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Essen: Pendeln, Geistheiler und Astro-Boom: Sekten-Info in Sorge

Essen : Pendeln, Geistheiler und Astro-Boom: Sekten-Info in Sorge

Immer mehr Menschen lassen sich ihre Zukunft aus Tarotkarten vorhersagen, vertrauen bei Lebensentscheidungen auf die Kraft des Pendels und rufen den Geistheiler, wenn sie krank werden - zum Teil mit gefährlichen Folgen.

„Wir haben einen gewaltigen Anstieg bei Esoterikfällen, die zum Teil mit Realitätsverlust und familiären Problemen verbunden sind”, sagte die Geschäftsführerin des Sekten Info NRW, Sabine Riede, am Freitag in Essen. Die Zahl der Esoterik- Beratungen habe sich seit 2003 fast verdreifacht.

122 mal wurde die Unterstützung der Pädagogen, Psychologen und Juristen der Einrichtung in solchen Fällen in Anspruch genommen - oft, nachdem Freunde, Kollegen oder Angehörige der Betroffenen um Hilfe gebeten hatten. Sorgen mache etwa die zunehmende Beliebtheit von Natur- und Wunderheilern bei Schwerkranken.

So seien zwei Frauen gestorben, nachdem sie die schulmedizinische Behandlung ihrer Krebserkrankung verweigert hätten, sagte Riede. Bei einem leukämiekranken Mann und einer Frau mit einer schweren Infektion hätten die Angehörigen im letzten Moment die notwendige Behandlung im Krankenhaus durchgesetzt.

Die Sekten-Information arbeitet landesweit mit Landes- und Kommunalmitteln, wird nach Riedes Worten aber mangels ähnlicher Einrichtungen in Nachbarländern oft auch von Menschen außerhalb NRWs genutzt. Insgesamt verzeichnete die Sekteninformationsstelle mit fast 500 intensiven Beratungen einen neuen Rekord.

Suchtartige Züge nehme bei manchen Betroffenen der Glaube an die Sterne und an Wahrsager an, sagte eine Beraterin. Astro-Shows im Privatfernsehen heizten die Bedürfnisse der Menschen noch an. „Wir hatten eine Frau, die über Monate für 4000 Euro immer wieder Wahrsager angerufen hat.” Sie habe fast täglich auch bei gewöhnlichen Alltagsentscheidungen übersinnliche Hilfe in Anspruch genommen. Einer anderen Frau habe ein Wahrsager verkündet, dass sie sich mit Aids infiziert habe. Die Beratungsstelle habe die Frau zu einem Test bewegt, der ihre Gesundheit nachwies.

Überwiegend hingen Frauen zwischen 30 und 50 dem Esoterikboom an, sagte Riede. In der Doppelbelastung aus Familie und Beruf gerieten sie oft auf der Suche nach Entspannungstherapien an Esoterikangebote, die irgendwann eine übergroße Bedeutung bekämen.