Immer mehr Omikron-Fälle : Intensivmediziner fordern bundesweites Corona-Ampelsystem
Berlin Experten kritisieren die verzögerten Corona-Meldezahlen und fordern die Vorbereitung möglicher Verschärfungen. In der kommenden Woche gibt es angesichts der nächsten Corona-Welle weitere Beratungen von Bund und Ländern – auch zu den Schulen.
Angesichts der erwarteten rasanten Ausbreitung der Coronavirus-Variante Omikron in Deutschland rücken weitere Krisenmaßnahmen in den Blick. Führende Intensivmediziner haben jetzt ein Warnsystem gefordert, um der noch unsicheren Datenlage zu Omikron zu begegnen.
„Wir brauchen jetzt schnell ein bundesweit einheitliches Ampelsystem für mögliche Corona-Verschärfungen“, sagte der Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Christian Karagiannidis, unserer Redaktion. Es sei möglich, dass die Omikron-Variante mildere Krankheitsverläufe verursacht. „Die schiere Anzahl von Neuinfektionen, auf die wir derzeit zusteuern, könnte die Intensivkapazitäten dennoch vor große Herausforderungen stellen, noch mehr aber die Hospitalisierung insgesamt“, sagte er. Daher sollten sich Bund und Länder schnell auf ein Warnsystem aus den Faktoren Intensivbettenbelegung, Hospitalisierungsquote und Inzidenz einigen. „Es ist möglich, dass dann zusätzliche Kontaktbeschränkungen notwendig werden oder wir mit den bestehenden Regeln gut weiterfahren können“, so der Intensivmediziner, der auch Mitglied des neuen Expertenrates der Bundesregierung ist.
Die nächste Sitzung des Gremiums ist für kommenden Mittwoch geplant. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte ebenfalls Beratungen und Vorschläge für den Kampf gegen die Omikron-Ausbreitung angekündigt. „Wir sind mit einem dynamischen Anstieg der Omikron-Fälle konfrontiert“, hatte der SPD-Politiker am Mittwochabend in den ARD-„Tagesthemen“ gesagt. Es gelte zu überlegen, was dies etwa für Kontaktreduzierungen und die Dauer von Quarantänezeiten bedeute. Nach Meldeverzögerungen über die Feiertage solle es zur Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) am 7. Januar „sehr zuverlässige Zahlen“ zur Corona-Lage geben.
Intensivmediziner Karagiannidis forderte eine rasche Digitalisierungsoffensive. „Die Bundesregierung muss im ersten Halbjahr 2022 endlich die elektronische Patientenakte neu aufrollen und umsetzen. Es kann nicht sein, dass wir in Deutschland so wenig Kenntnis vom aktuellen Krankheitsgeschehen haben“, sagte er. „Israel hat uns mit seinen Patientendaten versorgt, nur so konnten wir schnell auf Booster-Impfungen setzen. Das hat vielen Menschen das Leben gerettet“, sagte Karagiannidis.
Die Kultusminister und -ministerinnen der Länder wollen am kommenden Mittwoch kurzfristig in einer Videokonferenz über die Lage an den Schulen beraten. Das Präsidium der Kultusministerkonferenz, dem 6 der 16 KMK-Minister angehören, hatte seine Linie bekräftigt, dem Präsenzunterricht an Schulen weiterhin höchste Priorität einzuräumen. Am Montag kehren Schülerinnen und Schüler in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Sachsen nach der Weihnachtspause zurück in die Schulen, am Dienstag im Saarland und am Mittwoch in Hamburg. Für Kinder und Jugendliche in Thüringen beginnt die Schule nach den Weihnachtsferien unterdessen mit Distanzunterricht.
Der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, übte scharfe Kritik an Überlegungen, die Schulen vorübergehend zu schließen. „Ich finde es unerträglich, dass einzelne Politikerinnen und Politiker jetzt schon wieder über Schulschließungen nachdenken. Das hätte massive und dauerhafte Folgen für die Kinder und Jugendlichen, die Schäden waren in der Vergangenheit enorm“, sagte er unserer Redaktion. „Würde es nach den Ferien zu erneuten Schulschließungen kommen, wäre das ein klarer Ausdruck von Politikversagen“, so Fischbach.