Koalitionsvertrag steht : Das sind die Pläne der Ampel
Berlin Die Ampel-Parteien stellen ihren Koalitionsvertrag vor. Das 177 Seiten starke Dokument steht unter der Überschrift „Mehr Fortschritt wagen“. Hier lesen Sie, was drin steht.
- Wahlalter auf 16
- Eine Milliarde Euro für Corona-Bonus für Pflegekräfte
- Corona-Krisenstab im Kanzleramt
- Kohleausstieg „idealerweise“ schon bis 2030
- Unterstützung für Kohle-Regionen
- Stromkunden entlasten
- Kommunen von Altschulden entlasten
- Bewaffnung von Drohnen ermöglichen
- Rüstungsexporte beschränken
- Öffentlicher Nahverkehr soll gestärkt werden
- Begleitetes Fahren ab 16 Jahren
- Kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene
- Mehr Geld für die Schiene
- Ausbau des Ladenetzes für E-Autos
- Mangel an Fachkräften entgegenwirken
- Mietpreisbremse verlängern und verschärfen
- Werbeverbot für Abtreibung ganz abschaffen
- Schuldenbremse ab 2023
- Die Ministerien
Wahlalter auf 16
Die geplante Ampel-Regierung will das Wahlalter in Deutschland von 18 Jahre auf 16 Jahre senken. Dies geht aus dem Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP hervor. Für eine Absenkung des Wahlalters für Bundestagswahlen ist aber eine Grundgesetzänderung notwendig.
Eine Milliarde Euro für Corona-Bonus für Pflegekräfte
Pflegekräfte sollen wegen der besonderen Belastungen in der Corona-Krise einen erneuten Bonus bekommen. Die künftigen Ampel-Koalitionspartner hätten sich verständigt, dafür eine Milliarde Euro bereit zu stellen, sagte SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz am Mittwoch.
Corona-Krisenstab im Kanzleramt
Der voraussichtliche künftige Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Einrichtung eines ständigen Bund-Länder-Krisenstabs im Kanzleramt zum Kampf gegen die dramatische Entwicklung in der Corona-Krise angekündigt. Die neue Bundesregierung werde die Einrichtung eines solchen Krisenstabes veranlassen, sagte Scholz.
Kohleausstieg „idealerweise“ schon bis 2030
SPD, Grüne und FDP streben einen auf das Jahr 2030 vorgezogenen Kohleausstieg an. „Zur Einhaltung der Klimaschutzziele ist auch ein beschleunigter Ausstieg aus der Kohleverstromung nötig. Idealerweise gelingt das schon bis 2030“, heißt es im Koalitionsvertrag. Demnach soll ein vorgezogener Kohleausstieg über einen massiven Ausbau Erneuerbarer Energien und über den Bau moderner Gaskraftwerke gelingen.
Bislang ist gesetzlich vereinbart, dass Deutschland bis spätestens 2038 aus der Kohleverstromung aussteigt.
Die höheren Klimaschutzziele und steigende CO2-Preise würden aber die Spielräume für einen so späten Kohleausstieg zunehmend einschränken, heißt es in dem Vertrag. „Das verlangt den von uns angestrebten massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Errichtung moderner Gaskraftwerke, um den im Laufe der nächsten Jahre steigenden Strom- und Energiebedarf zu wettbewerbsfähigen Preisen zu decken“, heißt es darin weiter. Der Anteil Erneuerbarer Energien am Stromverbrauch soll bis 2030 auf 80 Prozent steigen, derzeit liegt er bei etwa 45 Prozent.
Die bis zur Versorgungssicherheit geplanten Gaskraftwerke sollen laut Vertrag auch an bisherigen Kraftwerksstandorten gebaut werden. „Sie müssen so gebaut werden, dass sie auf klimaneutrale Gase (H2-ready) umgestellt werden können“, lautet eine Vorgabe.
Unterstützung für Kohle-Regionen
Darüber hinaus haben sich die Ampel-Parteien darauf verständigt, die Kohle-Regionen beim schnelleren Ausstieg zu unterstützen. „Die betroffenen Regionen sowie die vom Kohleabbau Betroffenen können weiterhin auf solidarische Unterstützung zählen“, heißt es im Vertrag. Einige Maßnahmen zur Stärkung der Regionen sollen vorgezogen werden. Zusätzliche Entschädigungen für Unternehmen soll es zu den bislang zugesagten Leistungen aber laut Vertrag nicht geben. Für den Strukturwandel in den Kohleregionen sind bereits Milliardenhilfen beschlossen worden.
Stromkunden entlasten
SPD, Grüne und FDP wollen Stromkunden entlasten. Zum 1. Januar 2023 soll die Finanzierung der milliardenschweren EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms über den Strompreis abgeschafft werden, wie es in dem Koalitionsvertrag heißt.
Kommunen von Altschulden entlasten
SPD, Grüne und FDP wollen Kommunen mit hohen Altschulden entlasten. Ihnen fehle die Finanzkraft für dringend notwendige Investitionen, heißt es im Koalitionsvertrag der drei Parteien, der am Mittwoch vorgelegt wurde. Eine Entlastung sei aber nur gemeinsam mit den Ländern möglich, deren Kommunen betroffen seien. Ein solcher Schritt erfordere daher das Einvernehmen der Länder und eine Änderung des Grundgesetzes.
Die Kommunen müssten zudem einen eigenen Beitrag zur Entschuldung leisten und eine neue Überschuldung verhindern. Auch die ostdeutschen Kommunen, die eine etwas andere Schuldenproblematik haben, würden berücksichtigt.
Verschuldete Kommunen gibt es in allen Bundesländern, nicht alle Regionen sind aber gleich stark betroffen. Vor allem in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland haben die Kommunen hohe Kassenkredite.
Bewaffnung von Drohnen ermöglichen
SPD, Grüne und FDP wollen in einer gemeinsamen Bundesregierung eine Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr ermöglichen. Diese könnten zum Schutz der Soldaten im Auslandseinsatz beitragen, heißt es in dem Koalitionsvertrag.
Rüstungsexporte beschränken
SPD, Grüne und FDP wollen die deutschen Rüstungsexporte künftig mit einem eigenen Gesetz besser kontrollieren. Bisher gibt es nur politische Richtlinien für die Ausfuhr von Waffen und anderen Rüstungsgütern. Darin wird unter anderem der Export von Waffen in Krisengebiete untersagt. Außerdem wird der Beachtung der Menschenrechtslage in den Zielländern ein hoher Stellenwert bei Exportentscheidungen eingeräumt. Vor allem die Grünen, aber auch Teile der SPD haben immer wieder kritisiert, dass die Richtlinien für eine effektive Rüstungsexportkontrolle nicht ausreichen.
Öffentlicher Nahverkehr soll gestärkt werden
Ab 2022 sollen dafür die sogenannten milliardenschweren Regionalisierungsmittel erhöht werden. Außerdem sollen auch im kommenden Jahr pandemiebedingte Einnahmeausfälle ausgeglichen werden.
Im Koalitionsvertrag heißt es: „Wir wollen Länder und Kommunen in die Lage versetzen, Attraktivität und Kapazitäten des ÖPNV zu verbessern. Ziel ist, die Fahrgastzahlen des öffentlichen Verkehrs deutlich zu steigern.“ Gemeinsam mit Ländern und Kommunen sollen Qualitätskriterien und Standards für Angebote und Erreichbarkeit für urbane und ländliche Räume definiert werden.
Begleitetes Fahren ab 16 Jahren
Die Ampel-Koalition will begleitetes Fahren schon für Jugendliche ab 16 Jahren ermöglichen. „Um Jugendliche schon frühzeitig für die Gefahren im Straßenverkehr zu schulen, werden wir begleitetes Fahren ab 16 Jahren ermöglichen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Bislang gilt eine Altersgrenze von 17 Jahren.
Kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene
Die Ampel-Koalition will eine „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ einführen. Dadurch würden „die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet“, heißt es in dem Koalitionsvertrag.
Mehr Geld für die Schiene
SPD, Grüne und FDP wollen mehr Geld in die Schiene stecken und Reformen bei der Deutschen Bahn. Eine in den Koalitionsverhandlungen diskutierte Aufspaltung der bundeseigenen Bahn gibt es aber nicht, wie aus dem am Mittwoch vorgestellten Koalitionsvertrag hervorgeht. Bei den Autobahnen und Bundesstraßen soll ein stärkerer Fokus auf Erhalt und Sanierung gelegt werden.
Die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur müssten weiter erhöht und langfristig abgesichert werden, heißt es. „Dabei wollen wir erheblich mehr in die Schiene als in die Straße investieren, um prioritär Projekte eines Deutschlandtaktes umzusetzen.“
Durch den „Deutschlandtakt“ sollen künftig die Züge zwischen den größten Städten im Halbstundentakt fahren. An zentralen Bahnhöfen sollen die Züge ungefähr gleichzeitig eintreffen und kurz darauf wieder abfahren. Lange Umsteigezeiten von einer halben Stunde und mehr soll es dann nicht mehr geben, Reisezeiten sollen kürzer werden.
Die Deutsche Bahn AG solle als integrierter Konzern erhalten bleiben, heißt es. Die SPD war gegen eine Aufspaltung von Netz und Verkehr. Die Gleis-Infrastruktur in Deutschland gehört zur Bahn-Tochter DB Netz. Sie ist für Betrieb und Ausbau des Netzes verantwortlich.
Ausbau des Ladenetzes für E-Autos
Die Ampel-Koalition will den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos beschleunigen. Dabei solle der Schwerpunkt auf Schnellladeinfrastruktur gelegt werden, wie es im Koalitionsvertrag heißt. „Wir setzen auf die Mobilisierung privater Investitionen“, heißt es. „Wo wettbewerbliche Lösungen nicht greifen, werden wir mit Versorgungsauflagen, wo baulich möglich, die verlässliche Erreichbarkeit von Ladepunkten herstellen.“ Ein flächendeckendes Ladenetz gilt als Voraussetzung für den Durchbruch der E-Mobilität.
Mangel an Fachkräften entgegenwirken
Die Ampel-Koalition will dem Mangel an Fachkräften in Deutschland entgegenwirken. Deutschland brauche mehr Arbeitskräfteeinwanderung, heißt es im Koalitionsvertrag. Das Einwanderungsrecht solle weiterentwickelt werden. Neben dem bestehenden Recht solle mit der Einführung einer „Chancenkarte“ auf Basis eines Punktesystems eine zweite Säule etabliert werden, um Arbeitskräften zur Jobsuche den gesteuerten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
„Die Blue Card werden wir im nationalen Recht auf nicht-akademische Berufe ausweiten“, heißt es. Voraussetzung werde ein konkretes Jobangebot zu marktüblichen Konditionen sein. Zugleich sollten Hürden bei der Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen aus dem Ausland abgesenkt werden.
Mietpreisbremse verlängern und verschärfen
Die angestrebte künftige Ampel-Regierung will die Mietpreisbremse verlängern und verschärfen. In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt soll die Miete binnen drei Jahren nur noch bis zu 11 Prozent steigen dürfen statt wie bisher bis zu 15 Prozent, heißt es in dem Koalitionsvertrag.
Werbeverbot für Abtreibung ganz abschaffen
Die Ampel-Parteien wollen das umstrittene Werbeverbot für Abtreibung vollständig abschaffen. Der entsprechende Paragraf 219a im Strafgesetzbuch werde gestrichen, heißt es im vereinbarten Koalitionsvertrag. Ärzte dürfen zwar bisher schon über darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche anbieten, können aber bestraft werden, wenn sie dabei auch die verwendete Methode nennen.
Schuldenbremse ab 2023
SPD, Grüne und FDP wollen die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ab 2023 wieder einhalten. Im kommenden Jahr müssten wegen der andauernden Pandemie-Folgen noch einmal neue Kredite aufgenommen werden, heißt es im Koalitionsvertrag. Das Geld solle „insbesondere für die Überwindung der Coronakrise und Maßnahmen für eine schnelle wirtschaftliche Erholung“ genutzt werden. Ab 2023 werde die Verschuldung auf den in der Schuldenbremse vorgegebenen Spielraum beschränkt.
Die Schuldenbremse in Artikel 115 des Grundgesetzes schreibt zwar ausgeglichene Haushalte vor, erlaubt in wirtschaftlich stabilen Zeiten aber geringe Kredite über 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung. Im Vor-Corona-Jahr 2019 wären das rund 12 Milliarden Euro gewesen. Bei der Berechnung dieser Summe gibt es derzeit eine Konjunkturkomponente, die laut Koalitionsvertrag evaluiert und angepasst werden soll.
Die Ministerien
SPD, Grüne und FDP haben sich in ihren Koalitionsverhandlungen auf ein neues Bundesministerium für Bauen verständigt. Vorgesehen ist zudem eine Erweiterung des Wirtschaftsministeriums um das Thema Klimaschutz, hieß es in dem Koalitionsvertrag, der der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch in Berlin aus mehreren Quellen aller drei Parteien vorlag. Das Innenministerium gibt die Bauabteilung an das neu geschaffene Ministerium ab.
Neben dem Bundeskanzleramt, das vom SPD-Politiker Olaf Scholz als Bundeskanzler und einem Kanzleramtsminister geleitet werden soll, wird es künftig 15 statt bisher 14 Bundesministerien geben. Davon sollen sechs von der SPD besetzt werden (Innen und Heimat, Verteidigung, Bauen, Gesundheit, Arbeit und Soziales sowie Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), fünf von den Grünen (Wirtschaft und Klimaschutz, Auswärtiges Amt, Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft sowie Familie, Senioren, Frauen und Jugend) und vier von der FDP (Finanzen, Verkehr und Digitales, Bildung und Forschung sowie Justiz).