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Berlin: Das Kohle-Dreieck macht Politik

Berlin : Das Kohle-Dreieck macht Politik

Hannelore Kraft sieht aus wie eine wütende Furie auf den Plakaten und Tageszeitungs-Anzeigen des linksalternativen Kampagnenbüros „Campact“. Neben dem Konterfei der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin steht in großen Buchstaben geschrieben: „Kohle-Kraft stoppen!“.

Die Kampagne gegen Kraft und ihre Energiepolitik läuft schon seit Tagen, das Plakat tragen die Protestler, wenn sie in Berlin vor den Reichstag ziehen oder in Düsseldorf vor den Landtag. Es ziert die großen Tageszeitungen, in denen großflächige Anzeigen geschaltet wurden.

Tatsächlich hat sich Nordrhein-Westfalens Landeschefin bei den Berliner Koalitionsverhandlungen erkennbar für die Interessen der Betreiber der großen Kohle- und Gaskraftwerke eingesetzt, für Konzerne wie RWE oder Eon, die ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen haben. Ihr zur Seite standen in der Arbeitsgruppe Energie die Vertreter kleinerer Kohle-Länder, der saarländische Wirtschaftsminister Heiko Maas und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (beide SPD). Woidke hatte vor Verhandlungsbeginn sogar noch den SPD-Umweltpolitiker Ulrich Kelber aus der Arbeitsgruppe verdrängt, denn nicht nur in NRW hängen immer noch tausende Arbeitsplätze an der Kohle.

Das SPD-Kohle-Dreieck konnte im Abschlusspapier der von Kraft und Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) geleiteten Arbeitsgruppe wichtige kohlepolitische Punkte bereits unterbringen, der wichtigste Punkt allerdings — die Schaffung neuer Subventionen für unrentable konventionelle Kraftwerke, die am Netz bleiben sollen — ist strittig geblieben und wird nun am Ende der Koalitionsverhandlungen im Dezember von den drei Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) entschieden werden müssen.

„Die konventionellen Kraftwerke (Braunkohle, Steinkohle, Gas) als Teil des nationalen Energiemixes sind auf absehbare Zeit unverzichtbar“, heißt es im Beschlusspapier der Arbeitsgruppe, das am Montag von der großen Runde der 75 Politiker von Union und SPD gebilligt worden war. Erneuerbare Energien könnten „noch nicht entscheidend zur Versorgungssicherheit beitragen“, solange keine Speicher ausreichend und kostengünstig zur Verfügung stünden. Daraus ergebe sich, dass die konventionellen Kraftwerke — die herkömmlichen und weniger klimafreundlichen Kohle- und Gaskraftwerke — noch für längere Zeit gebraucht würden.

„Wir brauchen verschiedene Mechanismen, mit denen die jeweils erforderlichen Kapazitäten langfristig am Markt gehalten werden können“, schreiben Union und SPD in ihrem Papier. Das Wörtchen „langfristig“ dürfen Kraft, Maas und Woidke als ihren Erfolg verbuchen, schließlich gibt die mögliche große Koalition damit den Kohle-Kraftwerken eine Überlebensgarantie, die ihnen im Rahmen der Energiewende bislang nicht zugedacht war.

Höchst strittig blieb allerdings, wie die künftige Koalition Kohle-Konzernen wie RWE und Eon helfen wird. Das Kohle-Dreieck ließ in den Abschlusstext diesen von der SPD gewünschten Satz hineinschreiben: „Es ist mittelfristig ein Kapazitätsmechanismus zu entwickeln, der nicht in erster Linie neue Kraftwerkskapazitäten anreizt, sondern den wirtschaftlichen Betrieb der notwendigen bestehenden konventionellen Kraftwerke ermöglicht.“

Die Union ist gegen diese definitive Festlegung eines „Kapazitätsmechanismus“, der darauf hinauslaufen würde, dass die Stromverbraucher künftig auch dafür bezahlen, dass RWE, Eon und Co. unrentable und klimaschädliche Kohle-Kraftwerke am Netz halten, um einige wenige Strom-Engpässe im Jahr ausgleichen zu können. Doch immerhin haben Kraft und ihre Mitstreiter erreicht, dass sich auch die Union an dieser Stelle bereits bewegt. „Wir prüfen die Einführung von Kapazitätsmechanismen, um gegebenenfalls bis spätestens Ende 2015 eine gesetzgeberische Entscheidung für eine kosteneffiziente Lösung zu treffen“, hat Umweltminister Altmaier in das Papier geschrieben.

Doch Altmaier ist bereits damit über seinen eigenen Schatten gesprungen, denn er ist wie das Bundeswirtschaftsministerium zu der Überzeugung gelangt, dass ein Versorgungsengpass selbst in kalten Wintern auch dann noch ausgeschlossen sein wird, wenn im Jahr 2024 das letzte Atomkraftwerk vom Netz geht. Deutschland produziere zu viel Strom und könne Überkapazitäten getrost abbauen, brauche mithin die alten, unrentablen Kohle-Kraftwerke nicht mehr, heißt es in einem Vermerk des Wirtschaftsministeriums.

Ohnehin sei es falsch, bei der Stromversorgung nur national zu denken. „Eine rein nationale Sichtweise für Versorgungssicherheit ist nicht zielführend, da der deutsche Kraftwerkspark nicht als Insel vom europäischen Kraftwerkspark getrennt werden kann“, schreiben die Ministerialen. Mit anderen Worten: Die Strom-Reserven, mit denen Kraft, Maas und Woidke neue Subventionen für RWE und Co. begründen, gäbe es notfalls auch noch woanders in Europa.