalitionsvertrag vorstellen

Verhandlungen : Die Ampel will ihren Koalitionsvertrag vorstellen

Ein Rekordtempo haben SPD, Grüne und FDP nicht gerade hingelegt. Aber ihr Ziel, dass die erste bundesweite Ampel-Koalition bis Weihnachten stehen soll, scheinen sie zu erreichen. Und die Zusammensetzung des Kabinetts soll auch schon feststehen.

Zwei Monate nach der Bundestagswahl stehen die Verhandlungen von SPD, Grünen und FDP über die Bildung einer Ampel-Regierung unmittelbar vor dem Abschluss. Die drei Parteien luden für diesen Mittwochnachmittag (15 Uhr) zu einer Pressekonferenz ein, bei der sie ihren Koalitionsvertrag vorstellen wollen. Dessen Details wurden bislang absolut vertraulich ausgehandelt. Am Vormittag kam die Hauptverhandlungsrunde der drei Parteien zu ihrer abschließenden Sitzung zusammen.

Auch über die Verteilung der Ressorts haben sich SPD, Grüne und FDP nach bereits verständigt. Darüber, wie das künftige Kabinett besetz sein soll, gab es bislang nur Spekulationen. Personallisten, die an die Öffentlichkeit gedrungen sind, widersprachen sich zum Teil. Aus Berliner Verhandlungskreisen heißt es nun am Mittwoch, dass die SPD die Ministerien für Verteidigung, Gesundheit, Bauen, Entwicklung, Inneres und Arbeit erhalten soll. Hubertus Heil soll demzufolge Arbeitsminister bleiben, Innenministerin die bisherige Justizministerin Christine Lambrecht. Wolfgang Schmidt könnte Kanzleramtschef werden, Bauministerin Svenja Schulze.

An die FDP sollen derweil vier Ministerien gehen. Christian Lindner würde demnach Finanzminister und Vizekanzler werden. Volker Wissing soll Verkehrsminister werden, Justizminister Marco Buschmann, Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger. Als Außenministerin wird die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock gehandelt. Parteikollege Robert Habeck wird Wirtschafts- und Klimaschutzminister und Vizekanzler neben Lindner. Die Grünen erhalten außerdem die Ressorts Familie (hier wird Katrin Göring-Eckardt als Favoritin gehandelt), Landwirtschaft (Anton Hofreiter) und Umwelt (Steffi Lemke).

Nach dem Zeitplan der drei Parteien soll der bisherige Finanzminister Olaf Scholz (SPD) in der Woche ab dem 6. Dezember im Bundestag zum Kanzler gewählt werden. Damit endet nach 16 Jahren die Ära von Angela Merkel (CDU), die bei der Bundestagswahl am 26. September nicht wieder kandidiert hatte. Die Kanzlerin und ihre Ministerinnen und Minister von Union und SPD trafen sich am Mittwoch zu ihrer möglicherweise letzten Kabinettssitzung. Merkel erhielt von Scholz einen Blumenstrauß. Anschließend versammelte sich das Kabinett zu einem Gruppenfoto auf einer Treppe im Kanzleramt.

Die Koalitionsverhandlungen hatten am 21. Oktober begonnen, nachdem die drei Ampel-Parteien zuvor in Sondierungen den Grundstein dafür gelegt hatten. Geführt wurden sie in einer Hauptverhandlungsrunde aus zuletzt je sieben hochrangigen Vertretern jeder Partei sowie in 22 Arbeitsgruppen. In diesen handelten die Fachpolitiker der Parteien die Details des Koalitionsvertrags aus.

Ein Koalitionsvertrag muss bei SPD und FDP jeweils durch Parteitage und bei den Grünen in einer Mitgliederbefragung gebilligt werden. Die rund 125 000 Grünen-Mitglieder sollen nach Parteiangaben ab diesem Donnerstag in einer digitalen Urabstimmung über den Vertrag befinden. Auch über das Personaltableau der Grünen, also etwa die Besetzung von Ministerämtern, sollen sie entscheiden - „zum ersten Mal in unserer Parteigeschichte“, wie Bundesgeschäftsführer Michael Kellner der Deutschen Presse-Agentur sagte.

Christian Lindner, Parteivorsitzender der FDP.
Christian Lindner, Parteivorsitzender der FDP. Foto: dpa/Michael Kappeler

„Jedes Mitglied kann mitbestimmen, ob Bündnis90/Die Grünen als Teil der ersten Ampelregierung im Bund erstmals seit 2005 wieder in eine Bundesregierung eintritt und ob es mit dieser Regierung einen Aufbruch beim Klimaschutz und dem sozialen Zusammenhalt in diesem Land gibt“, sagte Kellner.

In einem Sondierungspapier hatten SPD, Grüne und FDP bereits einige „Vorfestlegungen“ getroffen und dabei auch einige Streitthemen abgeräumt. Sie schrieben sich darin „eine umfassende Erneuerung unseres Landes“ und „einen Aufbruch“ für Deutschland auf die Fahnen, um die großen Herausforderungen wie Klimawandel, Digitalisierung, Sicherung des Wohlstands oder sozialen Zusammenhalt zu bewältigen.

Wohl mit Rücksicht auf die Wahlversprechen der FDP wurde vereinbart, dass keine neuen Substanzsteuern eingeführt und Steuern wie die Einkommen-, Unternehmens- oder Mehrwertsteuer nicht erhöht würden. Im ersten Jahr einer Ampel-Koalition soll der gesetzliche Mindestlohn auf zwölf Euro pro Stunde erhöht werden. Dies war ein zentrales Wahlversprechen der SPD. Das Wahlalter für Bundestags- und Europawahlen soll von 18 auf 16 Jahre gesenkt werden.

Zur Einhaltung der Klimaschutzziele wurde in dem Papier auch festgelegt, den Ausstieg aus der Kohleverstromung zu beschleunigen und möglichst auf 2030 vorzuziehen. Bisher ist der Kohleausstieg bis spätestens 2038 geplant. Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen, wie von den Grünen gefordert, soll nicht kommen. Zum Thema Migration wurde vereinbart, Asylverfahren, die Verfahren zur Familienzusammenführung und die Rückführungen zu beschleunigen. Es sollen legale Zugangswege nach Deutschland geschaffen werden.

 Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen.
Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. Foto: dpa/Michael Kappeler

Nach dem üblichen Rhythmus von Bundestagswochen käme das Plenum in der Nikolauswoche erstmals am 8. Dezember zusammen. Sollte dann die Kanzlerwahl stattfinden, wären seit der Bundestagswahl 73 Tage vergangenen. Zum Vergleich: Nach der Wahl 2017 dauerte die Regierungsbildung 171 Tage - so lange wie nie zuvor. Vier Jahre vorher waren es 86 Tage gewesen. Dagegen kam die erste und die zweite rot-grüne Bundesregierung von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) 1998 und 2002 jeweils in nur 30 Tagen zustande.

(dpa)