Unna : Riskante Sprünge in der Stadt
Unna Moritz fixiert den Berg aus blauen Schaumstoffmatten in der Mitte der Sporthalle. Dann läuft er los, springt weit vor dem Hindernis ab und fliegt mit gestreckten Beinen über es hinweg. Nach der Landung fährt er direkt wieder aus der Hocke hoch und joggt weiter.
Sein Trainer Pablo Giese klatscht Beifall: „Super Sprung!”
Mit der Sportart „Parkour” hat der 16-jährige Moritz aus Unna eine neue Leidenschaft entdeckt. Seit zwei Monaten nimmt der Schüler an den Workshops des Vereins „Parkour im Pott” teil, den Pablo Giese mit Trainings-Kollegen im Jahr 2006 gegründet hat.
Im Parkour-Workshop müssen die Teilnehmer Schaumstoffmatten, Recks und Kästen in der Turnhalle überwinden. Die Profis der Szene arbeiten mit echten Mauern, Treppengeländern und ganzen Häusern. Denn das Sportgerät der sogenannten Traceure ist die Stadt.
Wenn sie durch die Straßen laufen, ist kein Hindernis zu hoch, um es nicht springend, kletternd oder hangelnd zu erklimmen und schließlich zu überwinden. Elegant wie eine Katze soll sich der Mensch durch die Stadt bewegen, so die Vorstellung des Parkour-Gründers David Belle aus Frankreich.
Auch für Pablo Giese war und ist die Stadt vor allem eine sportliche Herausforderung. „Ich habe schon immer alle möglichen Sportarten draußen in den Straßen gemacht”, erzählt der 27-Jährige aus Herne. „Irgendwann meinte jemand zu mir: Hey Pablo, was du da machst, ist ja Parkour. Das kommt aus Frankreich.”
Während seines Studiums der Raumplanung hatte Pablo Giese die Idee, einen Parkour-Verein zu gründen. Seitdem trainieren Giese und sein Parkour-Kollege Fabian Frank mit Kindern und Jugendlichen die als athletisch besonders anspruchsvoll geltende Sportart - und treffen damit den sportlichen Geist der Zeit.
„Parkour ist eine klassische Trendsportart”, sagt Marten Pollack, Experte für Trendsportarten des Landessportbundes NRW. „Sie wird in der Stadt ausgeübt und hat dieses Flair von Lockerheit und Abenteuer.”
Für Pablo Giese ist das wagemutige Springen von Hausdach zu Hausdach und über Geländer hinweg jedoch viel mehr als nur ein Trend. „Mich fasziniert vor allem die Philosophie hinter dem Sport: Jeder legt seinen individuellen Parkour fest. Als Anfänger springe ich erst mal über kleine Mauern, als Profi dann über große. Dabei lerne ich meine Umgebung sehr genau kennen.”
Während die professionellen Traceure bereits in Kinofilmen und Videoclips auftauchen, erlernen die Jugendlichen bei den Workshops vor allem grundlegende Bewegungstechniken, wie das richtige Abspringen, Landen und Abrollen. Im Auftrag von städtischen Institutionen und Sportvereinen bietet Giese derzeit Trainingszeiten in sechs verschiedenen Städten des Ruhrgebiets an.
Nach einigen Sprüngen in der Dortmunder Turnhalle muss Moritz eine Pause machen: „Ganz schön anstrengend”, sagt er. „Aber macht trotzdem total Spaß!” Nach elf Jahren im Fußballverein und drei Jahren im Leichtathletikclub ist er froh, den neuen Sport gefunden zu haben: „Ich habe extra nach einem wettkampffreien Sport gesucht”, erzählt er. „Ich hatte keine Lust mehr auf diesen Wettkampfdruck. Außerdem kann ich Parkour überall machen. Ich brauche nur meine Parkour-Schuhe dazu.”
Gerade weil der Sport sich so unkompliziert ausüben lässt, vermutet Marten Pollack, dass sich der Trend weiter ausbreiten wird: „Parkour wird zwar nie zum Massensport werden. Dafür erfordert er einfach ein zu großes athletisches Geschick. Aber die Sportart ist sehr kreativ und ästhetisch und bringt kaum Kosten mit sich.
Das macht sie bei vielen so beliebt.” Eine offizielle Zahl, wie viele Parkour-Vereine derzeit in NRW existieren, gebe es allerdings noch nicht.
Ab März können Parkour-Begeisterte auf direktem Weg bei „Parkour-im-Pott” trainieren. Der Verein wird sich dann nicht mehr über seine Auftraggeber, sondern über Mitgliedsbeiträge finanzieren. Parkour-Fans wie Moritz bekommen dann nach und nach ihre eigenen Hallenzeiten. Und vor und nach dem Training warten schließlich ja noch die Städte des Ruhrgebiets auf sie.