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K-Frage geklärt: Baerbock tritt „entschlossen und mit klarem Kompass“ an

K-Frage geklärt : Baerbock tritt „entschlossen und mit klarem Kompass“ an

Annalena Baerbock setzt sich gegen Robert Habeck bei der grünen Kanzlerkandidatur durch. Die 40-Jährige zeigt sich selbstbewusst und staatstragend zugleich.

Zur Verkündung der Entscheidung hatten die Grünen am Montagvormittag in einen ehemaligen Industriekomplex im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg eingeladen, der laut Eigenwerbung „durch Kreativität und Kultur geprägt ist und sich durch umweltbewusste Positionierung hervorhebt“.

Genau das richtige Ambiente für eine Krönungsmesse, die allerdings wegen Corona gänzlich ohne Publikum inszeniert werden musste. Die Geheimhaltung funktionierte bis zum Schluss perfekt. Wenige Sekunden vor Bekanntgabe der Personalie teilte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner das Ergebnis all jenen mit, die sich dafür in einem speziellen E-Mail-Verteiler registriert hatten. 

Die 40-jährige Vorsitzende Annalena Baerbock zieht für die Grünen als Kanzlerkandidatin in den Bundestagswahlkampf. Trotz der zur Schau gestellten Harmonie  – die Bereitschaft, sich zurückzunehmen, fiel Co-Chef Robert Habeck offensichtlich nicht leicht.

Der Name Baerbock lief als Eilmeldung praktisch zeitgleich über die Ticker, als Habeck in einem kurzen Statement erklärte: „Wir beide wollten es, aber am Ende kann es nur eine machen“. Gemeinsam habe man vertraute, aber auch „schwierige Gespräche“ geführt. Einer müsse „einen Schritt zurücktreten“. An dieser Stelle war Habeck anzumerken, das ihm das schwergefallen sein muss. Seine Mundwinkel hingen etwas nach unten, die Stimme wirkte zurückgenommen. Von seiner gewohnten Lockerheit war in diesem Augenblick wenig zu spüren.

Schon einmal stand Habeck vor einem großen innerparteilichen Triumph, um dann doch zu unterliegen. Das war im Wahljahr 2017, als die Grünen ihre Spitzenkandidaten noch per Urabstimmung kürten und Habeck am Ende lediglich 75 Stimmen gegen Cem Özdemir fehlten.

Doch das ist Schnee von gestern. Und bei genauerer Betrachtung kam die aktuelle Personalentscheidung auch nicht mehr überraschend. In den vier Jahren seit der gemeinsamen Übernahme des Parteivorsitzes hat sich Baerbock mit viel Fleiß und politischer Sachkenntnis aus Habecks Schatten herausgearbeitet.

Bei den Grünen selbst ist sie noch beliebter als er, was natürlich auch mit der feministischen Ausrichtung der Partei zu tun. Als Baerbock im Anschluss an die Bekanntgabe der Entscheidung von Journalisten online gefragt wurde, wie die Einigung zustande kam, verwies sie genau auf diesen Aspekt.

Ja, das Thema „Emanzipation“ habe dabei eine Rolle gespielt. Auf Nachfrage erfuhr man auch, dass die Entscheidung schon vor Ostern gefallen war. Zugleich betonte Baerbock, dass sie den Wahlkampf mit Habeck „gemeinsam anführen“ werde. Der Co-Chef hatte zuvor ebenfalls betont, sich genauso wie sie in den Wahlkampf zu werfen.

Tatsächlich wird der grüne Vorstand den Delegierten auf dem geplanten Parteitag Mitte Juni Baerbock und Habeck als „Spitzenduo“ und erst in einer zweiten Passage Baerbock als „Kanzlerkandidatin“ vorschlagen. In der öffentlichen Wahrnehmung indes ist es genau umgekehrt.

Bislang haben fast durchweg nur Union und SPD einen Kanzlerkandidaten ins Rennen geschickt. Als die FDP sich im Wahljahr 2002 mit ihrem damaligen Vorsitzenden Guido Westerwelle großspurig daran versucht hatte, war sie am Ende kläglich gescheitert. Auch das zeigt, unter welchen Erfolgsdruck sich die Grünen nun selbst gesetzt haben.

Baerbock beteuerte dann auch „große Demut und Respekt vor dieser Aufgabe“. Und sie räumte ein, keinerlei Regierungserfahrung mitzubringen. Anders als Habeck, der in Schleswig-Holstein sechs Jahre lang Umweltminister und stellvertretender Regierungschef war. Baerbock, in Hannover geboren und studierte Völkerrechtlerin, hatte indes zunächst für eine grüne Europaabgeordnete gearbeitet und später den grünen Landesvorsitz in Brandenburg übernommen.

Seit acht Jahren sitzt sie für die Partei im Bundestag. Doch an Selbstbewusstsein mangelt es der zweifachen Mutter nicht. Für die Kanzlerkandidatur bringe sie „Entschlossenheit, Durchsetzungskraft und einen klaren Kompass und Lernfähigkeit mit“, erklärte Baerbock, und weiter: „Ich glaube all das, was es für ein solches Amt braucht.“

Was die offene Feldschlacht in der Union wegen der dort zu dem Zeitpunkt noch ungeklärten K-Frage angeht, so gab sich Baerbock am Montag schon mal recht staatsragend: Ihr bereite große Sorge, dass das Vertrauen in die Demokratie insgesamt schwinde: „Vertrauen ist dafür eine wichtige Währung.“

Die Amtsinhaberin Angela Merkel (CDU) ließ über ihre Sprecherin Glückwünsche an Baerbock ausrichten. Auch CDU-Chef Armin Laschet gratulierte. Und die beiden SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans freuten sich auf „konstruktive wie auch kontroverse Dialoge und Diskussionen mit der Spitzenkandidatin und ihrer Partei“. An die Tatsache einer grünen Kanzlerkandidatur müssen sie sich offenbar erst noch gewöhnen.